Auf das Wunder folgt der Bruch
Weil Phil Baltisberger in Zürich keine Perspektiven mehr sah, hat sich der Verteidiger nun mit 28 für einen Neuanfang bei den SCL Tigers entschieden.
Diesen Moment wird er nicht mehr vergessen. Es ist der Nachmittag vor Spiel 3 im Playoff-Halbfinal zwischen den ZSC Lions und Zug. Wie immer legt sich Phil Baltisberger nach dem Mittag kurz hin. Doch lange hält die Ruhe nicht an.
Seine Frau Stephanie weckt ihn mit der Nachricht, dass sein Vater einen Herzstillstand erlitten hat und ins künstliche Koma versetzt wurde. Für die Familie beginnt ein Hoffen und Bangen, über 48 Stunden lang ist unklar, ob der Vater überleben wird.
Baltisberger und sein Bruder, ZSC-Stürmer Chris, erzählen erst nach dem Finalsieg über Lausanne von diesem einschneidenden Erlebnis, als sich abzeichnet, dass ihr Vater wieder gesund wird. Heute sagt Baltisberger: «Er hatte Glück im Unglück. Wäre er nicht so schnell medizinisch versorgt worden, wäre es anders herausgekommen.»
Zum ganzen Trubel passt, dass seine Zeit bei den ZSC Lions mit dem Meistertitel endet. Abgesehen von zwei Jahren in der kanadischen Juniorenliga OHL spielte er nur für die Zürcher, reifte bei ihnen vom Junior zum Leistungsträger.
Nun läuft der Verteidiger nicht mehr mit dem Löwen, sondern mit dem Tiger auf der Brust auf. Vom Meister zu Aussenseiter Langnau, viel grösser könnte der Bruch kaum sein. Doch der 28-Jährige hat diesen bewusst gewählt.
Spätestens nach seiner dreiwöchigen «Schnupperlehre» bei den SCL Tigers im Januar wurde ihm klar: Das ist die geeignete Station für einen Neuanfang. Baltisberger hatte auf eine Ausleihe gedrängt, um mehr Eiszeit zu bekommen.
Sieben Partien absolvierte er für die damals ersatzgeschwächten Emmentaler. «Die Situation war nicht einfach für mich, aber ich bin dankbar, ist mir der ZSC entgegengekommen. Dass ein Spieler nach einer Ausleihe in derselben Saison zurückkehrt, kam in meinen zehn Jahren in Zürich nie vor. Das zeugt von viel Vertrauen», sagt er.
Die ZSC Lions sind die grösste Talentschmiede des Landes. Auf diese Saison hin wurden mit Timo Bünzli, Jan Schwendeler und Daniil Ustinkov drei junge Verteidiger in die erste Mannschaft integriert, dazu stiess mit Santtu Kinnunen ein talentierter Finne zum Team.
«Dass ein Spieler nach einer Ausleihe in derselben Saison zurückkehrt, kam in meinen zehn Jahren in Zürich nie vor. Das zeugt von viel Vertrauen.» Phil Baltisberger
Baltisbergers Rolle wäre also noch kleiner geworden. Die Zürcher wollten das Eigengewächs nicht fallen lassen, doch sollte er künftig die Defensive der GCK Lions in der Swiss League führen.
«Aber die Zeit in Langnau hat mir gezeigt, dass ich noch viel in mir habe. Ich wollte weiter in der National League spielen, der ZSC hat das verstanden», sagt Baltisberger. Dass er nun nicht mehr um den Titel wird spielen können, nimmt er in Kauf. «Für mich ist der Kampf um die Playoff-Qualifikation eine coole Herausforderung.»
Der Wechsel bringt jedoch auch die Trennung von Bruder Chris mit sich, dem er nahe steht. «Nun müssen wir uns halt anrufen, wenn wir uns etwas erzählen wollen, aber es ist in Ordnung, geht jeder seinen Weg», sagt Baltisberger.
Doch gerade deshalb erhält der Meistertitel im Frühjahr mit den Lions für ihn noch mehr Gewicht. «Hätte uns als Kinder jemand gesagt: Ihr werdet einmal zusammen mit eurem Jugendverein Titel gewinnen, hätten wir sofort unterschrieben. Es war eine coole Zeit.»
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Phil Baltisberger
Geboren: 13. November 1995. Grösse: 184 cm. Gewicht: 94 kg. Vertrag: bis 2026.
Stationen: Bis 2013: ZSC Lions, GCK Lions (Nachwuchs, NLB, NLA). 2013 bis 2015: Guelph Storm (OHL). 2015 bis 2024: ZSC Lions, SCL Tigers (7 Spiele). Seit 2024: SCL Tigers.
Grösste Erfolge: Schweizer Meister 2012, 2018 und 2024 sowie Cupsieger 2016 mit den ZSC Lions. OHL-Champion 2014.