HC Thurgau: Ian Derungs – Die Rückkehr des Kanoniers

Nicola Berger
Nicola Berger

Nach drei unbefriedigenden Jahren in der National League ist Ian Derungs in diesem Winter zum HC Thurgau zurückgekehrt und will zu alter Stärke zurückfinden.

Ian Derungs
Ian Derungs - HC Thurgau

37 Tore erzielte Ian Derungs in der Saison 2021/22 für den HC Thurgau. Einen so produktiven Schweizer Torschützenkönig gab es in der Nationalliga B sonst nur ein einziges Mal: Maxime Lapointe traf 2000/01 für Lausanne 38 Mal.

Es war eine Saison für die Ewigkeit, die dem einst in Kloten ausgebildeten Derungs da gelang. Der schnelle, wendige Flügelstürmer harmonierte exquisit mit dem Kanadier Jonathan Ang und dem Schweden Rickard Palmberg und füllte die Netze mit Leichtigkeit.

Zur Belohnung gab es… Gar nichts. Keine Auszeichnung, nicht einmal eine Plakette. Was exemplarisch zeigt, dass die SKY Swiss League punkto Professionalität Nachholbedarf hat.

Die Tore katapultierten Derungs aber in die National League. Er erhielt einen Vertrag bei Ajoie, wo der Sportchef Julien Vauclair grosse Stücke auf ihn hielt.

Anschliessend spielte Derungs auch für Biel und Zug. Richtig glücklich wurde er nirgendwo – in 62 Einsätzen gelangen ihm in den letzten drei NL-Jahren nur zwei Treffer.

Ian Derungs
Ian Derungs (l.) ging einst vom HC Thurgau in die National League zum HC Ajoie. - PostFinance/KEYSTONE/Peter Schneider

So kommt es, dass Derungs mit 25 zum HCT zurückgekehrt ist; im Dezember unterschrieb er bis 2028. Er sagt: «Es war mein Wunsch, wieder für Thurgau zu spielen. Ich höre auf mein Bauchgefühl und habe hier die Freude wiedergefunden.

Ich war es leid, in der National League keine wirkliche Rolle zu haben und fast nur auf der Bank zu sitzen. Mental liegt eine harte Zeit hinter mir, emotional auch. Aber ich versuche, das Positive aus den Erfahrungen zu ziehen.

Ich bin in den letzten drei Jahren ein kompletterer Spieler geworden, davon profitiere ich.»

Der Vater coacht in Zug, der Bruder stürmt für Kloten

Derungs stammt aus einer Hockey-Familie – sein Vater Thomas spielte als Verteidiger für Davos, Herisau, Chur, Thurgau und die GCK Lions elf Jahre lang in der Nationalliga und coacht heute die U20-Junioren des EV Zug. Und Ians drei Jahre jüngerer Bruder Keanu stürmt für den EHC Kloten.

«Wir haben eine sehr enge Beziehung und den Traum, irgendwann zusammenzuspielen», sagt Derungs. Vorzugsweise in der National League, klar.Ian setzte sich früh in den Kopf, Hockey-Profi werden zu wollen. Einen Plan B hatte er nicht, eine KV-Lehre brach er 2018 ab, um zu den Kingston Frontenacs in die Ontario Hockey League (OHL) zu wechseln.

Keanu Derungs
Keanu Derungs (l.) steht beim EHC Kloten unter Vertrag. - KEYSTONE/Peter Klaunzer

Er sagt: «Eishockey ist meine grosse Leidenschaft. Als Jugendlicher hat mich nicht viel anderes interessiert. Und auch heute könnte ich mir eigentlich nicht vorstellen, etwas anderes zu machen.»

Bei Thurgau will er sich neuen Schwung holen, um die Karriere wieder anzukurbeln. Und er hat es mit der Klubwahl nicht schlecht getroffen. Der HCT war das Überraschungsteam der Qualifikation, Platz 3 hatten nicht viele dieser Mannschaft zugetraut.

Es ist die beste Klassierung seit 21 Jahren, als Thurgau unter dem streitbaren Alleinherrscher Felix Burgener Rang 2 erreichte.

Zu den besten Skorern gehörte mit 55 Punkten André Rufener – der Onkel und Agent von Derungs. Der bekanntlich prominente Klienten wie Nino Niederreiter betreut.

Olssons unkonventionelle Methoden

Der junge Stürmer hatte entscheidenden Anteil am Aufschwung. Er war so etwas wie der Königstransfer, seine Rückkehr stärkte das Selbstvertrauen des Klubs. In 37 Partien produzierte er 14 Tore und 14 Assists.

Es sind nicht die Fabelwerte seiner Traumsaison. Aber die Dinge haben sich in Thurgau verändert – anders als damals lebt die Mannschaft offensiv nicht mehr von einer einzigen Linie.

Ian Derungs Eishockey
Ian Derungs hat beim HC Thurgau einen Vertrag bis 2028 unterzeichnet. - Judith Egloff/HC Thurgau

Der Trainer Anders Olsson, in Martigny vor einem Jahr noch schmählich gescheitert, setzt auf die Kraft des Kollektivs. Er lässt konsequent mit vier Linien spielen.

Und verfolgt durchaus kreative Ansätze, um den Teamgeist zu stärken: Seit Saisonbeginn muss jeder Spieler vor der Mannschaft in einer fünf- bis siebenminütigen Powerpoint-Präsentation in der Garderobe einen Podcast zusammenfassen, der nichts mit Eishockey zu tun hat.

«Wir haben eine ambitionierte, ehrgeizige Mannschaft, Spieler, die einander pushen. Es ist ein sehr konstruktives Arbeitsumfeld. Man hat hier beste Voraussetzungen, um sich weiterzuentwickeln», sagt Ian Derungs.

Die Massnahme soll gerade jungen Spielern die Furcht nehmen, in der Kabine das Wort zu ergreifen. Derungs sagt: «Das Konzept kommt sehr gut an. Es werden spannende Themen behandelt, das öffnet den Horizont.»

Er selbst hat den Vortrag noch vor sich.Auch in anderen Bereichen hat Thurgau Fortschritte gemacht. Derungs sagt, nach einem Garderobenumbau lasse die Infrastruktur keine Wünsche mehr offen.

Ian Derungs
Auch beim HC Ajoie zeigte Ian Derungs (r.) vollen Einsatz. Hier gegen den Davoser Matej Stransky. - PostFinance/KEYSTONE/Georgios Kefalas

Und teamintern würden höhere Standards gelten als während seinem ersten Gastspiel: «Wir haben eine ambitionierte, ehrgeizige Mannschaft und Spieler, die einander pushen. Es ist ein sehr konstruktives Arbeitsumfeld. Man hat hier beste Voraussetzungen, um sich weiterzuentwickeln.»

Es ist eine Ansicht, die man bei Gottéron zu teilen scheint – der NL-Klub leiht regelmässig Talente nach Weinfelden aus, zuletzt etwa Dominik Binias, Loïc Galley und Kevin Nicolet.

Der Torhüter Galley etwa hat das Sprungbrett genutzt und sich einen fixen Platz in der NL erkämpft. Derungs hofft, dass er es ihm gleich tun kann. Möglich wäre es: In seinem langfristigen Vertrag ist eine Ausstiegsklausel für die National League verankert.

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