Pro & Contra: Kann Martin Plüss den SC Bern wieder auf Kurs bringen?
In dieser Ausgabe von «Pro und Contra» gehen Nicola Berger und Daniel Germann der Frage nach, ob Martin Plüss den SC Bern wieder auf Kurs bringen kann.

Ja
Von Daniel Germann, NZZ-Redaktor
Martin Plüss steht im Schweizer Eishockey wie kaum ein anderer Spieler für Seriosität. Der gebürtige Klotener bestritt seine ersten Partien in der Nationalliga im Winter 1994/95. Der EHC Kloten befand sich damals mitten in seiner Erfolgsserie mit vier Titeln in Folge.
Auf den Junioren aus Dielsdorf/Niederhasli hatte eigentlich niemand gewartet. Doch Plüss überzeugte sein Umfeld schnell – mit seiner Einstellung und der Gabe, an Aufgaben zu wachsen. Er war ein Spieler, der nie den Weg des geringsten Widerstands suchte.

Als er das Gefühl hatte, sich in Kloten nicht mehr weiterzuentwickeln, wechselte er zum schwedischen Topteam Västra Frölunda aus Göteborg. Auch dort wurde er rasch zum Leistungs- und Sympathieträger.
Nach seiner Rückkehr in die Schweiz im Jahr 2008 schloss sich Plüss dem SC Bern an – und wurde auch dort sofort zum Publikumsliebling. Mit ihm gewannen die Berner vier Titel, seine Rückennummer 28 hängt heute unter dem Dach der PostFinance Arena.
Doch nun hat Plüss seine wohl schwierigste Aufgabe übernommen: Er soll den SCB nach Jahren voller Enttäuschungen und Rückschritte als Sportdirektor wieder auf Erfolgskurs bringen. Er steht derzeit in seiner zweiten vollen Saison in dieser Funktion – und bereits wachsen die Zweifel daran, dass er auch diese Aufgabe erfolgreich bewältigen wird.

Diese Zweifel sind unbegründet. Plüss mag nicht der entscheidungsfreudigste aller Schweizer Eishockey-Funktionäre sein. Ehe er sich festlegt, überlegt er nicht zwei-, sondern tendenziell drei-, vier- oder sogar fünfmal. Doch wenn er entscheidet, dann steht dahinter meist seine tiefe Überzeugung, auf dem richtigen Weg zu sein.
So ist es auch in Bern, wo er die DNA dieser erfolgsgesättigten Mannschaft verändern soll. Noch krebst der SCB. Doch über kurz oder lang wird Plüss seine Überzeugungen in der Mannschaft verankern. Alles, was er braucht, sind Geduld und Zeit – und diese beiden Qualitäten waren in Bern zuletzt ein rares Gut.
Sein Vorteil ist, dass der starke CEO Marc Lüthi von den Fähigkeiten seines wichtigsten sportlichen Mitarbeiters überzeugt ist. Die beiden haben zur Zeit, als Plüss noch auf dem Eis stand, den einen oder anderen Kampf gegeneinander ausgefochten.
Plüss ist keiner, der sich einfach der Meinung eines anderen beugt, und sei er noch so mächtig und einflussreich wie Marc Lüthi. Wenn dieser seinem Sportdirektor weiterhin den Rücken freihält, wird sich der Erfolg früher oder später auch in Bern wieder einstellen.
Nein
Von Nicola Berger, SLAPSHOT-Autor und NZZ-Redaktor
Am 25. Februar 2023 unterliegt der SC Bern zu Hause Ajoie mit 2:3 nach Verlängerung. Tags darauf titelt «Watson»: «Die Ära Raffainer geht beim SCB zu Ende».
Die Schmach gegen das inferiore Dauerschlusslicht hatte Raffainers Schicksal besiegelt. Der SCB stellte Martin Plüss als seinen Nachfolger ein. Zweieinhalb Jahre später muss man festhalten: Der Klub ist keinen Schritt weitergekommen – im Gegenteil.
Es gab rund um den SCB die Hoffnung, dass Plüss sich einen Masterplan zurechtgelegt hat, der den taumelnden Koloss zu alter Stärke zurückfinden lässt.

Plüss wirkte im manchmal eher einfach gestrickten Hockeybusiness mit seiner ruhigen, überlegten Art immer etwas intelligenter als der Rest, professoral fast. Das kam an, gerade in der SCB-Chefetage, wo Plüss mit dem Präsidenten Carlo Bommes seit Jahren einen einflussreichen Fürsprecher besitzt.
Aber seine Bilanz ist dürftig. Seit 2024 wirkt er als Sportdirektor, zuvor hatte er dem Klub ab Juni 2023 als Berater zur Seite gestanden und vieles gesteuert. Die Mannschaft ist nicht besser geworden, sie hat sich nicht entwickelt, sie ist überaltert und bräuchte dringend eine Blutauffrischung.
Doch ein Transferkandidat nach dem anderen entscheidet sich gegen den SCB; es ist Plüss offenkundig nicht gelungen, das Profil dieses Vereins zu schärfen. Noch weiss man ja nicht einmal, wer das Team 2026/27 betreuen wird.
Für junge Spieler wie den vom SCB umworbenen, einst von Plüss betreuten Stürmer Jonas Taibel ist die Besetzung einer solchen Schlüsselposition von existenzieller Bedeutung. Taibel wechselt nun lieber zu Gottéron, zu Roger Rönnberg, einem Mann, von dem über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist, dass er Talente weiterentwickeln kann.

Beim SCB ist die Trainerfrage offen. Den Finnen Jussi Tapola stützte Plüss mit umfassenden Massnahmen und eigenartigen Transfers; die Mannschaft wurde nach dessen Gusto umgebaut. Im Herbst 2025 flog Tapola nach nur neun Spielen trotz starken Analytics.
Die Resultate sind auch unter seinem Nachfolger Heinz Ehlers dürftig geblieben; am 28. Oktober verlor der SCB wieder zu Hause gegen Ajoie, dieses Mal schon in der regulären Spielzeit. Ein Beben ist dieses Mal nicht zu erwarten.
Es steht auch ausser Frage, dass der SCB nach unzähligen Richtungswechseln seit dem letzten Meistertitel von 2019 endlich Konstanz braucht.
Aber in mehr als zwei Jahren der Ära Plüss deutet wenig darauf hin, dass er der richtige Mann ist, um den schlingernden SCB auf Kurs zu bringen. Die Impulsentlassung Raffainers von 2023 hätten sich Marc Lüthi und sparen können.














