SIHF – Lars Weibel: «Jeder wertschätzt und respektiert den anderen»

Andy Maschek
Andy Maschek

Mit Olympia und der Heim-WM warten zwei Highlights auf eine starke Nati. Ein Interview mit Lars Weibel, Director Sport der Swiss Ice Hockey Federation (SIHF).

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Lars Weibel spricht im Interview über die beeindruckende Entwicklung der Nati mit zweimal WM-Silber in Serie und die Zukunft mit Olympia und der Heim-WM. - IMAGO / Peter Schneider

SLAPSHOT: Wie haben Sie die Zeit seit dem WM-Final 2025 verbracht?

Lars Weibel: Direkt auf die WM folgte das Debriefing dieses Turniers, der Frauen und auch der U18-Titelkämpfe. Es war ein positiver und gleichzeitig intensiver Sommer, dies auch wegen der Floskel «nach der Saison ist vor der Saison», für die es aufgrund der Olympischen Spiele und der Heim-WM sehr viel vorzubereiten gab.

SLAPSHOT: Wie lange haben Sie gebraucht, um den Frust nach dem verpassten Titel zu verarbeiten?

Weibel: Bei mir dauert das meistens etwas länger. Während der WM befinde ich mich im Tunnel, deshalb realisierte ich erst etwas später, wie nahe wir dran waren.

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Gold ging bei der Eishockey-WM 2025 an die USA. Die Schweizer-Nati reichte es «nur» zu Silber. - IMAGO / justpictures.ch

Aber mir war sehr schnell klar, dass diese WM für mich persönlich noch besser war als jene in Prag. Wir spielten noch besser und intensiver Hockey, und das mit dem Einbau von jungen Elementen. Das hat mich wirklich stolz gemacht, der Coaching-Staff und die Mannschaft haben einen riesigen Job gemacht.

Dass es nicht zum Titel gereicht hat, hat mir für die Mannschaft und die Schweiz leidgetan, ihnen hätte ich es gegönnt. Wenn man sieht, wo wir angefangen haben und wo wir heute stehen, erkennt man eine enorme Entwicklung. Aber man ist nie zufrieden, bis man irgendwann ganz zuoberst steht.

SLAPSHOT: Welche Schlüsse wurden für die neue Saison gezogen?

Weibel: Aus einer Analyse ergibt sich immer wieder ein neues Thema. Beispielsweise was es braucht, um den Viertelfinal zu überstehen, nachdem die Vorrunde gut war. Also aktiv und nicht ängstlich zu sein, wenn es zählt. Das haben wir relativ schnell in den Griff bekommen.

Eishockey
Lars Weibel (l.) mit dem Schweizer Nati-Trainer Patrick Fischer. - Swiss Ice Hockey

Nun ist das neue Thema, die volle Distanz zu gehen. Daran müssen wir arbeiten. Die Situation hat sich für uns geändert. Patrick Fischer hat es richtig gesagt: Wir können nicht mehr an eine WM reisen und sagen, die anderen seien die Favoriten. Als Weltnummer 2 gehört man automatisch zu den Favoriten.

Das ist ein komplett anderer Approach für uns, an dem wir auch wachsen. Die Mannschaft ist so entschlossen, hat keine Zweifel mehr, es ist keine Frage der Mentalität, sondern wie es uns gelingt, bis am Ende konsequent weiter zu powern.

SLAPSHOT: Nun stehen zwei absolute Highlights an …

Weibel: Das ist der Traum von jedem Sportler, jedem Trainer, jedem Staff-Mitglied, Funktionär und Fan. Aber es bedingt zwei unterschiedliche Herangehensweisen.

Die Olympischen Spiele im Februar sind ein in sich komplett anderes Turnier mit anderen Voraussetzungen.

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Kevin Fiala stand in acht Spielen bei der WM 2025 für die Schweiz auf dem Eis. - International Ice Hockey Federation

Die Hälfte der Mannschaft stösst salopp gesagt zwei Tage vor dem Turnier zum Team, es gibt keine Vorbereitungszeit, man muss das Aufgebot schon im Dezember bekanntgeben, während man an einer WM vier Wochen Vorbereitung und einen Selektionsprozess hat.

SLAPSHOT: Planen kann man immerhin – Verletzungen ausgenommen – mit den Stars aus der NHL. Roman Josi, Nico Hischier und Kevin Fiala, die für unser Eishockey absolute Glücksfälle sind.

Weibel: Sie gehören nicht nur zu den Weltbesten auf dem Eis, sondern sind auch eindrückliche Persönlichkeiten, die unsere Mannschaft in allen Belangen bereichern.

SLAPSHOT: Es ist beeindruckend, dass alle Spieler jedem Aufgebot Folge leisten …

Weibel: … ja, und es ist absolut nicht selbstverständlich. Sie bewältigen in Übersee ein unheimliches Pensum und haben trotzdem auch die Nati im Kopf und wollen, wenn irgendwie möglich, helfen und an einer WM dabei sein.

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Roman Josi während eines Spiels der Nashville Predators. - Keystone

Sie machen das aber nicht nur für die Schweiz, sondern fühlen sich auch unglaublich wohl in der Mannschaft und kommen sehr gerne. Das hat der Coaching-Staff sehr gut aufgebaut und pflegen wir auch. Wir haben dies intensiviert und leben die Werte, was die Spieler generell sehr schätzen.

SLAPSHOT: Welche Werte bringen die NHL-Cracks in die Nati ein?

Weibel: Sie gehören wie gesagt zu den weltbesten Spielern, über den sportlichen Wert müssen wir da nicht diskutieren. Aber sie sind geerdet, schätzen kleine Details extrem und legen auf diese auch grossen Wert.

Jeder in der Mannschaft lebt den «Team first»-Gedanken. «No one is bigger than the team» ist verankert und fängt am Morgen in der Garderobe an, wo alle und unabhängig von der Funktion einander zum Beispiel schlicht ein ehrliches «Guten Morgen» und «Danke» sagen.

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«Die Silberhelden von 2025: Headcoach Patrick Fischer, Christian Marti, Andres Ambühl, Laudator Peter Lüthi, Sven Andrighetto und Lars Weibel, Director Sport, Swiss Ice Hockey. - VOLLTOLL/Simon Boschi

Jeder wertschätzt und respektiert den anderen und jeder weiss, dass es nicht ohne den anderen geht. Das führt zu einer flachen Hierarchie, da spielt es keine Rolle, wer bei welchem Klub und in welcher Liga spielt. Man kann dies als Floskel anschauen, aber es ist effektiv so. Und das ist die wahre Power dieser Mannschaft.

SLAPSHOT: Und diese Stars lassen dem Rest auch Raum zur Entfaltung.

Weibel: Trotz ihrer Grösse erdrücken sie die anderen nicht. Es ist beeindruckend, wie Nico Hischier nach seiner Knieverletzung und dem persönlichen WM-Ende bei der Mannschaft blieb und sie unterstützte.

Oder dass Kevin Fiala 2024 Vater wurde und unmittelbar nach der Geburt inklusive Frau und Tochter angereist ist. Und das wäre ein sehr akzeptierter Grund für eine Absage gewesen.

Ein Jahr später verloren sie das noch ungeborene, zweite Kind und Jessica sagte: «Könntet ihr bitte ein Ticket buchen? Ich glaube, Kevin braucht Ablenkung und das wird ihm guttun.» Das zeigt, welche unglaubliche Dynamik und welches Commitment in dieser Mannschaft bestehen.

SLAPSHOT: Wie präsent ist die Heim-WM bei Ihnen?

Weibel: In meiner Funktion als Director Sport ist diese WM natürlich wichtig. Sie ist ein Leuchtturm, da geht es auch darum, das Eishockey wieder zu positionieren, junge Mädchen und Jungs fürs Eishockey zu animieren, davon hängt die Zukunft dieses Sports ab und deshalb muss diese Plattform gut genützt werden.

Mit Fokus auf die Teams und rein sportlich stehen aber zuerst die Olympischen Spiele mit den Männern und Frauen im Vordergrund.

Man kann diese zwei Turniere auch nicht vergleichen, es sind andere Gegebenheiten. Olympia ist viel komprimierter, da heisst es: Achtung, fertig los und alles muss sitzen. Das ist schwieriger zu planen und vorzubereiten.

SLAPSHOT: Wie wichtig war für die Entwicklung der Nati die Teilnahme an der Euro Hockey Tour?

Weibel: Am Anfang wurde vereinzelt polemisiert und wurden die Niederlagen ins Zentrum gestellt. Ohne die Möglichkeit, sich in diesen Jahren mit den Top-Teams an der Euro Hockey Tour zu messen, wären wir aber heute nicht da, wo wir sind.

Olympia 2022
Die Schweizer Eishockey-Nati war bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking dabei. - Keystone

Zudem sieht man den Prozess. Am Anfang haben wir oft verloren und hatten nur wenige Chancen, dann verloren wir knapp – und letztes Jahr haben wir begonnen, einzelne Spiele zu gewinnen. Da sieht man, wie man wächst und dass es viel besser ist, sich mit den Besten zu messen, auch wenn es am Anfang pickelhart ist.

SLAPSHOT: Nun herrscht um die Nati eine Euphorie. Könnt ihr diese auch geniessen?

Weibel: Ich hoffe, dass die Spieler und der Staff dies tun, denn sie haben einen grossen Anteil an dieser Euphorie. Ich bekomme dies in meiner Funktion weniger mit.

Zudem ist es bei mir kein Genuss, da ich ja nicht gespielt habe, es macht mich eher stolz und zufrieden zu sehen, dass wir uns trotz aller Widerstände und des Gegenwinds weiterentwickeln und auf einem guten Weg befinden.

SLAPSHOT: Sie nehmen sich stark zurück …

Weibel: Ich habe in meinen sieben Jahren hier gelernt zu reflektieren. Auf meiner Position muss man die harten Entscheide treffen, und ich bin eine Art Krisenmanager. Mich braucht es, wenn wir beispielsweise im Viertelfinal ausscheiden oder etwas nicht läuft.

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Lars Weibel freut sich darauf, in der kommenden Saison neue Herausforderungen im Team anzugehen. - IMAGO / Marcel Bieri

Und wenn es läuft, müssen die Protagonisten zum Vorschein treten. Dann ist es besser, mich zurückziehen. Aber im Hintergrund freue ich mich ebenso stark wie die Protagonisten.

SLAPSHOT: Worauf freuen Sie sich in dieser Saison mit den vielen Highlights am meisten?

Weibel: Ehrlich gesagt, geht es mir mittlerweile auch so wie den anderen, dass ich mich darauf freue, mit den Teams und den Leuten, mit denen ich täglich arbeite, zusammen zu sein und gemeinsam wieder eine neue Herausforderung annehmen zu können. Deshalb bin ich im Mannschaftssport tätig.

Und es ist mehr als ein Privileg, dies in dieser Position erleben zu dürfen.

SLAPSHOT: Und was ist die grösste Herausforderung?

Weibel: Sport kann wunderbar sein, aber auch brutal – und da denke ich nicht nur an ein Overtime-Tor im Final. Sieg und Niederlage liegen so nahe beieinander, es muss immer wieder enorm viel perfekt zusammenstimmen, um auf diesem Niveau kontinuierlich gute Resultate zu erreichen.

Man kann alles dafür machen, aber man kann es nicht kontrollieren, sondern ist teilweise auch von gewissen Dingen abhängig. Manchmal habe ich Mühe zu akzeptieren, dass man nicht alles beeinflussen kann.

Schweiz Frauen Eishockey WM
Die Schweizer Eishockey-Frauen kamen bei der WM 2024 bis ins Viertelfinal. - keystone

Eine weitere tolle Herausforderung ist, mit den Frauen, bei denen wir mit der Entwicklung noch nicht ganz so weit sind wie bei den Männern, auch bald Erfolgsgeschichten schreiben können.

SLAPSHOT: Der Vertrag von Nationalcoach Patrick Fischer läuft nach der WM aus. Finden bereits Gespräche statt?

Weibel: Fischi hat gerade geheiratet und war in den Flitterwochen. Diese Zeit geben wir ihm wohlverdient. Aber wir werden sicher relativ früh gemeinsam an den Tisch sitzen.

Es ist jedoch nicht ganz einfach, in die Zukunft zu schauen, wenn der Fokus gerade auf zwei so grossen Highlights wie Olympia und Heim-WM liegt. Wir werden das aber sicher hinbringen. Er hat ein sehr gutes Gespür, ist extrem selbstreflektierend und selbstkritisch und hat klare Visionen und Ziele.

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