Aurélien Urfer: «Menschen, Spass, Genuss und Spitzenleistungen»
Schon in jungen Jahren begeisterte Aurélien Urfer das Schiedsrichterwesen. Heute setzt er seine Leidenschaft erfolgreich als Linesman um.

Der Weg von Aurélien Urfer war früh vorgezeichnet. In jungen Jahren war er vom Schiedsrichterwesen so sehr fasziniert, dass er sich als Teenager für eine Karriere als Referee entschied. Es war eine kluge Wahl, wie sich heute beim Linesman zeigt.
Selbstverständlich hetzte der in Genf aufgewachsene Westschweizer in jungen Jahren auch selber dem Puck nach. Am Anfang spielte er bei Servette, später wechselte er zu Trois-Chêne.
«Mein Bruder war besser und blieb bei Servette, ich ging zu Trois-Chêne, einem sehr familiären Klub. Kopf, Schlittschuhe und Stock waren bei mir nicht immer perfekt aufeinander abgestimmt, aber der Spass stand im Vordergrund», erklärt er schmunzelnd.
Bereits mit 15 Jahren habe er gewusst, dass er als Spieler keine Zukunft habe und sich gefragt, wie er trotzdem in der faszinierenden Hockeywelt bleiben könnte. Da er schon immer Interesse am Schiedsrichterwesen gehabt und in den Trainings jeweils den Coach gebeten hatte, das Bully durchführen und das Spiel leiten zu dürfen, lag die Richtung auf der Hand.

Die Idee wurde Realität. Er besuchte ein Training für Schiedsrichter im Vallée de Joux, war zuerst zwei Jahre Referee bei Trois-Chêne, wechselte mit 17 Jahren in die Liga und arbeitete sich bis in die National League hoch.
Der Weg sei spannend und intensiv gewesen, sagt Aurélien Urfer: «Die Spieler bestreiten enorm viele Matches, bis sie in die National League kommen, bei uns ist es nicht anders. Auch bei uns geht es darum, auf dem Eis zu sein und Erfahrungen zu sammeln. Fehler auf den unteren Stufen zu machen, die Lehren zu ziehen und immer mehr Verantwortung zu erhalten.»
Amateurwelt in der Profiwelt
Aurélien Urfer investierte viel, um diesen Weg machen zu können. Er absolvierte in Lausanne die Hotelfachschule und arbeitete dreieinhalb Jahre als Dataanalyst. In einem 100-Prozent-Pensum, was irgendwann eine zu grosse Belastung war, so dass er sich fragte, was er machen könnte, das der Karriere hilfreich und zugleich sinnvoll ist.
Er entschied sich für ein Management-Masterstudium in Lausanne, das er im Sommer abschloss. «Mein Ziel ist, zu 60 bis 80 Prozent zu arbeiten, um Zeit für die Spielvorbereitung und das Eishockey generell zu haben.»
Dieses Ziel hat Urfer erreicht: Er arbeitet zu 60 Prozent als Prozesskoordinator bei einer Stiftung, die Start-ups fördert. Er betont: «Auch wenn die Strukturen schon sehr professionell sind, befinde ich mich salopp gesagt in einer Amateurwelt in einer professionellen Welt.

Unser Management ist sich dessen jedoch bewusst, und die eingeschlagene Richtung, um Abhilfe zu schaffen, ist wirklich gut», so Urfer, der im Januar 2022 als Linienrichter in der National League ankam.
«Mein erstes Spiel hatte ich im Hallenstadion, es war die Partie zwischen den ZSC Lions und dem EV Zug, ein Duell zweier grosser Teams», erinnert er sich. Die Kollegen hätten ihm gesagt, dass er Spass haben und die Premiere geniessen solle, wenn er Spiele in der Sky Swiss League leiten könne, sei das auch in der National League möglich, «und es hat geklappt».
Playoff-Final, Spengler Cup und U18-WM
Mittlerweile verfügt er trotz seiner erst 29 Jahre über grosse Erfahrung. Letzte Saison kam er auf rund 80 Einsätze, den Spengler Cup und die U18-WM in Texas inklusive.
Diese Turniere zählen zu den Höhepunkten in seiner bisherigen Karriere, wie er sagt: «Es waren gewaltige Erfahrungen. Man ist fokussiert, geniesst seinen Job und denkt ein paar Tage später: Das war cool!»
Spezielle Spiele gab es aber auch auf der nationalen Bühne. «In der Saison 2022/23, in meiner ersten kompletten Spielzeit in der National League, kam ich im zweiten Finalspiel zum Einsatz. Das war eine grossartige Erfahrung, ein Wow-Moment. Und im Jahr darauf durfte ich das zweite Finalspiel zwischen Lausanne und den ZSC Lions leiten.»
Einen grossen Stellenwert geniesst beim Westschweizer auch der Spengler Cup. Letztes Jahr kam er zu seiner Premiere – und wurde gleich beim Klassiker zwischen dem Gastgeber HCD und Team Canada eingesetzt.
Rückblickend sagt er: «Ich war sehr glücklich über das Aufgebot und dass ich dann auch noch dieses Spiel leiten durfte, war einfach nur ‹Wow›!»
Als Schiedsrichter habe man eine grosse Leidenschaft für diesen Sport und diese Aufgabe und wenn er den Spengler Cup am Fernsehen verfolgt habe, sei das Duell zwischen dem HCD und den Kanadiern ein Fixpunkt in der Agenda gewesen. Nun selber auf dem Eis dabei sein zu können, sei fantastisch.

Die Altjahreswoche in Davos hat in der Hockey-Familie einen einzigartigen Stellenwert. «Es ist schön, meine Kollegen, die Spieler und die Hockey-Community in einem anderen Umfeld zu sehen, miteinander zu plaudern, nicht nur übers Eishockey», erklärt Aurélien Urfer, der auch in diesem Jahr für den Traditionsanlass aufgeboten wurde und mit seiner Freundin nach Davos reist.
«Man kann am Spengler Cup private Beziehungen und Freundschaften aufbauen und viel Spass haben. Zusammengefasst heisst der Spengler Cup für mich: Menschen, Spass, Genuss und sportliche Spitzenleistungen.»
Wie die Spieler will auch Aurélien Urfer immer besser werden. Dass auf diesem Weg Fehler passieren, ist unvermeidbar. Er habe keine Angst davor, sagt der Westschweizer: «Eishockey ist ein Fehlerspiel. Wenn die Spieler keine Fehler machen, gibt es keine Tore.
Und natürlich versuchen auch wir Schiedsrichter, so wenig Fehler wie möglich zu begehen. Entscheidend ist dann aber, aus den Fehlern zu lernen und sich zu verbessern. Aber mit Angst kann man sich nicht verbessern.»
Head- und Profikarriere denkbar
Das Schiedsrichterwesen hat einen grossen Stellenwert im Leben des 29-Jährigen. Neben seinen Einsätzen auf dem Eis leitet er gemeinsam mit Michael Tscherrig in der Westschweiz die zwölfköpfige Schiedsrichter-Kommission, bei der es um Anmeldungen, Kurse, Aufgebote, Koordinationen und Kontakte mit den Klubs geht.
Das sei ein Pensum von zehn bis 20 Prozent, sagt Urfer, und: «Wir haben in der Westschweiz etwa 350 Schiedsrichter – ich kenne jeden Namen und jede Person. Für mich ist es auch spannend, die während meines Studiums gelernten Dinge in der realen Welt anzuwenden.»
Er kann sich vorstellen, dass die Kombination von Arbeiten auf dem Eis und in der Organisation und Administration mal sein beruflicher Alltag wird. Aber aktuell steht die Karriere auf dem Eis im Fokus, und da hat er noch Ziele und Träume: «Ich hoffe, dass ich eines Tages an einer A-WM dabei bin, aber dafür muss ich mich weiterhin beweisen. Eine WM ist ein Ziel, aber wenn es nicht klappen sollte, wäre ich auch nicht frustriert.»

Auch einen Wechsel zum Head könne er sich vorstellen: «Als Linienrichter kann ich noch ein paar Saisons machen und schauen, wie meine Karriere auch international verläuft. Aber wenn alles gut geht, ist der Wechsel in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein Thema.»
Und auch eine Karriere als Berufsschiedsrichter ist denkbar: «Ich möchte meine Erfahrungen aus meinem Masterstudium einbringen. Sollte ich Profi werden, möchte ich mich beispielsweise auch in der Ausbildung engagieren und nicht nur auf dem Eis arbeiten.»














