Julien Sprunger: Ein Leben mit und für Gottéron

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Er ist die Kult- und Identifikationsfigur schlechthin, El Capitano, Torschütze und Dauerbrenner mit über 1000 Spielen: Julien Sprunger (37), der Mr. Gottéron.

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Julien Sprunger ist die Kult- und Identifikationsfigur beim HC Fribourg-Gottéron schlechthin, El Capitano, Torschütze vom Dienst, der Dauerbrenner – und mittlerweile über 1000 Spiele in der höchsten Schweizer Liga alt. - HC Fribourg-Gottéron

Es ist ein denkwürdiger Abend, dieser 7. Oktober 2023. In der Freiburger FKB Arena steht das Zähringer-Derby zwischen Gottéron und dem SCB auf dem Programm, das generell schon für Vorfreude und Aufregung sorgt.

Gleichzeitig absolviert an diesem Samstagabend Julien Sprunger sein 1000. Spiel in der höchsten Schweizer Spielklasse; er ist der 15. Spieler des Landes, der diese Schallmauer durchbricht.

Noch spezieller macht diese Leistung, dass Sprunger alle diese Spiele für denselben Klub gemacht hat, was vor ihm einzig Reto von Arx (HCD) geglückt ist. «Julien ist ein begnadeter Stürmer, der die DNA des HC Fribourg-Gottéron wie kein anderer vorlebt.

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Die 1000 Spiele in der höchsten Schweizer Liga Julien Sprunger am 7. Oktober 2023 erreicht. - Pascal Muller/freshfocus

Nahbar, zugänglich, familiär, mit Kampfgeist, Herz und Emotionen im Spiel», sagt denn auch Gottéron-Präsident Hubert Waeber über den Spieler, der die letzten zwei Jahrzehnte eine prägende Figur im Klub gewesen ist.

Gottéron gewinnt dieses Derby mit 3:1 und bietet so den perfekten Rahmen für dieses Spiel, das ganz im Zeichen von Julien Sprunger steht, der vor und nach dem Spiel von den Fans gefeiert wird.

Die persönliche Krönung für den Fribourger Rekordtorschützen (bei Redaktionsschluss sind es 379 Treffer) in Form eines Tores bleibt zwar aus, doch der Match bleibt ihm dennoch für immer in bester Erinnerung, wie er später sagt: «Ich habe zwei Nächte nicht geschlafen und schaute angespannt auf dieses 1000. Spiel. Schon seit Wochen habe ich mich auf diesen Moment vorbereitet. Nun bin ich müde und werde den ganzen Sonntag schlafen.»

Speziell war an diesem Abend, dass der Stürmer in einem Shift gleich zwei gegnerische Schüsse blockte. Gegenüber den «Freiburger Nachrichten» erklärt er lachend: «Christian Dubé hat das in seiner kurzen Ansprache nach dem Spiel erwähnt. Ich habe schon viele tolle Tore geschossen, aber zwei geblockte Schüsse, das sei noch nicht oft vorgekommen.»

Das Debüt mit 16 Jahren

Julien Sprunger wird mit dem Hockeyvirus infiziert, als er seine ältere Schwester Nathalie zum Eiskunstlaufen begleitet. «Das war nicht mein Ding, aber ich wollte immer auf das Eis. Meine Eltern haben mir meinen ersten Stock gekauft, als ich dreieinhalb Jahre alt war», erinnert er sich zurück.

Dieser Entscheid fürs Eishockey – er ist der Start einer jahrzehntelangen, bis heute anhaltenden Beziehung mit Gottéron, wo er den Nachwuchs durchläuft und am 27. September 2002 als 16-jähriger Junior in Davos sein NLA-Debüt gibt.

Sein erster Treffer in der höchsten Liga gelingt ihm gut ein Jahr später, am 4. Oktober 2003 gegen Basel. «Ich hatte mich um das Tor gedreht, bevor ich den Torwart überlistete», erklärte er kürzlich gegenüber «L’Illustré». Heute, 378 Tore später, zeige er nach einem Tor weniger Emotionen, aber der Spass sei immer noch derselbe.

Sprunger macht Schritt um Schritt bei Gottéron, spielt Saison um Saison. Er wird einer der besten Torschützen und Spieler der Liga und weckt Begehrlichkeiten bei anderen Klubs. Mit einem Wechsel nach Lugano, Zürich oder Genf hätte er wohl mehr verdienen können, doch er bleibt seinem Klub treu.

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Seit 2002 steht Julien Sprunger für den HC Fribourg-Gottéron auf dem Eis. - HC Fribourg-Gottéron

«Das einzige Mal, dass ich fast weggegangen wäre, war 2009 zu den New York Rangers, denn es war mein Kindheitstraum, in der NHL zu spielen. Dann wurde es wegen einer schweren Verletzung nichts», so Sprunger.

Und: «Gottéron hat mir so viel gegeben. Ich möchte dort etwas hinterlassen. Eishockey ist in Freiburg eine Religion und es ist ein Publikum von Kennern, und der Verein wird nicht von zwei oder drei Mäzenen, sondern von Dutzenden von KMU aus der Region unterstützt. Die regionale Verankerung war noch nie so stark.»

Die erwähnte Verletzung, die seinen NHL-Traum platzen lässt – da ist auch die Karriere Sprungers in Gefahr. Bei einem Check des Amerikaners David Backes im letzten Schweizer Spiel der Heim-WM 2009 erleidet er eine schwere Halswirbelverletzung.

«Ich spürte nichts mehr, weder meine Arme noch meine Beine. Meine Hände kribbelten wieder, als ich nackt auf dem Operationstisch lag. Das war das einzige Mal, dass ich mich gefragt habe, ob es sich lohnt, weiterzumachen und meine Gesundheit zu riskieren», erklärt Sprunger.

Doch er kämpft sich zurück, wie immer, wenn er verletzt ist, was nicht selten vorkommt; in seiner Krankenakte stehen beispielsweise rund zehn Gehirnerschütterungen.

Und er bleibt bei Gottéron, einerseits wegen seiner Familie, andererseits wegen der Werte des Klubs, «denn wenn ich unbedingt hätte Meister werden wollen, dann hätte ich bei den ZSC Lions unterschrieben, die Wahrscheinlichkeit wäre ja gross gewesen, dort in vier oder fünf Jahren einmal Meister zu werden». Er habe sich in Fribourg stets getragen gefühlt und viel Verantwortung erhalten.

Viele lobende Worte

So wird Sprunger bei Gottéron zum Evergreen und zur Vereinsikone. Zu einer Persönlichkeit, über die rund um die Feier des 1000-Spiele-Jubiläums in diversen Medien nur lobende Worte zu lesen sind.

«Er war ein grosser, aber dünner Jüngling mit Pickeln im Gesicht», erinnert sich Geoffrey Vauclair über die Anfänge Sprungers. «Er lief nicht schnell, sein Schuss war noch nicht zerstörerisch, aber diesen Torriecher, den hatte er schon da. Und er hat schnell verstanden, dass er an sich arbeiten muss.»

Mario Rottaris, der Gottéron-Captain von 1997 bis 2003, sagt: «Julien ist die Identifikationsfigur. Ohne, dass er darüber sprechen muss, merkt man, dass er Gottéron im Herzen trägt. Das strahlt er auf natürliche Art und Weise aus.»

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«Julien ist die Identifikationsfigur. Ohne, dass er darüber sprechen muss, merkt man, dass er Gottéron im Herzen trägt», sagt Mario Rottaris. - SRF

In der Saison 2002/03, der letzten in der Karriere von Rottaris, kommt Sprunger erstmals in nahen Kontakt mit der «Une», absolviert zwei Spiele. «Julien war damals noch eher schmächtig. Ich dachte, was kommt denn da für eine ‹Stewi›.

Es kam mir vor, als klapperte da alles unter dieser Ausrüstung. Aber Julien hat, wie wir heute sehen, sehr gut an sich gearbeitet und sich bald das nötige Fleisch am Knochen antrainiert», erinnert sich Rottaris nun gegenüber «frapp.ch».

Benjamin Plüss spielte zwischen 2003 und 2016 mit Sprunger zusammen und bildete gemeinsam mit Andrei Bykov den so genannten «Atomsturm».

Für Plüss ist Julien Sprunger Vorzeigespieler und ein Mensch, der seine Anliegen hinter jene seiner Familie oder seiner Mitmenschen stelle: «Im Grundsatz denkt Julien zuerst an die anderen, dann erst an sich.»

Andrej Bykow
«Julien ist ein natürlicher Leader, dem man folgen möchte. Er tut viel für die anderen und man kann sich immer auf ihn verlassen», sagtAndrej Bykow - Keystone

Andrei Bykov, heute noch Sprungers Mannschaftskollege, sagt: «Julien ist ein natürlicher Leader, dem man folgen möchte. Er tut viel für die anderen und man kann sich immer auf ihn verlassen. Ausserdem ist er ein humorvoller Kumpel, der immer einen Spruch auf den Lippen hat.»

Ähnlich tönt es von Ex-Gottéron-Verteidiger Marc Abplanalp, der 17 Saisons mit Sprunger in einem Team spielte: «Julien ist sehr bodenständig, trotz seines Erfolgs. Er ist sehr umgänglich und nie abgehoben.» Und Serge Pelletier, von 2006 bis 2011 Headcoach und Sportchef der Freiburger, sagt: «Julien Sprunger ist die Ruhe selbst und nie auf Konfrontationskurs.»

Ein vorbildlicher Sportler

Die vielen lobenden Worte zeigen: Mit Captain Julien Sprunger hat Gottéron einen einzigartigen Spieler in seinen Reihen.

Einen, der vom legendären Ruedi Raemy, der im Nachwuchs viele der besten Spieler des Kantons Freiburg ausgebildet hat, in den «Freiburger Nachrichten» als vorbildlicher Sportler beschrieben wird: «Er kam zum Training, um sich zu verbessern.

Er war immer sehr engagiert und sehr professionell. Um Erfolg zu haben, braucht man einen starken Willen, sonst stagniert man. Das ist vielen Spielern passiert. Bei Julien war das nicht der Fall.»

Sprunger sei immer sehr dankbar gewesen: «Das ist es, was ich an ihm besonders schätze. Er weiss, wo er herkommt und was er dafür leisten musste. Wenn er gewollt hätte, wäre er gegangen. Aber Julien fühlt sich hier zu Hause. Er ist nicht der Typ, der ständig auf der Suche nach etwas ist. Er ist zufrieden mit dem, was er hat.»

Und dies, auch wenn seine Karriere unvollendet ist, der Gewinn eines Meistertitels – wie auch in der Klubgeschichte – fehlt. Ganz nah dran war er mit seinem Team vor zehn Jahren, als es Gottéron bis in den Final schaffte, die Serie aber gegen den SC Bern mit 2:4 verlor.

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Marc Abplanalp über Julien Sprunger: «Julien ist sehr bodenständig, trotz seines Erfolgs. Er ist sehr umgänglich und nie abgehoben.» - keystone

«Dieser Titel, wir haben ihn mit dem Finger berührt. Es ist schade, dass der älteste Verein der NLA das Etikett des Poulidor des Eishockeys mit sich herumträgt», zieht er einen Vergleich mit Raymond «Poupou» Poulidor, einem der populärsten französischen Radrennfahrer, der als der «ewige Zweite» galt, da er nie die Tour de France gewann, aber dreimal den zweiten Platz belegte.

Doch wer weiss, die Geschichte ist ja noch nicht fertig geschrieben. Sprunger ist immer noch aktiv und Gottéron in der National League ein Spitzenteam, das durchaus mit dem Titelgewinn liebäugeln darf.

Ebenso ist es wahrscheinlich, dass Sprungers Karriere in die Verlängerung geht, auch wenn sein Vertrag Ende Saison ausläuft; kürzlich hat er jedenfalls erklärt, noch keine Lust zu haben, seine Schlittschuhe Ende Saison an den Nagel zu hängen.

Und sollte der Titelgewinn als Spieler nicht glücken, bekommt er später als Funktionär weitere Chancen. Denn Gottéron-Präsident Hubert Waeber hat schon angekündigt, dass die Kultfigur nach der Spielerkarriere in der Organisation einen Job bekommen wird.

Sprunger selber sagt, dass sein Schicksal mit Gottéron verbunden bleibe: «Ich habe eine garantierte Stelle im Verein, wir werden sehen, welche. Neben dem Eishockey habe ich einen Abschluss in Betriebswirtschaft gemacht.

Sicher ist, dass ich nie Trainer werden werde. Ich träume nur davon, nach meiner Karriere eine Woche lang in den Bergen Ski zu fahren, was ich nie geschafft habe.» Doch das kann noch warten.

Über Julien Sprunger

Geboren: 4. Januar 1986. Grösse: 194 cm. Gewicht: 90 kg. Stock: Rechts. Vertrag: bis 2024. Station: Seit 2002: HC Fribourg-Gottéron (NLA und National League).

Grösste Erfolge: MVP Saison 2007-08. Spengler Cup All-Star Team 2012. 97 Länderspiele (33 Tore und 32 Assists).

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