Ist Patrick Fischer der richtige Nati-Coach für die Heim-WM?
In dieser Ausgabe von «Pro und Contra» geben Nicola Berger und Michael Krein Antwort auf die Frage, ob Patrick Fischer der richtige Coach für die Heim-WM ist.
Ja
Von Michael Krein, SLAPSHOT-Autor, Blogger und MySports-Kommentator
Eine Ära eines Schweizer Nationaltrainers endet im Normalfall bei einer Heim-Weltmeisterschaft.
1990 lief die Amtszeot von Simon Schenk ab, allerdings verpasste man die Heim-WM, weil man dem Aufstiegsdruck (die Schweizer-DNA) an der B-WM 1989 nicht gewachsen war. So hatte Schenk den krönenden Abschluss nicht an der Heim-WM in Bern und Freiburg, sondern beim Aufstieg in die A-Gruppe im französischen Megève.
Die Heim-Weltmeisterschaften 1998 und 2009 läuteten den Start und das Ende der Ära von Ralph Krueger ein. In der logischen Folge wird auch die Ära von Patrick Fischer bis zur Heim-WM 2026 dauern. Die schweizerische Tugend der Verbandsgeneräle will das so.
Doch so einfach ist es nicht.
Im Februar stattete Nationaltrainer Patrick Fischer, in Begleitung von Sport-Direktor Lars Weibel, den Schweizer NHL-Söldnern einen Besuch ab. Die Nähe zu den zehn besten Schweizer Spielern gehört zu Patrick Fischers Stärken, dass ein NHL-Spieler nach dem Ausscheiden an die Weltmeisterschaft fährt, ist unter Fischer eine Selbstverständlichkeit.
Im Mai dürften die vier «Swiss-Devils», sowie Philip Kurashev und Janis Moser in Prag zu erwarten sein. Die treue Gefolgschaft aus Nordamerika soll ihren krönenden Abschluss im Nationalteam unter Fischer an der Heim-WM 2026 haben.
Doch zwei Aspekte sorgen derzeit für Unmut, zum einen der Umstand, dass das Nationalteam in der Euro Hockey Tour mitmischen muss und dort Niederlage an Niederlage reiht. Durch den Ausschluss Russlands ist die Schweiz unter die vier grossen Europas gerückt; ob dieser Umstand unsere Nationalmannschaft wirklich weiter bringt, wird sich an den kommenden WM-Turnieren zeigen.
Der zweite Aspekt ist das klägliche Versagen als Favorit im WM-Viertelfinal. Wir hätten auch unter Jan Cadieux die Deutschen nicht geschlagen, und genau da setzen die Verbands- Verantwortlichen den Hebel an. Dies hat nichts mit Fischer zu tun, sondern mit der Schweizer-DNA.
Ein Land, welches sich seit der Schlacht von Marignano 1515 nur noch verteidigt, hat dies seit Generationen verinnerlicht. Der Schweizer ist kein «Killer», sondern ein «Verteidiger». Diese DNA führt dazu, dass der «Schweizer» im Mannschaftssport im entscheidenden Moment, schon 1989 unter Schenk, immer versagt.
Die Verantwortlichen arbeiten nun mit einem Motivationstrainer, der die Spieler- DNA in ein «Deutsches Killer-Gen» umwandeln muss. Gepaart mit Fischers Art und Umgang mit den NHL-Söldnern ist der Zuger der richtige Trainer für die Heim-WM 2026 in Zürich und Freiburg – und im besten Fall gewinnt die Schweiz an Fischers Abschlussturnier ein Schlüsselspiel gegen Deutschland und den WM-Final.
Nein
Von Nicola Berger, SLAPSHOT-Autor und NZZ-Redaktor
Auch nicht nach den erstaunlichen Trainerstützungsmassnahmen von Swiss Ice Hockey.
Im Februar verlängerte der Verband den Vertrag mit dem Trainerteam ohne jede Not bis 2026. Anlass dafür gab es keinen: Seit der Silbermedaille von 2018 in Kopenhagen hat Patrick Fischer den Viertelfinal nie mehr überstanden, in fünf WM- und Olympiaturnieren. Sein Team verliert auf der Euro Hockey Tour Spiel um Spiel, zuletzt elf Mal in Serie.
Die Schweiz hinkt den nicht zuletzt von Fischer jahrelang bei jeder Gelegenheit geschürten Erwartungen weit hinterher.
Es ist möglich, dass der Coach sich rehabilitieren kann, mit einer starken WM im Mai in Prag. Fischer hat im Dezember gesagt, Prag sei seine letzte Patrone. Es hätte sich gelohnt, ihn beim Wort zu nehmen; den Vertrag hätte man auch dann noch verlängern können – es ist nicht so, dass sich zahlungskräftige, ambitionierte Klubs in diesen Tagen darum balgen, Fischer abzuwerben.
Der Coach war in den letzten Jahren ein tüchtiger, jovialer Botschafter für Swiss Ice Hockey. Aber sein Enthusiasmus schien sich zuletzt abgenutzt zu haben – von ihm und seinem Vorgesetzten, dem Direktor Lars Weibel, waren stets die gleichen Phrasen zu hören: Der Weg stimme, das wurde gebetsmühlenartig wiederholt, teilweise mehrmals im gleichen Interview.
Es war wenig davon zu sehen, dass dem so ist: Die Resultate stimmen nicht, und von der WM 2023 ist in erster Linie in Erinnerung geblieben, dass Weibel einen Journalisten vom Turnier auszuschliessen versuchte, der es gewagt hatte, einen Anflug von Kritik anzubringen.
Ein Nebenschauplatz, gewiss, aber Souveränität sieht anders aus; es zeugt von einem sehr eigentümlichen Medienverständnis, bei dem man sich eher in Belarus wähnte.
Prag wird auch für Weibel, der 2019 auf Raeto Raffainer folgte und unter dessen Ägide die Nationalmannschaft noch überhaupt nichts gerissen hat, ein Schicksalsturnier sein: Misslingt die WM erneut, wird der seit dem Herbst wirkende Präsident Stefan Schärer einen umfassenden Frühlingsputz vornehmen – in Fischers Vertrag ist eine entsprechende Ausstiegsklausel verankert.
Es gibt grundsätzlich wichtigere Themen im Schweizer Eishockey als die Besetzung der Führungscrew der Nationalmannschaft, es braucht in vielerlei Hinsicht Reformen; zuletzt zeigte sich sogar Nino Niederreiter in grosser Sorge um den generellen Zustand der Branche.
Aber die Heim-WM 2026 in Fribourg und Zürich muss die Rampe sein, um die Weichen für eine Zukunft zu stellen. Dafür braucht es an der Spitze Persönlichkeiten, die glaubwürdig Aufbruchstimmung vermitteln können.