Pro & Contra: Holt die Schweiz erneut eine WM-Medaille?

Daniel Germann
Daniel Germann, Nicola Berger

In dieser Ausgabe von «Pro und Contra» geben Nicola Berger und Daniel Germann Antwort auf die Frage, ob die Schweiz erneut eine WM-Medaille gewinnen kann.

Schweizer Nati Slapshot
Holt die Schweizer Nati auch an der WM in Schweden und Dänemark eine Medaille? - IMAGO/Bildbyran

Ja

Von Daniel Germann, NZZ-Redaktor

Medaillen an internationalen Grossanlässen gehören für die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft weiterhin nicht zum Alltag. In den vergangenen zwölf Jahren kehrten die Schweizer gleich dreimal mit Silber von der Weltmeisterschaft nach Hause zurück (2013, 2018, 2024).

Auch wenn das eine erstaunliche Ausbeute ist, endeten die Turniere öfters auch mit Enttäuschungen. Das erste Ziel der Schweizer heisst weiterhin: Viertelfinal-Qualifikation. Wenn man dieses Minimalziel von Zeit zu Zeit übertrifft, ist das mehr, als bis vor kurzem erwartet worden ist.

Schweizer Nati Slapshot
Daniel Germann, NZZ-Redaktor, erachtet eine WM-Medaille 2025 für realistisch. - KEYSTONE / PETER SCHNEIDER

Vor einem Jahr am Turnier in Prag und Ostrau war die Ausgangslage für die Schweiz fast optimal. Patrick Fischer stand sein gesamtes Kader zur Verfügung. Verletzte gab es praktisch keine.

In diesem Jahr sieht die Situation für den Nationalcoach nicht mehr ganz so komfortabel aus. Der beste Individualist, Roman Josi (Nashville), fehlt wegen einer Hirnerschütterung, Philipp Kurashev musste sich einer Handoperation unterziehen, Nino Niederreiter (Winnipeg) erreichte die zweite Runde des Stanley-Cup.

Sie sind erst im nächsten Winter wieder dabei, wenn mit dem Olympiaturnier in Mailand und der Heim-WM in Zürich und Fribourg gleich zwei Höhepunkte anstehen.

Aktuell kann die Schweizer Nationalmannschaft auf die Unterstützung von vier NHL-Akteuren zählen. Nico Hischier, Captain der New Jersey Devils. Mit ihm reisen auch seine Teamkollegen Timo Meier und Jonas Siegenthaler zur WM.

Zudem verstärkt Janis Moser erneut die Schweizer Defensive. Bei Redaktionsschluss liefen noch die Verhandlungen zu Kevin Fiala (Los Angeles) – dieser war bei der letzten WM ein Schlüsselspieler. Möglicherweise wird ein ganzer Block mit NHL-Spielern Patrick Fischer in den Norden begleiten.

Roman Josi Slapshot
Roman Josi, bester Verteidiger der Weltmeisterschaft 2024, fehlt bei WM 2025 aufgrund einer Hirnerschütterung. - IMAGO/justpictures.ch

Doch mittlerweile spielen mit den ZSC-Stürmern Denis Malgin und Sven Andrighetto mindestens zwei Akteure aus der National League auf dem Niveau der NHL-Stars.

Lars Weibel, der Sportdirektor des Verbandes, sagt, man sei dem treuen Anhang und den Sponsoren gegenüber verpflichtet, trotz den Absenzen mit hohen Ambitionen an die Weltmeisterschaft zu reisen.

Die Schweiz gehört mittlerweile auch dann zu den Medaillenanwärtern wenn ihr Kader nicht topbesetzt ist. Wie die letzten Resultate der Vorbereitungen zeigten, ist die Hoffnung auf eine erneute Medaille deshalb berechtigt und auch realistisch.

Auch Bronze glänzt immer noch ganz schön, selbst wenn das nicht die Medaille ist, die Fischer und sein Team im hohen Norden anstreben.

Nein

Von Nicola Berger, SLAPSHOT-Autor und NZZ-Redaktor

Und das obwohl die New Jersey Devils dem Nationaltrainer Patrick Fischer den Gefallen taten, neuerlich zu enttäuschen. Seit 2013 haben die Devils eine einzige Playoff-Serie gewonnen, in diesem Frühjahr war gegen Carolina abermals in Runde 1 Schluss.

Das bedeutet, dass von der US-Ostküste ein weiteres Mal rechtzeitig die Kavallerie eintrifft: Nico Hischier, Timo Meier und Jonas Siegenthaler sind an der WM dabei. Mit Janis Moser (Tampa Bay Lightning) steht ein weiterer NHL-Profi im Aufgebot.

Nico Hischier NHL Eishockey-WM
Nico Hischier ist einer von vier NHL-Stars im Schweizer Kader für die Eishockey-WM. - keystone

Ohne Verstärkung aus Übersee geht es nicht. Letztmals war das 2010 unter Sean Simpson in Mannheim der Fall als Nino Niederreiter noch ein gefeiertes Talent in der WHL war und Andres Ambühl in der AHL herumkurvte.

Der Viertelfinal gegen Deutschland bedeutete Endstation – in einem denkwürdigen Spiel unterlagen die Schweizer 0:1, nach Spielschluss prügelte sich Timo Helbling mit dem Assistenztrainer der Deutschen.

Es war eine andere Zeit, der Viertelfinal schien damals noch eine de facto unüberwindbare Hürde, das hat sich längst geändert.

Aber die Perspektiven divergieren von Jahr zu Jahr massiv, so ist das nun mal bei einem Turnier, das während der NHL-Playoffs ausgetragen wird und in der letzten Dekade mit einem schleichenden Bedeutungsverlust zu kämpfen hatte.

Der sich noch akzentuieren wird, wenn die NHL ab Februar 2028 im Vier-Jahres-Turnus den «World Cup of Hockey» reaktiviert und dafür den Meisterschaftsbetrieb unterbricht. Es besteht die reelle Gefahr, dass die drei Monate später in Paris und Lyon stattfindende WM das am schlechtesten besetzte Turnier der jüngeren Geschichte sein wird.

Aber zurück zur WM 2025: Viele Konkurrenten reisen mit sehr starken Teams an. Kanada mit Sidney Crosby und Nathan MacKinnon, die Schweden mit einem Starensemble.

Sidney Crosby
Sidney Crosby nimmt für Kanada an der WM teil. - Gene J. Puskar/AP/dpa

Gewiss: Ein Schweizer Exploit ist möglich, wenn Genoni und Charlin hexen, Andrighetto den Elan seiner Sensationssaison konserviert und das Devils-Trio in Herning sein durchzogenes Jahr retten will.

Doch für die Schweizer wäre es kein Beinbruch, sollte das Turnier früh enden. Die Erinnerungen an die Silbermedaille von 2024 sind noch frisch. Und fraglos ist die Heim-WM 2026 von ungleich grösserer Bedeutung – dort muss ein Ausrufezeichen gesetzt werden.

Medaillen haben Seltenheitswert für die Schweiz, daran wird sich auf Sicht nichts ändern. Aber natürlich stehen die Chancen besser, wenn das Team in Bestbesetzung antreten kann – vor allem mit Roman Josi. Es ist kein Zufall, dass der Captain der Nashville Predators bei den drei Silbermedaillen von 2013, 2018 und 2024 stets dabei war

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