Alina Müller: Trotzdem muss sie zur Schlafenszeit trainieren

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Am 08.11.2023 - 09:54

Noch bereitet sich Alina Müller bei den ZSC Lions vor. Doch bald wird ihr Traum wahr. In der Profiliga PWHL wird sie erstmals Geld verdienen.

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Alina Müller gilt als eine der weltbesten Eihockeyspielerinnen. - Petra Orosz

«Wie bitte?», fragt der Portier des Sportzentrums Heuried. «Ich spiele bei den Frauen der ZSC Lions», wiederholt die beste Schweizer Eishockeyspielerin Alina Müller und bittet vier Stunden vor Trainingsbeginn um Einlass. Er wird ihr gewährt. Doch auch im Innern sind die Türen verschlossen.

Selbst um in die Garderobe der Schweizer Meisterinnen zu gelangen, muss der Portier her. Wobei: Garderobe? Weder ist irgendwo ein Logo des ZSC zu sehen, noch sind Hockey-Utensilien auszumachen. In diesem kargen Raum könnten sich genauso gut Primarschülerinnen auf den Turnunterricht vorbereiten.

Dass die Spielerinnen ihre Ausrüstungen in einem separaten Raum unterbringen dürfen und sie nicht mehr jedes Mal nach Hause schleppen müssen, ist immerhin ein Fortschritt. «Am College in Boston herrschen Bedingungen wie in der National League. Jedes Team hat seine eigene Garderobe. Nun komme ich zurück und sehe, wie es eigentlich nicht sein sollte», so die 25-Jährige.

In Zürich hofften die Frauen vergeblich, in der Swiss Life Arena eine Kabine beziehen zu können. Da die Duschen für zwei Garderoben ausgelegt sind, gibt es für das weibliche Geschlecht in Altstetten keinen Platz. Auch punkto Trainingszeiten musste sich die temporäre ZSC-Stürmerin erst wieder an die hiesigen Verhältnisse gewöhnen.

«Fünf Jahre trainierte ich nie nach 19 Uhr. Nun finden zwei der drei wöchentlichen Trainings erst um 21 Uhr statt. Zu Zeiten, in denen ich in Boston zu Bett ging.» Vor 23 Uhr komme man nicht aus der Halle, schlafe nicht vor ein Uhr nachts ein.

Im Vergleich zu ihren Kolleginnen, die noch einer geregelten Arbeit nachgehen, kann Müller am Morgen länger schlafen. «Sonst würde ich wohl am Limit laufen. So habe ich nichts zu motzen.» Die Bedingungen seien nicht optimal, dennoch sei die Schweiz nach Schweden die Nummer 2 in Europa.

In Tschechien gebe es nicht einmal eine Liga. Und in Finnland sei einzig das Nationalteam stark aufgestellt. Dass sich hierzulande nun auch Zug, Davos und Bern dem Fraueneishockey verschreiben, begrüsst sie – und lobt den ZSC.

«Ich muss dem CEO Peter Zahner ein Kompliment aussprechen. Die Kommunikation ist sehr respektvoll. Er will uns helfen.»

«Jungs, die den coolen Typen markierten»

Fünf Tore und einen Assist steuerte die Olympiabronze-Gewinnerin von 2014 im ersten Spiel bei. 9:2 siegten die Lions in Neuenburg. Auf die Frage, ob das überhaupt Spass macht, atmet Müller kurz durch und sagt: «Es macht schon Spass.

Ich habe Grosses vor und kann Spielpraxis sammeln. Es ist schön zu sehen, dass ich in den letzten fünf Jahren einen Schritt gemacht habe. Andererseits ist es traurig, ist die Liga noch nicht besser.» Die Qualität der Spielerinnen sei zwar gestiegen.

Da die Liga aber auf acht Klubs aufgestockt worden und Zug mit einem halbprofessionellen Team in die B-Liga eingestiegen sei, würden sich die Talente verteilen. Müller betont, sie selbst hätte vor allem von ihren drei Jahren in Kloten profitiert.

Die Winterthurerin war im Team der U17-Junioren das einzige Mädchen. «Ich musste mein Bestes geben, um aufgestellt zu werden. Bist du als Mädchen gleich gut, wählt der Trainer einen Knaben.» Sie habe sich schon immer an den Besten orientieren wollen.

«Man muss sich durchbeissen und etwas beweisen wollen. In der Schweiz kann man nicht den bequemen Weg wählen.

Doch viele tun es.» Sprüche steckte sie weg. «Es gab Jungs, die meinten, sie müssten den coolen Typen markieren. Doch ich liess mich nicht runterziehen. Mit 18 war ich dann reif genug, um selbst die Garderobe zu organisieren und den Mund aufzureissen, wenn mir etwas nicht passte.»

Müllers Beharrlichkeit zahlte sich aus. Während fünf Jahren in Boston setzte sie im Team der Northeastern Huskies immer wieder neue Bestmarken.

Und wurde nun beim Draft in der neu gegründeten Professional Women’s Hockey League im September von Boston als einzige Europäerin in der ersten Runde gezogen (Nummer 3).

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Stürmerin Alina Müller im Dress der Schweizer Nationalmannschaft in Aktion. - IMAGO

«Es war überwältigend. Ich kann mir nicht erklären, weshalb der Draft so viele Emotionen in mir ausgelöst hat.» Sie spielte noch mit dem Gedanken, gar nicht erst nach Toronto zu fliegen. «Ich dachte, das wird wieder so ein Frauenanlass werden, an den es sich nicht hinzureisen lohnt und wo man sich auch virtuell zuschalten kann.»

Doch als ihr Name aufgerufen wurde, flossen bei Müller und ihrer mitgereisten Mutter die Tränen. «Ich wusste: Jetzt kann ich meinen Traum leben.» Dass sie von Boston gezogen wurde, wo sie sich bereits einen Freundeskreis aufgebaut hat, macht sie umso glücklicher.

Alina denkt an eine Wohltätigkeitsstiftung

Fünf Jahre lang lebte sie von einem Stipendium und bekam etwas Sackgeld. Nun wird die 25-Jährige erstmals Geld verdienen. Zwischen 80'000 und 100'000 Dollar dürften es jährlich werden. Müller, die nach dem Bachelor in Biopsychologie und Neurowissenschaften den Master in Rehabilitationswissenschaften abgeschlossen hat, sieht sich privilegiert.

Sie will Kontakte knüpfen und erfahren, wie man eine Wohltätigkeitsstiftung aufbaut. Müller sagt: «Es ist krass, was auf der Welt geschieht. Es herrscht Krieg und Hass. Es würde mich glücklich machen, könnte ich einen Teil dazu beitragen, dass es künftig mehr zufriedene Menschen gibt.»

Die Stürmerin sieht die Kluft zwischen Arm und Reich und möchte Menschen treffen, die Tragisches erlebt haben. «An der Uni ist alles super. Es fliesst viel Geld in Bildung und Sport. Man ist von Menschen umgeben, denen es gut geht. Diese Blase will ich einmal verlassen.»

Im Januar startet die Meisterschaft. «Es gibt Spielerinnen, die besser sind als Männer. Das werden super Spiele. Die Leute werden sie sich im Fernsehen anschauen. Es wird nach Europa überschwappen», ist Alina Müller überzeugt. Ihre Augen funkeln.

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