«Blueliner Berger»: Wer gewinnt den Stanley Cup?

Nicola Berger
Nicola Berger

Seit 32 Jahren hat kein kanadisches Team mehr den Stanley Cup gewinnen können. Endet der bizarre Fluch in diesen Playoffs?

Stanley Cup 2018
Welches Team gewinnt den Stanley Cup 2025? Die Durststrecke kanadischer NHL-Teams dauert bereits 32 Jahre an. Im Bild: Alexander Owetschkin mit dem Stanley Cup im Jahr 2018. - John Locher/AP/dpa

Als die Montreal Canadiens 1993 den Stanley Cup gewannen, gingen in der Innenstadt kurz darauf Polizeiautos in Flammen auf.

Die Eruption der Gefühle entlud sich in Strassenschlachten – 170 Menschen wurden verletzt, es entstand ein Sachschaden von mehr als vier Millionen Franken, während im Innern des sagenumwobenen Montreal Forum ein gewisser Paul DiPietro genüsslich an seiner Siegerzigarre zog.

Leon Draisaitl
Wird es diese Saison für Leon Draisaitl mit den Edmonton Oilers zum Gewinn des Stanley Cups reichen? - DARRYL DYCK/The Canadian Press/AP/dpa

Oleg Petrov, DiPietros späterer Teamkollege bei Ambrì-Piotta und in Zug, absolvierte für Montreal zwar mehrere Regular Season-Spiele und auch eine Playoff-Partie, aber sein Name wurde nicht per Gravur auf der silbrigen Trophäe der Träume verewigt.

Ein Jahr später gab es erneut Eishockey-Randale, dieses Mal in Vancouver und aus Zorn, nachdem die Canucks die Belle gegen die New York Rangers (mit Alexei Kovalev und Craig MacTavish) verloren, zogen fast 50'000 Menschen marodierend durch die Stadt, als wäre es der 1. Mai an der Zürcher Langstrasse.

Ein Teenager wurde von einem Gummigeschoss am Kopf getroffen und so schwer verletzt, dass er vier Wochen im Koma lag und einen Hirnschaden erlitt.

27 Jahre später wurde Vancouver erneut Schauplatz von Ausschreitungen, nachdem die Canucks abermals Spiel 7 verloren, dieses Mal gegen die Boston Bruins. Maxim Lapierre hatte zuvor den Siegtreffer zur 3:2-Serienführung erzielt. Ebenfalls für die Canucks stürmte Jeff Tambellini, der General Manager hiess Mike Gillis.

NHL
Nach überzeugender Saison zählen die Toronto Maple Leafs ebenfalls zu den Favoriten auf den Stanley Cup-Gewinn. - keystone

An dramatischen Finalniederlagen hat es den kanadischen Teams in den letzten 32 Jahren nicht gemangelt. 2004 erzielte Martin Gélinas, später in Morges, Lugano und beim SC Bern aktiv, für Calgary den vermeintlich entscheidenden Treffer zum Titelgewinn.

Doch das Tor wurde aberkannt, bis heute tobt ein Gelehrtenstreit über die Irregularität und auch darüber, wie das Verdikt mit den heutigen technischen Möglichkeiten wohl ausgefallen wäre.

Martin St. Louis, wenige Monate später die Attraktion im Lausanne HC, entschied die Partie in der zweiten Verlängerung zu Gunsten Tampas.

2006 schob der spätere ZSC-Verteidiger Marc-André Bergeron den Carolina-Stürmer Andrew Ladd so unglücklich in den Nummer-1-Goalie Dwayne Roloson, dass dessen Saison mit einer Knieverletzung endete.

Alexander Ovechkin Russland NHL
Die Washington Capitals mit Alexander Ovechkin haben den Stanley Cup bereits 2018 gewonnen. Können sie ihren Erfolg wiederholen? - keystone

Sein Ersatz hiess Jussi Markkanen – und der Stanley Cup-Champion kurz darauf Carolina Hurricanes mit dem Backup Martin Gerber.

Zuletzt scheiterten 2021 die Montreal Canadiens mit Michael Frolik an Tampa und 2024 die Edmonton Oilers an Florida mit dem Assistenztrainer Sylvain Lefebvre, der einst für den SCB verteidigte.

Das Trauma sitzt tief im Mutterland dieser Sportart, die mit 402 Spielern unverändert das mit Abstand grösste NHL-Kontingent stellt.

Aber zusehen muss, wie Kanadier amerikanische Teams zum Titel schiessen – in vier der letzten sechs Jahre waren es Kanadier, die für den Goldenen Treffer besorgt waren.

NHL Winnipeg Jets
Die Winnipeg Jets mit Nino Niederreiter (r.) sind ebenfalls in Kanada beheimatet. Sie konnten in der regulären Saison überzeugen. - keystone

Auch der Umstand, dass absolute Megastars wie Connor McDavid und Leon Draisaitl (Edmonton), Auston Matthews und Mitchell Marner (Toronto) in den Reihen kanadischer Teams spielen, hat bisher keine Wende gebracht.

Die Gründe für die Misere werden fast überall gesucht. Die Medien sind zu vorwitzig, die Steuern zu hoch, der amerikanische Ligakommissionär Gary Bettman konspiriert gegen Kanada. Egal, wie wild die Theorie: Trost spenden sie alle nur sehr bedingt.

Nur der süsse Geschmack des lang ersehnten Sieges kann Linderung schaffen. Ob 2025 das Jahr sein wird, in dem Kanada den Fluch überwindet? Wer weiss. Aber mit Edmonton, Winnipeg und Toronto zählen immerhin drei Teams zum Kreis der Favoriten.

Florida Panthers
Könne die Florida Panthers ihren Erfolg aus dem Vorjahr wiederholen? - Jim Rassol/AP/dpa

Erreicht eines dieses Traditionsteams den Final, könnte den jeweiligen Innenstädten zumindest ein feuriger Abend bevorstehen – und zwar unabhängig von Sieg oder Niederlage.

Über den Autor Nicola Berger

Nicola Berger schreibt seit mehr als 15 Jahren über das Schweizer Eishockey – er tat das lange für die «Luzerner Zeitung». Und auch für Produkte, die es betrüblicherweise längst nicht mehr gibt: «The Hockeyweek», «Eishockey-Stars», «Top Hockey».

Seit 2013 ist er Reporter bei der NZZ und hat eine ausgeprägte Schwäche für Aussenseiter sowie aus der Zeit gefallene Stadien und Persönlichkeiten. Ein Königreich für ein Comeback von Claudio Neff.

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