Die ZSC Lions: Top of Europe
Der Schweizer Meister gewinnt einen ersten Titel in dieser Saison. Für die Zürcher ist die Champions Hockey League eine Herzensangelegenheit.

Die Schweiz und Europa, das ist bisher noch alles andere als eine Liebesbeziehung. Das gilt nicht nur auf politischer, sondern auch auf sportlicher Ebene.
Speziell das Schweizer Eishockey hatte bisher ein gespaltenes Verhältnis zum paneuropäischen Wettbewerb, der Champions Hockey League. In den vergangenen Jahren spielten die Schweizer Klubs allenfalls eine Statistenrolle in der Liga.

Lange blieb die Halbfinal-Qualifikation des HC Davos im Frühjahr 2016 das rare Highlight inmitten einer Reihe vollen Enttäuschungen. Fribourg-Gottéron (2017) und der EV Zug (2024) folgten dem Bündner Beispiel.
Das war eine dürftige Ausbeute für eine Liga, die sich selber gerne als «die beste ausserhalb der NHL» bezeichnet.
Historische Eishockey-Nächte in Genf und Zürich
Mittlerweile sind die Schweizer in diesem paneuropäischen Wettbewerb aber zu einer Macht geworden. Ein Jahr nach Genf-Servette HC gewannen Mitte Februar auch die ZSC Lions den Wettbewerb.
Im Final schlugen die Zürcher den schwedischen Vertreter Färjestads BK in einem hartumkämpften Spiel vor 12'000 Zuschauern in der Swiss Life Arena 2:1 und beendeten damit die skandinavische Dominanz.
Sechs der ersten acht Titel gingen an einen schwedischen Vertreter, zwei weitere an finnische Teams.
Die ZSC Lions hatten sich bereits früh zur Champions Hockey League bekannt. Sie bezeichneten deren Gewinn zu Beginn der Saison als eines der Ziele für den Winter 2024/25.

Das war wohl nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass ihr CEO Peter Zahner zuvor auch schon Direktor der Liga und einer ihrer vehementesten Befürworter war.
Der 64-jährige Aargauer ist ein bekennender Anhänger des internationalen Wettbewerbs. Zahner hatte Anfang Dezember 2007 als Geschäftsführer von Swiss Ice Hockey zur ZLE Betriebs AG, der Muttergesellschaft der Lions, gewechselt.
Bereits in seinem zweiten Jahr an der Spitze des Klubs gewannen die Lions im Final gegen den russischen Vertreter Metallurg Magnitogorsk auch erstmals die Champions Hockey League.
Das 5:0 der vom späteren Nationalcoach Sean Simpson betreuten Lions war eine Gala, wie man sie von Schweizer Teams zuvor auf europäischer Ebene kaum je gesehen hatte.
Ari Sulander, die finnische Torhüterlegende der Lions, erinnerte vor dem Match gegen Färjestads BK noch einmal an jenen Moment, der auch für ihn ein Highlight seiner Karriere war.

Im Prinzip hatte diese Zürcher Gala im Februar 2009 dem ambitioniert und finanziell attraktiv aufgezogenen Wettbewerb aber auch den Todesstoss versetzt.
Entsetzt über die Demütigung ihres Vertreters, zogen sich die Russen danach aus der Liga zurück, und mit den Klubteams aus der mutmasslich besten Liga Europas verlor auch der wichtigste Geldgeber, der staatliche Energie-Konzern Gazprom, der das Preisgeld und die Kosten praktisch im Alleingang finanziert hatte, das Interesse an der Liga und beendete sein Engagement.
Neustart mit einem neuen Format
Es dauert fünf Jahre, ehe die Champions Hockey League 2014 in neuem Format und erweiterten Teilnehmerfeld wieder belebt wurde. Getragen wird sie heute durch eine finanzielle Garantie der Schweizer Vermarktungsfirma Infront.
Der entsprechende Vertrag wurde bereits 2020 vorzeitig bis 2028 verlängert. Die Vermarktungsprofis aus Zug, die sich seit längerer Zeit im Eishockey engagieren und unter anderem auch Partner der IIHF für die Weltmeisterschaften sind, glauben offensichtlich an das Potenzial des europäischen Eishockeys.
Mittlerweile wurde die Liga und ihre Struktur überarbeitet. Heute ist sie sportlich, aber auch finanziell breiter aufgestellt. Der Ausstieg einer einzelnen Liga wie die KHL bringt sie nicht sofort wieder zum Einsturz.
Die Aktien und das investierte Kapital werden von allen Teilnehmer getragen. Die Klubs halten 63 Prozent, die nationalen Ligen 25 und der Internationale Verband (IIHF) zwölf Prozent.

Trotzdem blieb zumindest das öffentliche Interesse an der neuen Liga anfänglich überschaubar. Zu viele Teams, zu geringer sportlicher Wert, waren die Hauptkritik-Punkte am neuen Anlauf.
Dazu fehlen die russischen Vertreter wegen des Kriegs in der Ukraine weiterhin. Entsprechend gering war die Beachtung. Die CHL-Spiele wurden anfänglich, wenn überhaupt, auf irgendeinem, kaum beachteten Spartenkanal übertragen.
Erst die Reduktion des Teilnehmerfeldes von 32 auf 24 Teams auf die Saison 2023/24 erhöhte den sportlichen Wert und brachte die Liga auf Kurs.
Höhere Qualität und mehr Exklusivität
Zahner sagte damals als Direktor der Liga: «Eine Reduktion der Teams bringt eine höhere Qualität auf dem Eis und mehr Exklusivität mit sich. Zudem können die Teilnehmer so auch besser entschädigt werden.»
Nun profitiert die CHL von den Schweizer Erfolgen und dem boomenden Eishockey-Interesse in der Schweiz. Keine andere Liga Europas zieht momentan mehr Zuschauer an als die National League.
Das schlägt mittlerweile auch auf die Champions Hockey League über. Genf und Zürich bildeten zuletzt mit ihren ausverkauften Arenen eine würdige Kulisse für die Finalspiele.

Eine Goldgrube wie die Fussball-Champions-League ist sie weiterhin nicht. Im Fussball winkt dem Sieger ein Check von 25 Millionen Euro, allein die Qualifikation war 18,2 Millionen Euro wert.
Dazu kommen Entschädigungen und Beteiligungen an den TV- und Zuschauereinnahmen. Das gesamte Preisgeld in der in der laufenden Saison 2024/25 beträgt 2,467 Milliarden Euro.
Die ZSC Lions wurden für ihren Sieg mit rund 360'000 Euro belohnt. Doch Zahner sagt: «Der Vergleich mit dem Fussball ist unzulässig. Wenn, dann muss man das Eishockey mit dem Handball, dem Volleyball oder dem Basketball vergleichen.
Und im Vergleich mit diesen anderen Sportarten sind wir mit der Champions Hockey League auf keinem schlechten Weg.»
Dank ihrer neuen Halle verdienten die ZSC Lions bereits ab dem Halbfinal CHL-Geld. Doch im Final gegen Färjestads BK ging es den Lions nicht allein um das Geld. Auf dem Spiel stand auch der sportliche Ruhm.

Und der zählt für einen Klub mit den Ansprüchen des Zürcher Vorzeigeunternehmens mindestens so viel wie Zahlen in der Bilanz. Für ein Jahr sind die Lions nun die Nummer 1 Europas.
Doch wie all die anderen ist auch dieser Erfolg vergänglich. Der Fokus der ZSC Lions bleibt auf der Meisterschaft und den Play-offs, die Zahner als «Kerngeschäft» bezeichnet.
Sollte sein Team dort früh scheitern, dann wird der Sieg über Färjestads BK nur ein kleines Trostpflaster bleiben. Doch diesen ersten Titel kann ihnen so oder so niemand mehr nehmen. Für mindestens ein Jahr sind sie Top of Europe.