Hockey-Philosophie: Daniel Giger – Der Strippenzieher
Eishockey-Agent Daniel Giger spricht mit SLAPSHOT über seinen ersten Klienten, aktuelle Sorgen um die Zukunft – und weshalb er manchmal sogar Anfragen ablehnt.

Ende Oktober empfängt Daniel Giger in den Geschäftsräumen von «4 Sports Hockey» zum Gespräch. Giger, 51, ist eine der mächtigsten Personen im Schweizer Hockey-Kosmos, eine Art «Königsmacher». In der Öffentlichkeit hält er sich nach Möglichkeit im Hintergrund. Für SLAPSHOT machte er eine Ausnahme.
SLAPSHOT: Sie stiegen 2006 ins Agentengeschäft ein, wer war Ihr erster Klient?
Daniel Giger: Patrick Fischer. Wir sind zusammen aufgewachsen und beste Freunde. Auch andere Teamkollegen aus Zug schenkten mir das Vertrauen, Duri Camichel zum Beispiel und weitere namhafte Spieler.
SLAPSHOT: 4Sports wurde in jenen Tagen eher mit Fussball in Verbindung gebracht, mit dem nicht überall populären Agenten Giacomo Petralito etwa. Wie lange hat es gedauert, um das Eishockey-Geschäft aufzubauen?
Giger: Wir mussten erst einmal eine gewisse Glaubwürdigkeit etablieren, ein Image. Das geht nicht über Nacht. Und es fand uns auch nicht jeder toll. Aber wir hatten das Glück, dass es schnell vorwärts ging.
Natürlich half es, einen grossen Namen wie Fischer an Bord zu haben. Die Spieler spürten, dass wir für sie da sind und wir uns richtig um sie kümmern.

Zuerst schafften wir eine starke Basis in der Schweiz, in einem nächsten Schritt konnten wir dann Vertretungen in Schweden und Nordamerika aufbauen. Schweden war für mich extrem wichtig, denn es war schon vor 20 Jahren der stärkste europäische Markt für Spieler, die es in die NHL schaffen.
SLAPSHOT: Apropos Schweden: Der frühere Weltstar Peter Forsberg ist inzwischen Mitbesitzer der Agentur. Wie kam das?
Giger: Ich habe Peter eher zufällig kennengelernt, als mich jemand bat, prominente Eishockeyspieler für ein Golfturnier zu rekrutieren. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und blieben im Austausch.

2019 haben wir die Hockeydivision mit einem Management Buyout aus der Muttergesellschaft gelöst, da hat er uns geholfen. Er ist ein Glücksfall für uns, seine Passion für das Eishockey ist ungebrochen.
SLAPSHOT: Heute betreut Ihre Firma gegen 200 Spieler und Trainer darunter grosse Namen wie Timo Meier, Moritz Seider, Tim Stützle, Dan Tangnes oder Sven Andrighetto. Gibt es eine Limite, was das Volumen angeht?
Giger: Auf jeden Fall. Unsere Firma zählt heute 18 Mitarbeiter, mit denen wir in den europäischen Schlüsselmärkten vor Ort vertreten sind.
Es kommt immer wieder vor, dass wir interessierten Spielern oder Trainern sagen müssen: Sorry, wir sind voll. Aber wir wollen unsere Klienten professionell und umfassend betreuen. Und das ist nur möglich, wenn man irgendwo Grenzen zieht.
SLAPSHOT: Ab welchem Alter rekrutieren Sie neue Spieler?
Giger: Wir würden es sehr gerne so machen wie es in Schweden geregelt ist. Dort dürfen die Spieler erst mit 16 kontaktiert werden. Leider ist dies in der Schweiz nicht der Fall.
Wir machen immer häufiger die Erfahrung, dass sie dann schon einen Agenten haben, weil sie teilweise schon mit 13 angeworben wurden. Ich halte diese Entwicklung für ungesund.

SLAPSHOT: Mit wie vielen Prozent lassen Sie sich Ihre Dienstleistungen entschädigen?
Giger: In der Schweiz liegt die «Agent Fee» bei fünf Prozent jährlich, in Nordamerika bei vier.
SLAPSHOT: Von den 14 NL-Cheftrainern stehen fünf bei 4Sports unter Vertrag. Schafft das nicht Abhängigkeiten, Interessenskonflikte? In der NHL wäre das undenkbar.
Giger: Ich sehe es anders, es ist eine Konstellation, von der alle Beteiligten profitieren können. Zum Beispiel, indem wir zwischen Spielern und Trainern vermitteln können, beide Seite besser verstehen und oft bei Problemen einen guten Weg finden. In den übrigen europäischen Profi-Ligen ist das nicht anders, übrigens.
SLAPSHOT: Aber man kann sagen, dass 4Sports über nicht wenig Macht verfügt. Sehen Sie sich als Strippenzieher?
Giger: Das sollen andere beurteilen.
SLAPSHOT: Reizte es Sie nie, selbst Sportchef zu werden?
Giger: Diese Möglichkeiten gab es. Aber nein, es hat mich nicht gereizt. Als Agent bin ich meines eigenen Glückes Schmied. Wenn ich gut arbeite, kann ich erfolgreich sein.

Als General Manager kann man den besten Job der Welt machen, und trotzdem nichts erreichen. Man ist von vielen Dingen abhängig, auf die man wenig Einfluss hat.
Vielleicht verletzt sich ein wichtiger Spieler, womöglich funktioniert es mit dem Trainer doch nicht. Für mich sind das zu viele Unwägbarkeiten.
SLAPSHOT: Dafür fehlen in Ihrem Metier die Emotionen, die man bei einem Titelgewinn verspürt.
Giger: Das stimmt. Aber als der EV Zug 2021 die Meisterschaft gewann, wurde ich schon etwas emotional. Ich sass im praktisch leeren Stadion, das war ja mitten während Corona, und freute mich wirklich.

Dan Tangnes ist unser Trainer, wir betreuten viele Spieler dieser Mannschaft. Es war für alle eine grosse Erlösung nach mehr als 20 Jahren Wartezeit. Beim letzten Titel war ich ja noch als Spieler dabei gewesen.
SLAPSHOT: Man hat den Eindruck, dass sich 4Sports und der EVZ etwas entfremdet haben. Ihre Firma mietet dort keine Loge mehr, Sie unterhalten heute auch nach Davos, zu Gottéron oder nach Lugano beste Verbindungen…
Giger: Grundsätzlich arbeiten wir nicht für Klubs, sondern für unsere Spieler und Coaches. Und die Loge mietete dazumal nicht das Unternehmen, sondern ein Aktionär von 4Sports privat. Nein, wir haben uns nicht von Zug entfremdet.

Wir betreuen auch heute noch viele Spieler in Zug. Dies ist aber auch bei anderen Teams so und deshalb ist es für uns eine logische Voraussetzung, dass wir zu allen Organisationen und deren Management eine gute und professionelle Beziehung pflegen.
SLAPSHOT: Wie steht es um die Lebensqualität als Agent, um die Work/Life-Balance?
Giger: Man hat eigentlich nie einen Tag frei. Auch in den Ferien nicht. Meine Kinder sind damit aufgewachsen, dass ich eigentlich ständig am Telefon bin und oft etwas für meine Tätigkeit erledigen muss. Für mich ist das kein Problem, ich liebe den Job.
SLAPSHOT: Sie handelten 2014 den Vertrag von Damien Brunner in Lugano aus. Ist das immer noch der lukrativste Abschluss im Schweizer Eishockey?
Giger: Jein.

SLAPSHOT: Ach so?
Giger: Auch Robert Nilsson beim ZSC war ungefähr in der gleichen Liga. Aber Sie werden verstehen, dass ich keine Zahlen nenne.
SLAPSHOT: Wird es in naher Zukunft einen Spieler geben, der eine Million Franken pro Saison verdient?
Giger: Sag niemals nie. Ich sehe ihn gerade nicht, aber wir sind nicht mehr allzu weit von dieser Schallmauer entfernt.
SLAPSHOT: Die Löhne sind ein Dauerthema im Schweizer Eishockey, seit Jahrzehnten schon. Verdienen die Spieler zu viel?
Giger: Mich nervt die Diskussion, weil sie verlogen ist. Wenn ein Vertrag abgeschlossen wird, dann stimmen die Konditionen in jenem Moment offensichtlich für beide Parteien.
Wir haben kürzlich einen Spieler platziert, der einen sehr guten Vertrag unterschreiben durfte. Jeder der interessierten Klubs hätte ihn zu diesem Preis unter Vertrag genommen.

Aber es heisst dann einfach: «Der Spieler ist zu teuer, da machen wir nicht mit». Es ist ein Ablenkungsmanöver, weil die Manager ja sonst erklären müssten, warum sich der Spieler gegen sie entschieden hat.
SLAPSHOT: Kommt es vor, dass Spieler überzogene Erwartungen haben, was den nächsten Vertrag angeht?
Giger: Klar. Zwischen der Realität und der Selbstwahrnehmung gibt es teilweise grosse Diskrepanzen. Das können dann heikle Fälle sein, die Diplomatie erfordern. Aber es gibt nun mal auch Spieler, für die es kein Wunschkonzert ist und für welche die Realität auch enttäuschen kann.
SLAPSHOT: Hat es Ihrem Geschäft geholfen, dass vielerorts Milliardäre die Klubs alimentieren? In Lausanne, in Lugano, in Zug, in Zürich?
Giger: Das kann man so nicht sagen. Das Lohnbudget bei den Top-Teams liegt in einem vergleichbaren Rahmen, da sind die Unterschiede nicht riesig. Selbst wenn es Mäzenatentum bei diversen Klubs gibt, müssen die General Manager ihre vorgegebenen Budgets einhalten.
Generell stellen wir fest, dass wieder lockerer Geld ausgegeben wird. Ich erinnere mich noch sehr gut an die wirklich schwierigen und herausfordernden Covid-Zeiten. Da hat man schon sehr viel schwarzgemalt und es herrschten Existenzängste.

Diese Krise ist sehr schnell in Vergessenheit geraten. Ich glaube zudem, dass die wirtschaftliche Entwicklung hier noch lange nicht abgeschlossen ist.
SLAPSHOT: Inwiefern?
Giger: Die Branche verändert sich. Ich bin 2006 zurückgetreten. Zu dieser Zeit bestanden die Zuschauer zu gefühlt 90 Prozent aus Männern, die Bier tranken und sich eine Wurst gönnten.
Heute sind die Spiele ein Event, ein Erlebnis. Da wird gerade ein viel breiteres Publikum erschlossen.
SLAPSHOT: Es fällt auf, dass Eishockeyspieler hierzulande kaum Werbeverträge an Land ziehen können. Warum eigentlich?
Giger: Da gibt es mehrere Punkte. Mit der Vertragsunterzeichnung bei einem Klub tritt der Spieler seine Bild- und Namensrechte ab. Er ist praktisch von Kopf bis Fuss mit Werbung und Logos zugepflastert.
Und dann haben praktisch alle Vereine diverse branchenexklusive Sponsoren. Spieler X kann also schlecht für eine Bank, eine Versicherung, eine Biermarke oder ein Auto werben.
SLAPSHOT: Die National League boomt mit Rekordzuschauerzahlen, die Swiss League aber darbt – es gibt dort auch kaum mehr Geld zu verdienen. Sorgt Sie das?
Giger: Ja, es gibt leider zu viel Egoismus in unserem Hockey. Ich verstehe nicht, wieso man die Probleme nicht gemeinsam anpackt. Wir reden seit 20 Jahren darüber, aber es geschieht nichts.
Um den Nachwuchs ist es nicht gut bestellt, das ist kein Geheimnis. Die Swiss League leidet. Wir sind international bei den Junioren-Nationalteams kaum mehr konkurrenzfähig. Das Niveau der U21-Elit ist nicht gut genug.

Es gibt viel anzupacken. Es bräuchte alle Klubvertreter, die an einem Strick ziehen und für die Eishockeynation Schweiz eine bessere Ausgangslage schaffen wollen. Dafür müsste das eigene Klubdenken etwas zurückgestellt werden. Langfristig würden dann wieder alle profitieren.
SLAPSHOT: Was ist das Geheimnis, um einen möglichst lukrativen Vertrag herauszuholen?
Giger: Man muss einen Markt kreieren. Anders funktioniert es nicht. Das heisst: Auch wenn man bei Klub X verlängern will, hilft es, wenn man mit anderen Teams redet.
SLAPSHOT: Es gibt inzwischen diverse Spieler, die auf einen Agenten verzichten, Sandro Aeschlimann vom HC Davos etwa. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass in der Liga die meisten Spieler ihren Marktwert kennen.
Giger: Das kann sein. Aber letztlich will jeder Spieler für sich das Optimum herausholen. Und es ist nicht jedem gegeben, seine eigenen Vorzüge herauszustreichen und sich von der besten Seite zu positionieren.

Dazu kommt: Wir führen ja nicht nur Vertragsverhandlungen. Sondern sind auch sonst für die Spieler da. Wir bieten dem Spieler eine Rundumbetreuung.
Wir organisieren Camps, unterstützen sie auf und neben dem Eis mit diversen Services – etwa im Bereich Ernährung oder Mentaltraining.
SLAPSHOT: Wie oft mussten Sie diskret für einen Kunden Probleme aus der Welt schaffen, etwa nach einer durchzechten Nacht?
Giger: Das kam schon hin und wieder vor. Aber man muss auch sagen, dass sich das stark gewandelt hat, die wilden Jahre im Hockey sind vorbei. Was es schon gibt: Dass Wohnungen oder Autos in miesem Zustand zurückgegeben werden.

Kürzlich hatten wir den Fall eines Ausländers, dessen Vertrag nicht verlängert wurde. Das Auto war in einem so desolaten Zustand, dass die Sitze nicht einfach geputzt, sondern neu bezogen werden mussten.
SLAPSHOT: Es gibt immer wieder Fälle von Sportlern, die nach dem Karriereende abstürzen, weil ihnen plötzlich der Lebensinhalt fehlt. Wie handhaben Sie das bei Ihren Spielern?
Giger: Wir ermuntern die Spieler, den nächsten Lebensabschnitt während der Karriere vorzubereiten. Aber ohne intrinsische Motivation geht es logischerweise nicht. Es gibt schwierige Fälle, keine Frage.
SLAPSHOT: Wir stehen in einem Olympia-Jahr. Patrick Fischers Vertrag als Nationaltrainer läuft nach der Heim-WM 2026 aus. Wird es nach zehn Jahren nicht Zeit für eine Veränderung?
Giger: Das werden wir sehen. Er ist nicht nur für die Nationalmannschaft ein spannender Trainer.














