Holt Fribourg-Gottéron erstmals den Meistertitel?
In dieser Ausgabe von «Pro und Contra» geben Nicola Berger und Michael Krein Antwort auf die Frage, ob Fribourg-Gottéron zum ersten Mal Meister wird.
Ja
Von Michael Krein, SLAPSHOT-Autor, Blogger und MySports-Kommentator
Wer in den 1990er Jahren dreimal (1992, 1993, 1994) im Final gescheitert ist und dies mit dem besten Ausländerduo ausserhalb der NHL, der kann nie mehr einen Titel holen?
Mit den wohl besten Ausländern aller Zeiten, welche sich auf Schweizer Eis bewegt haben, Slava Bykov und Andrei Chomutov, verloren die Freiburger 1992 im fünften und letzten Spiel der «Best-of-Five»-Serie vor heimischem Publikum gegen den SC Bern.
In der Folge schafften es die Freiburger noch drei Mal in die finale Serie, kamen dem Titel aber nie mehr so nahe wie 1992, und die Mythen und Geschichten, warum die Freiburger niemals Meister werden können, machen bis heute die Runde.
Zur gleichen Zeit, knapp 9500 Kilometer westlich von Freiburg, sorgten die Los Angeles Kings in der NHL für Furore. Die Kings spielten ein ähnliches Spektakelhockey wie das Gottéron in der «gelben» Klopfstein-Ära. In Freiburgs «sowjetischer» Blütezeit wurden 1990 gar die Klubfarben aufgrund des Sponsors auf gelbschwarz gewechselt.
Die Los Angeles Kings, angeführt durch Wayne Gretzky, den besten Spieler aller Zeiten, marschierten im Juni 1993 erstmals bis in den Stanley Cup-Final. Spektakulär gingen die Kings in der Finalserie mit 1:4 gegen die Montréal Canadiens unter.
Wer mit Gretzky im Final scheitert, kann nie mehr einen Titel holen? Nach Gretzkys Wechsel und Rücktritt ging der Traum der Kings weiter.
Knapp 20 Jahre später standen die Kalifornier wieder im Final um die begehrteste Trophäe der Welt, ihr «Gretzky» kam nun aus dem slowenischen Jesenice und hiess Anze Kopitar. Die Kings gewannen am 11. Juni 2012, im sechsten Spiel gegen die New Jersey Devils ihren ersten Pott. Einst mit Gretzky gescheitert, wurden die Buchstaben der Los Angeles Kings auf dem heiligen Hockey-Gral eingraviert.
Und Gottéron?
Dreimal in der Klugeschichte haben die Galternstädter den Qualifikationssieg geholt, dreimal erreichte man in der Folge den Final, der Freiburger Meistertraum ging nach dem Rücktritt der beiden ehemaligen Sowjets weiter.
In der aktuellen Form ist die Mannschaft von Christian Dubé auf bestem Weg, die Qualifikation ein viertes Mal zu gewinnen und zum fünften Mal in den Final einzuziehen. Die Chancen stehen so gut wie nie zuvor, und ein anderer «Unmeisterbarer» hat den Weg zum langersehnten Titel im letzten Frühling gezeigt: der Genève-Servette HC.
Durch den Titel der Genfer wurde auch der Bann «die Welschen werden nie mehr Meister» gebrochen. Wie die Los Angeles Kings 2012, haben die Freiburger nicht mehr die Extrakönner aus den 1990er Jahren, jedoch das Kollektiv eines Meisterteams. 15 Titel hat Gottérons Mischung schon gewonnen und dies in acht verschiedenen Wettbewerben.
Die meisterliche Chemie steht auf dem Papier, nun gilt es für den Coaching-Staff, diese Mischung in den ersten Meistertitel der Klubgeschichte zu wandeln. Fribourg-Gottéron stemmt, spätestens am 30. April 2024, die Twin-Skate-Trophy in die Höhe.
Nein
Von Nicola Berger, SLAPSHOT-Autor und NZZ-Redaktor
Eine unterschätzte Konsequenz des Meistertitels von Servette 2023 ist, dass die Aussenseiter der National League in etwas bunteren, satteren Farben zu träumen wagen.
Wenn die Phalanx der Dominatoren aus Zürich, Zug und Bern gebrochen ist und Servette nach fast 120 Jahren Existenz erstmals Champion werden kann, warum sollen wir nicht die nächsten sein? Das ist die Frage, die man sich in Fribourg und Lausanne besonders eindringlich stellt.
Und es stimmt ja: Es gibt keinen Grund mehr, in Ehrfurcht zu erstarren. Besonders nicht für Gottéron, diesen stolzen, traditionsreichen Klub, der inzwischen im edelsten Stadion des Landes spielt. Der das Trauma der Playoff-Dramen mit dem Duo Bykov/Chomutov nach drei Jahrzehnten langsam überwunden zu haben scheint. Und der finanziell inzwischen zu den Schwergewichten der Liga zählt.
Gottéron hat den Kader, um Meister zu werden, die Qualität ist vorhanden. Vielleicht nicht in einer endlosen Breite wie bei den ZSC Lions, aber wir wollen keine Verletzungsmisere heraufbeschwören.
Die Routine ist ebenfalls gegeben; Andreas Borgman, Raphael Diaz, Dave Sutter, Ryan Gunderson, Christoph Bertschy, Jacob De La Rose, Chris DiDomenico, Mauro Jörg und Samuel Walser haben höchste nationale Ligen schon gewonnen. Vielleicht werden es diese Teamstützen sein, die Gottéron ins gelobte Land führen.
Die Zeit drängt, der Kern dieser Mannschaft ist nicht mehr blutjung: Reto Berra ist 37, Diaz und der Captain Julien Sprunger sogar 38. Möglich, dass das Wissen um das bald schliessende Titel- und Karrierefenster zusätzliche Kräfte freisetzt. Trotzdem bleiben wir skeptisch.
Christian Dubé ist im Herbst 2020 Cheftrainer geworden, ohne vorher auf irgendeinem Niveau auch nur eine Sekunde als Coach gearbeitet zu haben.
Unter ihm ist Gottéron bisher ein Team, das in der Qualifikation munter gewinnt. Und in den Playoffs beständig versagt. Seit Dubé diesen Klub 2015 als Sportchef zu verantworten begann, hat das Team eine einzige Playoff-Serie gewonnen.
Gemessen an den Aufwendungen ist das eine miserable Bilanz, die jeden anderen Würdenträger als den smarten, auch in Sachen Machterhalt sehr beflissenen Dubé längst aus dem Amt gespült hätte.
Servette zehrte beim Titel von 2023 auch von den Erfahrungen und Lehren des verlorenen Playoff-Finals von 2021 gegen den EVZ. Gottéron ist seit dem Ende der Ära Hans Kossmann nie mehr auch nur in die Nähe einer Finalqualifikation gekommen.
Ändert sich das in diesem Frühjahr nicht, wird die Chefetage nicht noch einmal einfach zur Tagesordnung übergehen können. Bald wird Dubé nur noch Coach sein, sein bisheriger Assistent Gerd Zenhäusern steigt zum GM auf.
Dubés Vertrag läuft bis 2025, aber es ist das realistischere Szenario, dass er als Gottéron- Coach abgelöst wird, als dass er in diesem Frühjahr die ewige Titelsehnsucht Gottérons zu befriedigen vermag.