Marco Bayer: «Der ZSC ist mein Traumjob»

Nicola Berger
Nicola Berger

Im Dezember wurde Marco Bayer quasi aus dem Nichts Trainer der ZSC Lions. Im Interview erklärt der Zürcher, wie er diesen kometenhaften Aufstieg erlebt hat.

Marco Bayer Slapshot
Im Dezember wurde Marco Bayer quasi aus dem Nichts Trainer der ZSC Lions. Vier Monate später darf er sich Doublegewinner nennen. - KEYSTONE / Ennio Leanza

SLAPSHOT: Marco Bayer, ihr Leben wurde seit Ende Dezember völlig auf den Kopf gestellt. Sie coachten bei den GCK Lions abseits des Scheinwerferlichts und dürfen sich heute Doublegewinner nennen. Was ist da mit Ihnen geschehen?

Marco Bayer: Es ist schon ein bisschen surreal, fast wie im Film. Wahrscheinlich brauche ich noch ein bisschen Zeit, um zu realisieren, was da passiert ist.

Sven Andrighetto und  Marco Bayer Slapshot
ZSC-Stürmer Sven Andrighetto und Headcoach Marco Bayer nach dem Gewinn der Schweizer Meisterschaft gegen Lausanne. - KEYSTONE / Jean-Christophe Bott

Ich habe lange auf diese Chance gewartet. Und bin sehr dankbar dafür, dass ich sie erhalten habe. Dass es dann so grossartig aufgeht mit zwei Titeln, das ist die Verwirklichung eines Bubentraums.

SLAPSHOT: Sie waren als Spieler in den 1990ern zwei Mal Meister mit Kloten und holten den Titel vor zehn Jahren als Assistenztrainer mit Bern. Lassen sich die Erfolge emotional vergleichen?

Bayer: Die waren alle ziemlich ähnlich. Als Spieler hast Du einen grösseren Anteil, denke ich. Aber als Trainer beobachten zu können, wie ein Plan aufgeht, wie die Jungs sich zu Helden machen: Das ist absolut wundervoll.

SLAPSHOT: Sie mussten 52 werden, um in der National League Cheftrainer zu werden. Hatten Sie den Glauben schon ein bisschen verloren?

Bayer: Überhaupt nicht. Ich glaube an das Schicksal. Und war tief überzeugt davon, dass die Chance irgendwann kommt. Bis es so weit war, habe ich meinen Rucksack gefüllt. Ich will nicht jammern, aber Schweizer Trainer haben es nicht so einfach.

Marco Bayer Slapshot
Marco Bayer hat das Traineramt bei den ZSC Lions nach dem Rücktritt von Marc Crawford Ende Dezember 2024 übernommen. - IMAGO/Mediafab.ch

Dabei machen wir es nicht schlechter. Diese Saison war in dieser Hinsicht sehr wertvoll. Nicht nur wegen mir. Sondern auch, weil Lars Leuenberger mit Fribourg-Gottéron viele Spiele gewinnen konnte. Das war ein starkes Signal.

SLAPSHOT: Sie folgten Ende Dezember auf den zweifachen Meistertrainer Marc Crawford, der aus gesundheitlichen Gründen nicht weiterarbeiten konnte. Eine sehr anspruchsvolle Konstellation.

Bayer: Marc gehörte zu den ersten, die mir gratuliert haben, das hat mich sehr gefreut. Selbstredend hat er grossen Anteil an unseren zwei Titeln, er hat eine hervorragende Basis gelegt. Die Situation war tatsächlich nicht einfach. Ich fiel aus allen Wolken.

Über Nacht einen Meister übernehmen, der in der Tabelle oben steht – da kann man als Neuer fast nur verlieren. Aber andererseits konnte ich so eine intakte Top-Mannschaft übernehmen, das ist auch nicht selbstverständlich.

SLAPSHOT: Sie arbeiten seit vielen Jahren mit einem Sportpsychologen sowie einem Mentor zusammen, die sie beide aus der eigenen Tasche bezahlen. Das ist ein beträchtliches Investment, wenn man Assistenztrainer der SCL Tigers oder von Rapperswil ist.

Bayer: Ohne diese Leute wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Man muss etwas investieren, wenn man weiterkommen will.

Gerade als Coach ist es wichtig, Leute um sich herum zu haben, die eine Aussenperspektive einnehmen können. In unserem Metier ist die Gefahr gross, dass man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht.

SLAPSHOT: Ändert sich die Work/Life-Balance, wenn man die ZSC Lions übernimmt?

Bayer: Auf jeden Fall. Mir war klar, dass das die Chance ist, die ich packen muss. Also willst Du nichts dem Zufall überlassen. Das ist stressig, man schläft wenig und macht sich viele Gedanken. Aber manchmal ist weniger mehr.

Ich habe mir bewusst immer wieder Zeit für mich genommen. Jeden Tag ein paar Stunden, in denen ich das Eishockey bewusst ausgeblendet habe. Anders geht es nicht, sonst bewegst du dich ziemlich schnell in Richtung Burnout.

Marco Bayer Slapshot
Mit Headcoach Marco Bayer konnten die ZSC Lions die Schweizer Meisterschaft und die Champions Hockey League gewinnen. - IMAGO/Mediafab.ch

Mir hat da die Erfahrung geholfen. Und natürlich auch der überragende Coaching-Staff. Trainer zu sein ist alles andere als eine One-Man-Show. Auch wenn sich das punkto Öffentlichkeit vielleicht auf eine Person konzentriert.

SLAPSHOT: Ist es einfacher, den ZSC zu trainieren als Coach der GCK Lions zu sein? Weil beim ZSC fast nur gestandene Spieler unter Vertrag stehen?

Bayer: Nein, ist es nicht. Der Druck und die Erwartungshaltung sind gross. Bei GCK geht es darum, Spieler auszubilden, da sind die Resultate weniger wichtig. Das kann man nicht vergleichen.

SLAPSHOT: Yannick Blaser war bei GCK ihr Captain, nach der Verletzung von Dario Trutmann wurde er beim ZSC mit 36 im letzten Jahr der Karriere plötzlich Stammspieler. Gewissermassen sind Sie beide ähnlich unverhofft Meister geworden.

Bayer: Ich kenne Yannick schon aus meiner Zeit in Langnau und würde sagen, dass unsere Beziehung ziemlich eng ist. Es freut mich extrem, dass er sich so verabschieden konnte – was für eine Geschichte. Er war in den Playoffs ein wichtiger Spieler für uns.

SLAPSHOT: Sie haben ihren Vertrag schon im Januar um zwei Jahre verlängert – ohne zu wissen, ob Sie beim ZSC bleiben können oder zu den GCK Lions zurückkehren. Wieso dieser frühe Entscheid?

Bayer: Für mich war es ein Bekenntnis zur ZSC-Organisation. Es gibt da eine gegenseitige Wertschätzung und wir stehen für die gleichen Werte. Der ZSC ist ein Traumjob, keine Frage. Dieses Set-Up mit den GCK Lions ist überragend.

Die DNA und Spielidee der Organisation sagen mir zu. Es soll schnelles, intensives, Scheibenbesitz-Hockey gespielt werden. Warum sollte ich da wechseln?

SLAPSHOT: Es ist 30 Jahre her, seit mit Kloten ein Team drei Mal in Folge Meister werden konnte. Hat der ZSC das Zeug zur Dynastie?

Bayer: Auf jeden Fall. Auf der Busfahrt zurück aus Lausanne nach dem letzten Sieg haben die Jungs schon davon zu reden begonnen, nächstes Jahr wieder angreifen zu wollen. Das zeigt mir, wie viel Hunger weiterhin in dieser Mannschaft steckt.

ZSC Loins
Es hat viele Winnertypen in der Mannschaft, sagt Headcoach Marco Bayer. - IMAGO/Mediafab.ch

Es hat sehr viele Winnertypen in diesem Team, die darauf brennen, die Extra-Meile zu gehen. Es ist eine Truppe mit reichlich Erfahrung. Mit Führungsspielern, die wissen, was zu tun ist, damit man in den Playoffs ein Brikett nachlegen kann.

Und was man auch sagen muss: Wir hatten wenige Verletzte. Unser Athletiktrainer Mattia Stendahl hat die Belastungssteuerung optimiert.

SLAPSHOT: Also brauchte es keine Motivationstricks während den Playoffs?

Bayer: Das ist bei dieser Mannschaft nicht nötig. Gegen Lausanne ohnehin nicht. Diese zwei Mannschaften haben in den letzten zwei Jahren 21 Mal gegeneinander gespielt, da gibt es nicht mehr viele Geheimnisse. Wir wussten, was wir tun müssen, um Erfolg zu haben.

Über Marco Bayer

Geboren: 20. September 1972. Erlernter Beruf: Maurer

Bisherige Stationen als Trainer: ZSC Lions, GCK Lions, U20-Nationalmannschaft, Schweizer Nationalmannschaft (Assistent an den WM 2021 & 2022), SCL Tigers (Assistent von Heinz Ehlers), SC Bern U20, SC Bern (Assistenztrainer von Lars Leuenberger beim Meistertitel von 2016), EHC Kloten U20 & U17, SC Rapperswil-Jona Lakers (Assistent von Christian Weber).

Erfolge als Trainer: Meister und Champions-League-Sieger mit den ZSC Lions 2025, Meister mit dem SC Bern 2016.

Stationen als Spieler: SC Langnau, Rapperswil-Jona Lakers, HC Ambrì-Piotta, HC Davos, EV Zug, EHC Kloten, Zürcher SC, EHC Chur, EHC Dübendorf.

Erfolge als Spieler: 2x Schweizer Meister mit Kloten (1995, 1996), Spengler Cup-Sieger mit Davos 2000, NLB-Champion mit Chur 1991.

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