«Und dann vergisst man auch, wenn man mal zu viel arbeitet»

SLAPSHOT
SLAPSHOT

Fast 20 Jahre ist es her, seit Cedric Borga seine Karriere als Schiedsrichter gestartet hat. Was einst aus Zufall begann, ist eine leidenschaftliche Beziehung.

Cedric Borga
Fast 20 Jahre ist es her, dass Cedric Borga seine Karriere als Schiedsrichter gestartet hat. - KEYSTONE/Alessandro della Valle

SLAPSHOT: Wann und wie sind Sie zum Schiedsrichterwesen gekommen?

Cedric Borga: Ich habe 2005 als Schiedsrichter angefangen, und zwar zufällig. Ich litt mit 18 Jahren an einer Diskushernie, lag im Spital und musste mich stationär einer Infiltration unterziehen.

Ich blieb aus diesem Grund zwei Wochen im Spital, absolvierte auch Physiotherapie und irgendwann erhielt ich da einen Brief von meinem Klub, dem HC Münchenbuchsee, der Schiedsrichter suchte.

Weil ich zuvor bereits relativ starke Schmerzen hatte, machte ich mir meine Gedanken und fragte mich, ob ich in Zukunft noch Sport treiben, Eishockey und Tennis spielen kann.

SLAPSHOT: Und dann?

Borga: Ich dachte, dass auch Schiedsrichter etwas für mich sein könnte, da ich mich schon als Spieler für die Regeln interessiert hatte.

Ich war auch bei den Junioren oft Captain oder Assistent, weil ich die Regeln verstand und zudem mit den Schiedsrichtern gut auskam.

Schiedsrichter
Zwei Fans als Schiedsrichter verkleidet. - PostFinance/KEYSTONE/Til Buergy

Ich absolvierte schliesslich einen Einsteigerkurs, pfiff ein Jahr im Nachwuchs und wurde relativ schnell auch bei den Aktiven eingesetzt, konnte gewisse Förderungen geniessen und kam relativ schnell vorwärts.

SLAPSHOT: Haben Sie selber auch Eishockey gespielt?

Borga: Das habe ich noch bis 28 gemacht. Ich spielte eigentlich immer in der 3. Liga, in der zweiten Mannschaft unseres Klubs. Doch meine Priorität legte ich aufs Schiedsrichterwesen. Ich spielte nur selber wenn ich keinen Einsatz als Schiedsrichter hatte. Und so ging es als Unparteiischer relativ schnell vorwärts.

SLAPSHOT: Haben Sie diesen Weg positiv in Erinnerung?

Borga: Sicher, ja. Ich hatte früh Förderer, Patric Sigrist (heute Ligaleiter in der Zentralschweiz) schaute auf die Talente, brachte sie weiter. Ich kam dann schnell von der 4. in die 3. und als Springer in die 2. Liga und fühlte mich auf diesem Weg immer gut begleitet, es hat Spass gemacht.

Pascal Hungerbuehler
Schiedsrichter Pascal Hungerbuehler im Austausch mit dem Zuger Jan Kovar. - PostFinance/KEYSTONE/Philipp Schmidli

Zudem war ich damals noch Student und so war das Sackgeld selbstverständlich ebenfalls willkommen. Gleichzeitig brachte dieses Engagement aber auch Verpflichtungen mit sich, so dass ich meine Studentenzeit vielleicht nicht in dem Ausmass genossen habe, wie es andere heute machen. Am Freitag, Samstag und Sonntag war ich auf dem Eis und weniger im Ausgang.

SLAPSHOT: Was haben Sie denn studiert?

Borga: Zuerst Mathematik, Informatik und Physik in Bern. Im vierten Jahr wurde mir dann eine Mathe-Prüfung zum Verhängnis. Ich legte ein Zwischenjahr ein, in dem ich ein paar Sportvorlesungen zum Beispiel rund um Trainingstheorie, Sportpädagogik und Sportpsychologie besuchte.

Ein Jahr später habe ich mich dann für BWL eingeschrieben und dieses Studium auch mit dem Master in Finance und Accounting abgeschlossen.

SLAPSHOT: Was arbeiten Sie heute?

Borga: Ich bin von der Swiss Ice Hockey Federation in einem 100-Prozent-Pensum angestellt. Ich arbeite zu 70 Prozent als Schiedsrichter und zu 30 Prozent in der Ausbildung für die Amateurliga, wo ich die drei Regionen koordiniere, damit die Ausbildung überall gleich abläuft, dass wir dieselben Strukturen haben. So bin ich im Moment für die regionenübergreifenden administrativen Tätigkeiten zuständig.

SLAPSHOT: Das tönt intensiv. Wie viele Spiele leiten Sie denn selber?

Borga: Gleich viele wie alle anderen Profis, den Rest packe ich irgendwo dazwischen. Aber es macht Spass, es ist meine Leidenschaft, seit ich 18 bin. Und dann vergisst man auch, wenn man mal viel zu viel arbeitet (lacht).

SLAPSHOT: Können Sie auch von Synergien profitieren?

Borga: Man lernt in diesen Tätigkeiten Dinge für sich selber. Beispielsweise den Umgang mit Menschen, Flexibilität oder auch Problemlösung, wobei mir da sicher auch meine studentische Vergangenheit hilft.

Innerhalb der Profi-Gruppe von uns Schiedsrichtern bekleiden wir alle auch noch eine so genannte Officer-Rolle, und da bin ich der «Officer of Rules», kümmere mich um die ganzen Reglemente und Regeln.

Eishockey
Neben de Spielleitung ist Cedric Borga auch «Officer of Rules». Er kümmert sich um die ganzen Reglemente und Regeln. (Symbolbild) - Pixabay

Es ist für die Einsätze auf dem Eis natürlich hilfreich, wenn man das Regelbuch fast vor- und rückwärts durchkämmt – und da kommt mir meine analytische Fähigkeit zugute.

SLAPSHOT: Hilft es Ihnen als Schiedsrichter aus dem Spitzensport dabei, die Probleme in den Amateur Leagues zu verstehen, dass Sie diesen Weg selber ebenfalls absolviert haben?

Borga: Es ist sicher hilfreich, auch wenn mein Weg damals schnell vorwärts führte. Aber auch ich musste meine Lehren ziehen.

«Ich bin von der Swiss Ice Hockey Federation in einem 100-Prozent-Pensum angestellt. Ich arbeite zu 70 Prozent als Schiedsrichter und zu 30 Prozent in der Ausbildung für die Amateurliga, wo ich die drei Regionen koordiniere, damit die Ausbildung überall gleich abläuft, dass wir dieselben Strukturen haben», sagt Cedric Borga.

SLAPSHOT: Das heisst?

Borga: Ich war im Verhältnis lange in der 1. Liga tätig, weil ich nie den 5-Kilometer-Lauf schaffte, den es brauchte, um in den Leistungssport zu kommen. Irgendwann muss man sich entscheiden, ein Leben lang in der Amateurliga weiterzumachen oder etwas dafür zu tun, um den Test zu bestehen.

In der heutigen Gesellschaft ist es ja doch tendenziell leider eher so, dass man schneller aufhört, wenn es nicht nach Wunsch läuft.

SLAPSHOT: Wie meinen Sie das?

Borga: Wir hatten früher Instruktoren, welche uns Schiedsrichtern nur sagten, wann wir etwas falsch gemacht haben, ohne zu erklären, warum man nicht spielt oder eine höhere Liga nicht erreicht.

Heute wird von den Schiedsrichtern viel transparentere Kommunikation erwartet. Mittlerweile sind wir auch in der Amateurliga sehr gut aufgestellt, sind aufs Coaching eingestellt.

SLAPSHOT: Was macht in Ihren Augen einen guten Referee aus?

Borga: Sehr wichtig sind sicher die Regelkenntnisse. Zudem muss man natürlich Schlittschuhlaufen können. Gleichzeitig braucht es je nach Stufe eine Gewisse Fitness, um die Spiele auf einem Puls-Level zu leiten, auf dem man nicht emotional wird. Das waren die Hard Skills.

russland eishockey wm
«Man braucht aber auch Spielverständnis, Hockeykenntnisse, Verständnis für die Situation, in der sich die jeweiligen Mannschaften befinden», sagt Cedric Borga. (Symbolbild) - dpa

Man braucht aber auch Spielverständnis, Hockeykenntnisse, Verständnis für die Situation, in der sich die jeweiligen Mannschaften befinden. Solche Dinge muss man miteinbeziehen können – und da hilft sicher auch die Erfahrung.

SLAPSHOT: Was waren die Höhepunkte in Ihrer bisherigen Karriere als Schiedsrichter?

Borga: Einerseits gibt es Erfolge bei den Amateuren, wo ich relativ viele überregionale Finals leiten durfte. Das sind coole Erlebnisse. Im Leistungssport sind es die Playoff-Finals, bei denen ich als Linienrichter zum Einsatz kam.

Einsätze am Spengler Cup sind auch immer ein Erfolg, da war ich als Linienrichter dreimal dabei. Ein weiterer Höhepunkt war der Wechsel zum Head, verbunden ebenfalls mit Nominationen für den Playoff-Final und den Spengler Cup. Coole Erlebnisse gibt es auch bei internationalen Einsätzen.

SLAPSHOT: Haben Sie da ein Beispiel?

Borga: Mein erstes internationales Turnier fand in Taiwan statt. Ich war als Linienrichter dabei. Das Turnier gehörte fast der untersten Stufe an, doch es war eine sehr coole Erfahrung mit Schiedsrichtern aus Australien, Neuseeland oder Südkorea zu arbeiten.

SLAPSHOT: Was war rückblickend die grösste Herausforderung auf dem bisherigen Weg?

Borga: Eine war, dass ich drei, vier Jahre in der 1. Liga hängen blieb, weil es wie erwähnt mit dem 5-Kilometer-Lauf nicht geklappt hat. Das war etwas frustrierend. Es war ein schwieriger Moment, aber ich konnte da auch sehr viel lernen.

Und es gibt immer auch Spiele, die nicht ganz positiv laufen. Eine Challenge der heutigen Zeit sind die Kommentare in den Sozialen Medien. Kritik gehört aber zu unserem Job dazu, und wir wissen, dass wir nicht fehlerfrei sind.

Wir analysieren das alles ganz genau – und dass ich am liebsten aufhören würde, war nie der Fall. Meine Idee, mein Plan ist es, möglichst lange in diesem Bereich aktiv und am Puck zu bleiben.

SLAPSHOT: Welche Träume und Ziele verfolgen Sie da?

Borga: Eine A-WM oder Olympische Spiele zu bestreiten, wäre sicher sehr schön, wobei die WM realistischer ist. Aber auch eine U20-WM in Kanada wäre ein cooles Erlebnis. Ich bin Schiedsrichter aus Leidenschaft, der Sport war immer im Vordergrund. Das war übrigens auch schon in der Schule so.

Die wichtigsten Punkte in einer Woche waren die Trainings und Matches und nicht die Schule oder Prüfungen.

Mehr zum Thema:

Weiterlesen