ZSC Lions: Andrighetto – ein Star aus «altem Schrot und Korn»

Nicola Berger
Nicola Berger

Im Dezember 2022 bricht sich der Stürmer Sven Andrighetto das Kahnbein. Trotzdem ist er gerade MVP und Topskorer der Champions Hockey League geworden.

Sven Andrighetto  SLAPSHOT
Trotz schwerer Verletzung im Dezember 2022 schaffte es Sven Andrighetto an die WM 2024 und wurde gerade MVP und Topskorer der Champions Hockey League. - IMAGO/Andreas Haas

Im Dezember 2022 bricht sich der Stürmer Sven Andrighetto bei einem Nationalmannschaftseinsatz das Kahnbein. Seither spielt er mit einer Schiene und lange unter Schmerzen.

Trotzdem schaffte er es 2024 an die WM und ist gerade MVP und Topskorer der Champions Hockey League geworden. Sein Sportchef Sven Leuenberger hat eine Erklärung dafür.

Sven Andrighetto
Seit Juli 2020 steht Sven Andrighetto bei den ZSC Lions unter Vertrag. Bereits zwischen 2006 und 2010 stand er für den Verein auf dem Eis. - PostFinanceKEYSTONE/Ennio Leanza

«Es gibt keine Ausreden», sagt Sven Andrighetto zu Beginn des Gesprächs. Es ist diese Einstellung, mit der Andrighetto, 32, seit Jahren dem Leben begegnet.

Ganz besonders seit diesem schicksalhaften Tag im Dezember 2022, als er mit der Schweiz in Fribourg auf Tschechien traf. Und er sich das Kahnbein, ein kleiner Handwurzelknochen, brach, als ihm ein Gegenspieler in die Hand fuhr.

Für Andrighetto änderte sich im Nachgang an diese Blessur viel. Er sagt: «Es war die erste grosse Verletzung meiner Karriere. Ich liess mich für die Playoffs fitspritzen, das grösste Problem aber war, dass ich den Stock anders halten musste.

Ich brachte kaum Druck auf den Stock, die Präzision war, sagen wir, gewöhnungsbedürftig. Aber ich wusste, dass ich einen Weg finden muss. Also habe ich das getan.»

Sven Andrighetto
Trotz einer Schiene hatte Sven Andrighetto mit 31 Skorerpunkten in 40 Spielen der Saison 2023/24 grossen Anteil am Meistertitel der ZSC Lions. - PostFinance/KEYSTONE/Ennio Leanza

Die Saison 2023/24 spielt er mit einer Schiene, die ihn einschränkt. Trotzdem produziert er für den ZSC in 40 Spielen 31 Skorerpunkte und hat grossen Anteil daran, dass die Zürcher den Meistertitel holen.

Seine Darbietungen sind so gut, dass er im Mai für seine fünfte WM aufgeboten wird. Der ZSC-Sportchef Sven Leuenberger sagt: «Andrighetto ist aus altem Schrot und Korn. Er ist ein echter Kämpfer und wirklich hart im Nehmen. Seine Schmerztoleranz haben nicht viele. Es muss viel passieren, dass er sagt: Ich kann nicht spielen.»

Eine neue Schiene – und schon ist Andrighetto wieder der Alte

Auf die lange Saison 2023/24 folgt für Andrighetto ein Sommer der Tüftelei: Zusammen mit dem ZSC-Teamarzt Gery Büsser versucht er, eine Schiene zu entwickeln, die ihn nicht mehr behindert.

Das gelingt; Andrighetto sagt: «Ich spiele immer noch mit einer Schiene, aber sie stört nicht mehr. Sie geht durch die Hand hindurch und ist eigentlich eher wie ein zusätzlicher Ausrüstungsgegenstand.»

Der Effekt ist sofort zu sehen: Andrighetto gelingen in der National League 20 Treffer. Und in der Champions Hockey League schwingt er sich zum MVP und Topskorer auf – beim 2:1-Sieg im Final gegen Färjestad erzielt er beide Tore.

Sven Andrighetto
Sven Andrighetto mit dem Pokal der National League nach dem Gewinn der Meisterschaft gegen Lausanne HC. - KEYSTONE/Ennio Leanza

Er sagt: «Es ist schön, das im Palmarès zu haben. Die CHL hatte hohe Priorität für uns, und es war etwas Besonderes, den Kübel zu Hause holen zu können.» Es entschädigte auch dafür, dass sich der ZSC in der letzten CHL teilweise arg schwer tat.

Andrighetto sagt: «Ich kann mich noch an ein Spiel in Ungarn gegen Fehervar erinnern. Es war so brutal heiss, dass wir quasi auf Wasser gespielt haben.»

Für ihn schliesst sich mit dem Triumph so etwas wie der Kreis: Beim legendären ZSC-Husarenstück in der alten CHL 2009 gegen Magnitogorsk war er in die KEBO Oerlikon gepilgert, um den Final auf Grossleinwand mitzuverfolgen.

15 war er damals – und wurde begleitet von einem Teamkollegen aus der U15-Equipe des ZSC: Dean Kukan. «Schon verrückt, wie das Leben spielen kann», sagt Andrighetto.

Ein neuer Vertrag bis 2029

Seit seiner Rückkehr aus der KHL von 2020 ist Andrighetto eines der wichtigsten Aushängeschilder dieses ZSC, ein Leader auf dem Eis und in der Garderobe. Es ist schwierig, Andrighettos Grad an Identifikation für den ZSC und Zürich zu übertreffen.

Er, der das Grossmünster und den «Züri-Leu» auf seinen rechten Oberschenkel tätowieren liess. Im August hat er seinen Vertrag bis 2029 verlängert, man kann davon ausgehen, dass er seine Karriere irgendwann im ZSC beenden wird.

Er sagt: «Die Leute haben den Anspruch an den ZSC, dass er jedes Jahr Meister wird. Ich weiss nicht, ob das realistisch ist, aber wir kriegen die Voraussetzungen, damit wir es schaffen können.

Sven Andrighetto
Sven Andrighetto hat seinen Vertrag bei den Lions bis 2029 verlängert. - PostFIinance/KEYSTONE/Urs Flueeler

Wir haben jedes Jahr eine Mannschaft, mit der wir um den Titel mitspielen können. Es ist schwierig zu beschreiben, wie emotional ein Titelgewinn ist. Aber ich kann sagen, dass es süchtig macht. Ich will das unbedingt wieder erleben, und zwar so schnell wie möglich.»

Daneben bereitet Andrighetto sich langsam auf die Zeit nach der Karriere vor. Er studiert im dritten Semester Sportmanagement und Betriebsökonomie. Im Sommer 2024 half er zwei Halbtage pro Woche im Treuhandbüro seines Vaters in Bassersdorf aus.

Wobei er lachend sagt: «Ich weiss nicht, ob ich wirklich eine Hilfe war.» Im Hier und Jetzt, das haben ihm die Wochen klargemacht, ist sein Bestimmungsort weiterhin das Stadion.

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