Daniel Vozenilek: Vulkan Vozenilek

Nicola Berger
Nicola Berger

Daniel Vozenilek hat beim EV Zug voll eingeschlagen. Trotzdem stand Headcoach Dan Tangnes dem Transfer zunächst skeptisch gegenüber.

Daniel Vozenilek SLAPSHOT
Daniel Vozenilek hat beim EV Zug voll eingeschlagen. - PostFinance/Manuel Geisser

Im Herbst erreichte Daniel Vozenilek die Anfrage von Dynamo Pardubice, ob er das Team nicht am Spengler Cup verstärken möchte. Vozenilek, 28, musste nicht lange überlegen.

Zwar ist er ein Sohn der Stadt und sein Bruder spielt für die zweite Mannschaft des Klubs, aber er sagt: «Mein Klub in Tschechien ist Trinec. Es hätte sich falsch angefühlt, für Pardubice zu spielen.»

Dann ergänzt er: «Die zwei Klubs sind Rivalen. Und ich habe eine wichtige Rolle dabei gespielt, dass Pardubice zuletzt zwei Mal nicht Meister geworden ist.»

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Daniel Vozenilek im Trikot der tschechischen Nationalmannschaft. - IMAGO/Branislav Racko

Und da ist auch der Umstand, dass Pardubice nie richtig an den dort als Sprössling einer Lehrerin und eines Glasers gross gewordenen Stürmer geglaubt hat: Regelmässig musste er ausweichen mit Leihen in die zweite Liga und 2016/17 sogar mit einem Jahr in der zweiten Liga Finnlands bei Roki, dem Team aus Rovaniemi nahe dem Polarkreis, bei dem der ehemalige Kloten-Präsident Mike Schälchli heute zu den wichtigsten Geldgebern zählt.

Vozenilek sagt: «Es war verdammt kalt und fast immer dunkel, aber ein sehr lehrreiches Jahr für mich. Ich war der jüngste Spieler der Liga und begriff, was es braucht, um Profi zu sein.»

Filmreife Playoffs

In Pardubice war ihm vom Management beschieden worden, sein Skating sei zu schlecht, um Karriere zu machen. Er sagt zwar, er hege keinen Groll, aber als Motivation dient ihm die Episode schon.

Er hatte massgeblichen Anteil daran, dass der tschechische Champion 2023 und 2024 Trinec heisst. Besonders die Playoffs von diesem Frühjahr waren unvergesslich; rauschhafte Wochen des Wahnsinns.

Trinec gewann alle drei Serien mit 4:3-Siegen. Im Halbfinal gegen Sparta Prag gelang der Ausgleich in Spiel 6 erst 0,2 Sekunden vor Schluss und wurde erzielt durch… Vozenilek. Die Belle entschied das Team in der vierten Verlängerung für sich.

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Der EV Zug ist die sportliche Heimat von Daniel Vozenilek (l.). - keystone

Es war das erste Mal in der Geschichte der Extraliga, dass eine Mannschaft einen 0:3-Rückstand noch drehte. Im Final gegen Pardubice musste Trinec ohne diverse verletzte Top-Spieler auskommen, und auch Vozenilek konnte nur dank schmerzstillenden Spritzen auflaufen.

Dennoch siegte Trinec in Spiel 7 auswärts in der zweiten Overtime. Stoff für ein grosses Sportdrama, das dachten sich auch tschechische Filmproduzenten: Die Geschichte wird aktuell verfilmt.

Für Vozenilek folgte kurz darauf der nächste Höhepunkt: Er holte in Prag Gold an der Heim-WM. Und danach reifte in ihm die Erkenntnis, dass es Zeit wird für eine Veränderung, weil es unmöglich ist, das Erlebte zu toppen.

Er hoffte auf einen Wechsel in die NHL, aber der erhoffte Ein-Weg-Vertrag wurde nicht offeriert. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der EV Zug in Person des Sportchefs Reto Kläy bereits monatelang um ihn bemüht.

Trinec wollte ihn begreiflicherweise nicht abgeben und änderte die Meinung erst, weil Vozenilek: a) quasi um die Freigabe bettelte, b) eine Ablösesumme floss und der Stürmer, c) vertraglich verpflichtet ist, zur Saison 2026/27 nach Trinec zurückzukehren.

Daniel Vozenilek
Für Daniel Vozenilek bleibt die NHL ein Ziel für die Zukunft. - keystone

Sein Vertrag dort ist nicht aufgelöst, sondern nur sistiert. Vozenilek war der Wechsel so wichtig, dass er die Hälfte der für den Transfer nötigen tiefen sechsstelligen Summe selbst bezahlte.

Und das obwohl er in Zug kaum mehr verdient als in Trinec. Er sagt: «Ich will mich verbessern und brauchte eine neue Herausforderung». Noch vor vier Jahren hatte er in der zweiten Liga bei Litomerice gespielt. Man kann verstehen, dass er jetzt keine Zeit mehr verschwenden will.

Nachdem ihn Kläy per Facetime-Anruf eine Tour durch die mondäne Zuger Infrastruktur gab, unterschrieb er für zwei Jahre. Da die KHL aufgrund des russischen Angriffskriegs keine Option gewesen sei, habe er in die Schweiz gewollt; die National League sei für ihn die beste Liga Europas.

Der meistgehasste Spieler der Liga?

Für den EVZ hat sich Vozenilek als absoluter Glücksgriff entpuppt. Er bereichert die Mannschaft mit seinen 1,9 Metern und 98 Kilo um jenes Sandpapier-Element, welches dieser seit dem Abgang von Justin Abdelkader gefehlt hat.

Und neben aller Wasserverdrängung und Einschüchterungspotenzial ist der Tscheche auch ein gefürchteter Skorer. Im Oktober traf er in elf Spielen in Folge und stellte damit einen Klubrekord auf.

Daniel Vozenilek
Den Puck hat Daniel Vozenilek (r.) fest im Blick. - PostFinance/KEYSTONE/Philipp Schmidli

Der Trainer Dan Tangnes sagt über ihn: «Als wir zum ersten Mal über ihn diskutierten, war ich skeptisch. Er bringt sehr viele Qualitäten mit. Aber ich wusste nicht, ob er schnell genug ist für diese Liga. Ist er offensichtlich schon.

Er ist ein enormer Gewinn für unsere Mannschaft. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er bei den Gegnern der meistgehasste Spieler der Liga ist.»

«Ich hoffte auf einen Wechsel in die NHL, aber der erhoffte Ein-Weg-Vertrag wurde nicht offeriert», sagt Daniel Vozenilek.

Vozenilek provoziert oft und gerne; wenn er auf dem Eis steht, passiert eigentlich meistens etwas. Fernab des Rinks ist er dagegen ein ruhiger, fast schüchterner dreifacher Familienvater.

Schon mit 21 gründete er mit seiner Partnerin eine Familie, nachdem ihm Teamkollegen dazu geraten hatten. «Sie klagten darüber, dass sie mit Mitte 30 nicht mehr genug Energie für die Kinder hätten und ständig müde seien. Ich wollte vermeiden, dass mir das auch passiert», sagt Vozenilek.

Daniel Vozenilek
Für den EV Zug traf Daniel Vozenilek in elf Spielen in Folge und stellte damit einen Klubrekord auf. - KEYSTONE/Urs Flueeler

Vielleicht ist es auch diese Balance, die den kräftigen Angreifer so unwiderstehlich macht. Die Frage ist, ob er im Sommer erneut aus einem laufenden Vertrag heraus weiterziehen könnte – dieses Mal in Richtung NHL.

Tangnes sagt: «Er ist gross, stark, beweglich und skort. Was will man mehr? Er der Prototyp eines NHL-Flügels.» Darauf angesprochen zieht Vozenilek die Schultern hoch und sagt, die NHL bleibe sein Ziel, das sei aktuell aber alles weit weg.

Zunächst will er versuchen, mit dem EVZ eine ebenso geschichtsträchtige Saison zu erleben wie zuletzt mit Trinec.

Was wir über den Abschied von Dan Tangnes und dessen Nachfolger wissen

Ende November gab Dan Tangnes bekannt, dass er den EV Zug zum Saisonende verlassen wird. Der 45-jährige Norweger begründete den Entscheid damit, dass er mehr Zeit mit seiner in Ängelholm wohnhaften Familie verbringen und nicht verpassen möchte, wie seine 14 Jahre alte Tochter aufwächst.

Schon vor der Saison hatte Tangnes nachdenklich gewirkt und im grossen SLAPSHOT-Interview gesagt: «Es ist eine Herausforderung. Meine Tochter wird im Herbst 14. Ich glaube, ich war bei drei ihrer Geburtstage anwesend. Vielleicht vier.

Daniel Vozenilek
Daniel Vozenilek lässt sich von den Zuger Fans feiern. - PostFinance/KEYSTONE/Philipp Schmidli

Weil es halt unmittelbar vor dem Saisonstart ist. Das ist der Preis, den man zahlt. Die Scheidungsrate in diesem Job ist hoch.» Tangnes hat die erfolgreichste Ära in der Geschichte des EVZ mitbegründet und mit den Zugern 2021 und 2022 die Meisterschaft, sowie 2019 den Cup gewonnen. In Schweden wird er seinen Ex-Klub Rögle übernehmen.

Noch wissen wir nicht, wer in Zug seine Nachfolge antreten wird. Aber man muss kein Hellseher sein, um zur Erkenntnis zu gelangen, dass der nächste Coach aus dem umfassenden Portfolio der lokalen Agentur 4Sports stammen wird.

Die Firma um die bekannten Agenten Daniel Giger und Sandro Bertaggia hat in Zug seit 2003 ausnahmslos jeden Coach gestellt: Sean Simpson, Doug Shedden, Harold Kreis und eben Dan Tangnes.

Es spricht für die Qualität der vermittelten Techniker, dass der EVZ in mehr als 20 Jahren nur vier Trainer verbraucht hat.

Über Daniel Vozenilek

Geboren: 26. Dezember 1996. Grösse: 193 cm. Gewicht: 95 kg. Vertrag: bis 2026.

Stationen: Bis 2013: Dübendorf, GCK Lions (NLB, 1. Liga, Nachwuchs). 2013 bis 2018: ZSC Lions, GCK Lions. 2018 bis 2024: EHC Biel-Bienne. Seit 2024: EV Zug. Grösste

Erfolge: Schweizermeister 2014 und 2018 mit den ZSC Lions, Cupsieger 2016 mit den ZSC Lions.

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