EV Zug: Michael Liniger – Ein Zundhölzli für neues Zuger Feuer
Im Dezember 2024 legte sich der EV Zug auf Michael Liniger als Cheftrainer fest. Er erklärt, warum er im Operationssaal hospitierte und auf Alkohol verzichtet.

Wie wappnet man sich für den wichtigsten Job seiner Trainerkarriere, für eine womöglich einmalige Chance? Michael Liniger musste sich diese Frage stellen, nachdem der EV Zug ihn bereits im Dezember 2024 als Nachfolger für Dan Tangnes zum Cheftrainer ab der Saison 2025/26 ernannte.
Liniger, 45, entschied sich im Sommer, bei der Vorbereitung neue Wege zu gehen. Mehrfach war er im Operationssaal dabei, wenn ein befreundeter Chirurg in Schaffhausen das Skalpell tanzen liess.

Er reiste in einem Flugzeug-Cockpit mit, weil es ihn interessierte, wie Piloten kommunizieren. Wie sie sicherstellen, im entscheidenden Moment bereit zu sein.
Es sind zwei Muster, die zu Liniger passen, diesem überlegten Emmentaler, der schon als Spieler immer eine auffallende Seriosität ausstrahlte. Und der wenig dem Zufall überlässt – wie sich auch jetzt zeigt.
Mit der Rochade zum Headcoach stellte er sein Leben um. Er trinkt keinen Alkohol mehr und achtet stärker auf die Ernährung. Er will seine Energie auf den Job kanalisieren und sagt, er empfinde die Umstellungen nicht als Entbehrungen: «Ich liebe meinen Beruf.»
Lernen von Tangnes – ausserhalb der Komfortzone
Es ist fast nicht möglich, eine Trainerkarriere zu planen, dafür ist das Metier zu sprunghaft. Wer sich zu lange im Windschatten bewegt, wird irgendwann vergessen. Wer sich zu früh raus in den rauen Wind wagt, läuft Gefahr, weggeweht zu werden – Christian Dubé ist ein Beispiel dafür.
Liniger hat in seiner Laufbahn als Coach viel Geduld gezeigt und sich den Rucksack satte acht Jahre lang so sehr gefüllt, als stünde eine Everest-Expedition bevor. Zwei Mal hätte er ein Team der National League übernehmen können: Einmal Kloten, dann die SCL Tigers.
Für Kloten erhielt er keine Freigabe von den ZSC Lions, deren Farmteam er betreute. Langnau sagte er ab, weil er fand, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist. Nach vier Jahren als Cheftrainer in der Swiss League bei den GCK Lions entschied er sich für den Schritt zurück ins zweite Glied und wurde Assistent von Dan Tangnes in Zug.
Es war ein Entscheid nicht ohne Risiko, Liniger traf ihn, weil er vom weit herum angesehenen Tangnes lernen wollte: «Ich wollte raus aus der Komfortzone. Und das ist geschehen. Ich bin am Anfang ziemlich auf die Welt gekommen. Dan ist ein fordernder Trainer. Aber ich habe wahnsinnig viel gelernt. Er sieht das Hockey anders als die meisten anderen Leute.»

Der Abstecher nach Zug hätte sich also schon so gelohnt. Mit der Beförderung aber hat sich das Wagnis mehr als ausbezahlt: Zug ist eine der besten Adressen im europäischen Eishockey – als Rookie erhält man nicht oft so eine Gelegenheit.
Ein Arbeitgeber mit Prestige und Potenzial. Ein Meisterkandidat. Wobei der Klub nach den Titeln von 2021 und 2022 seine Stärken äusserst kunstvoll verschleiert hat. Der Tiefpunkt war das 0:4 im Playoff-Viertelfinal gegen Davos im Frühjahr.
Es gibt viele Beispiele von Assistenten, die mit Erfolg über Nacht zum Chef aufstiegen – in der Schweiz etwa Jan Cadieux, der 2023 Servette zum ersten Meistertitel der Klubgeschichte führte. Der Pfad von Craig Berube bei den St. Louis Blues war 2019 identisch.
Und doch fragt man sich, ob das funktionieren kann: Wenn einer nach zwei Jahren als Zudiener des Headcoachs plötzlich Chef wird. Liniger nippt an einer Cola Zero und sagt: «Es hat sich eigentlich nicht viel geändert, ausser dass ich jetzt mehr vor der Mannschaft spreche.»

Er adressiert das Team meist auf Englisch. Es sei denn, er muss sich etwas besonders Bedeutsames von der Seele reden, dann redet er Berndeutsch. Seit er Cheftrainer geworden ist, kam das bereits vor.
«Daniel Vozenilek hat kein Wort verstanden, aber er kam danach zu mir und hat gesagt, er habe die Botschaft begriffen. So ist das manchmal, wenn etwas tief aus dem Herzen kommt», sagt Liniger.
Mani Matter und das Zundhölzli
Das geschieht dann, wenn sich der EVZ zu sehr von der Idealvorstellung seines Trainers entfernt. Liniger sagt, in seinem Kopf habe er ein Bild entwickelt, wie das Team aussehen sollte. Welches Hockey es spielt, welche Charakteristika es erkennen lässt.
Vollumfänglich verwirklichen können wird er die Imagination vermutlich nie – es gibt im Eishockey keine Perfektion. Doch der Orientierung ist es zuträglich, wenn klar ist, wohin man will.
Der Mannschaft soll das helfen, jene Konstanz zu finden, die sie seit 2022 oft vermissen liess. Auch Liniger sagt: «Letztes Jahr war der Unterschied zwischen unserer A-Leistung und unseren schlechtesten Abenden enorm. Das müssen wir ändern, wir haben den Anspruch, einen gewissen Grundstandard immer zu erreichen.»
Der Trainer sagt auch, dass er nach den durchzogenen letzten zwei Jahren in der Mannschaft neuen Hunger ausmache. Und rund um den Klub «eine grosse Erwartungshaltung».

Das schmähliche Aus gegen den HCD hat im EVZ eine halbe Staatskrise ausgelöst, das Ausländertrio Carlsson/Hansson/Olofsson wurde aus laufenden Verträgen heraus verabschiedet. Mit den Stürmern Dominik Kubalik und Tomas Tatar bediente sich Zug im Sommer auf dem Transfermarkt im Luxussegment.
Der Auftrag an Liniger ist klar: Er soll den EVZ wieder in die Elite führen, möglichst schnell zum vierten Meistertitel der Klubhistorie. Liniger weiss darum, er scheut die Herausforderung nicht, sagt aber auch: «Wir dürfen nicht vergessen, woher wir kommen. In den letzten drei Jahren haben uns andere Vereine ein- und überholt.»
Damit sich das ändert, hat der EVZ die Saison unter das Motto «Zundhölzli» gestellt. Weil man «Go Big or Go Home» und all die anderen vertrauten Mantras schon so oft gehört hat, dass sie jegliche Bedeutung verloren haben.

Mit dem einst vom Berner Barden Mani Matter besungenen Zundhölzli will der EVZ das Feuer in und um den Verein neu entfachen. Besonders hell soll es im April lodern, in den Playoffs.
Die Kunst, im entscheidenden Moment bereit zu sein, hat Liniger ja im Sommer 2025 noch einmal ausgiebig vertieft.














