ZSC Lions: Vinzenz Rohrer – Die Suche nach der Leichtigkeit
Die Montreal Canadiens schickten Vinzenz Rohrer zurück nach Zürich – beim ZSC soll er sich den letzten Schliff holen. SLAPSHOT sprach mit dem 21-Jährigen.

Als Sven Leuenberger im Sommer gefragt wird, wie er die Chancen einschätzt, dass Vinzenz Rohrer noch einmal nach Zürich zurückkehrt, sagt der Sportchef: «Das ist die Million-Dollar-Frage.»
Die Replik sagte zweierlei aus: Leuenberger, der erfolgreichste Schweizer Eishockey-Manager der Playoff-Ära, weiss und kann viel. Aber Hellsehen gehört noch nicht dazu. Und es zeigt auch, welche Bedeutung Leuenberger dem 21-jährigen Österreicher beimisst.
Mit seiner wirbligen, intensiven Spielweise und seiner lebensbejahenden Art war Rohrer ein integraler Teil der Meistermannschaften 2024 und 2025 gewesen.
Doch die Montreal Canadiens lockten, jene Organisation, die Rohrer 2022 in der dritten Runde an 75. Stelle gedraftet hatten. Ihn, diesen 1,79 Meter grossen, schmächtigen Lockenkopf aus Vorarlberg.

Im Sommer nahmen die Canadiens Rohrer für drei Jahre unter Vertrag – in der NHL würde der Jüngling nun 950'000 Dollar pro Saison verdienen.
Doch so weit ist es noch nicht gekommen. Rohrer wurde Ende September unerwartet früh aus dem Trainings-Camp zurück nach Zürich geschickt – der General Manager Kent Hughes gab ihm immerhin ein paar warme Worte mit auf den Weg; eine Perspektive für die nächsten Jahre.
Rohrer sagt: «Der Plan ist, dass sie irgendwann mit mir rechnen. Aber das ist alles leistungsabhängig. Wenn ich keine gute Saison spiele, dann ist eh alles egal.»
Buddhistische Meditationen und spirituelle Lektüre
Man muss über Rohrer wissen, dass es auf dieser Welt vermutlich nicht viele so reflektierte 21-Jährige wie ihn gibt. Er ist ein erstaunlicher junger Mann mit vielen Interessen, Ideen und Überzeugungen.
Zu Hause spielt er auf seinem eigenen Klavier. Er übt sich täglich in der buddhistischen Meditationstechnik «Vipassana».

Er liest viel – aktuell «Jetzt – die Kraft der Gegenwart» des deutschen Spiritualisten und Bestsellerautoren Eckhart Tolle. Kurz: Er ist keiner, der unter dem Anita-Weyermann-Syndrom («Gring ache u seckle») leidet.
Eher im Gegenteil, es kann vorkommen, dass er sich zu viele Gedanken macht. In den ersten elf Spielen nach der Rückkehr aus Übersee gelang ihm kein einziger Skorerpunkt, es ist eine Durststrecke wie Rohrer sie im Profibereich noch nie durchgemacht hat.
Bisher ging es in Rohrers Laufbahn nur in eine Richtung: nach oben. Auf mitreissende Playoffs 2025 liess er danach noch eine exzellente WM folgen: Nicht zuletzt dank seinen vier Jahren qualifizierte sich Österreich erstmals seit 30 Jahren wieder für einen WM-Viertelfinal.
Unter dem Schweizer Trainer Roger Bader wächst im österreichischen Eishockey eine junge, aufregende Generation heran. Die vielleicht sogar reif ist für eine Medaille, mittelfristig? «Davon sind wir noch weit entfernt», sagt Rohrer lachend.
Er hat seine Heiterkeit nicht verloren, doch im Vergleich zum Frühjahr scheint die Leichtigkeit weit weg.

Wie kommts? Rohrer holt Luft und sagt: «Ich kann darauf keine einfache Antwort geben. Vieles geschieht unterbewusst.
Vielleicht ist es die Enttäuschung darüber, dass es noch nicht für die NHL gereicht hat. Aber ich versuche, gleich glücklich zu sein und Spass zu haben.»
Auch Rohrer erstaunte, wie schwer sich der ZSC im Frühherbst teilweise tat. Im Oktober verlor der Meister wettbewerbsübergreifend acht Spiele in Serie. Rohrer sagt: «Als Mannschaft versucht man, nicht genügsam zu werden nach zwei so wunderbaren Jahren.
Aber es ist nicht immer einfach, wir sind schliesslich alle auch nur Menschen.» Und er sagt auch: «Für mich ist es das erste Mal, dass wir beim ZSC in einer Situation stecken, in der wir eigentlich nicht sein möchten. Ich glaube, dass wir daran wachsen werden.»
Auch Rohrers Ladehemmung wird irgendwann verschwinden. Er vereinigt zu viel Rasanz und Qualität in seinem Spiel als dass sie mehr sein könnte als eine Anomalie. Seine Teamkollegen loben seine ansteckende Positivität, den Arbeitseifer.

Und tatsächlich investiert Rohrer viel in seinen Körper, in seine Karriere. Regelmässig lässt er sich in der Praxis seiner Mutter im Fürstentum Liechtenstein mit elektromagnetischen Wellen behandeln.
Alkohol trinkt er praktisch nie. Von den Mitspielern musste er sich hier und dort Sprüche anhören, insbesondere an der Meisterfeier 2024. Doch Rohrer sagt: «Alkoholkonsum hat mich lange Zeit schlicht nicht gereizt.
Viele Eindrücke aus Montreal
Rohrer hatte ohnehin eine andere Jugend als viele seiner Weggefährten aus Rankweil, einem verschlafenen Dorf neben Feldkirch. Er ist der Sohn des ehemaligen Tennisprofis Stefan Lochbichler.
Als er 12 war, kaufte sich die Familie ein Wohnmobil, damit der Sprössling auf dem Weg zum und vom Training in Zürich seine Hausaufgaben auf der Strasse erledigen konnte.

Einer seiner ersten Trainer in der GCK/ZSC-Nachwuchsorganisation war Claudio Micheli. Er ordnete der Karriere früh vieles unter.
Inzwischen ist Zürich seine zweite Heimat, er mag den Zürichsee, das hat den Abschied aus Kanada leichter gemacht.
Und mit etwas Abstand sagt Rohrer zudem: «Ich war knapp einen Monat in Montreal und habe aus dieser Zeit so viel mitnehmen können. All die Meetings, die Eindrücke und Einsichten. Es war eine Bereicherung.»
In der National League, das gaben ihm die Entscheidungsträger der Canadiens mit auf den Weg, soll er an seiner Balance arbeiten. Daran, dass er mehr Plays machen kann und nicht die ganze Energie für Laufarbeit aufwendet.
Es ist eine Anweisung, die er sich zu Herzen nehmen will. Denn klar ist: Der NHL-Traum ist nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.
Schon Marc Crawford, der im Dezember 2024 aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretene ZSC-Coach, sagte: «Sein Weg wird in die NHL führen, er hat so viel Talent.
Es ist seine Entscheidung, wann es so weit ist. Das geben immer die Spieler mit ihrer Leistung vor.» Crawford, 64, muss es wissen: Er hat 1151 Partien in der NHL gecoacht. Womöglich ist das die wahre «Million-Dolllar-Frage»: Ab wann der Wirbelwind Rohrer die NHL aufmischt.














