Können die ZSC Lions auch mit Marco Bayer Meister werden?

Daniel Germann
Daniel Germann, Nicola Berger

In dieser Ausgabe von «Pro und Contra» geben Nicola Berger und Daniel Germann Antwort auf die Frage, ob die Lions auch mit Marco Bayer Meister werden können.

Marco Bayer SLAPSHOT
Der 52-jährige Marco Bayer ist Coach der ZSC Lions. - IMAGO/dieBildmanufaktur

Ja

Von Daniel Germann, NZZ-Redaktor

Natürlich, weshalb sollte Marco Bayer das nicht können? Der 52-jährige Dübendorfer hat viel Erfahrung als Spieler, mittlerweile aber auch als Trainer gesammelt. Bevor er bei den ZSC Lions den zurückgetretenen Marc Crawford ersetzte, war er unter anderem bereits Assistenzcoach bei den SCL Tigers und dem SC Bern.

In Bern gewann er im Frühjahr 2016 an der Seite von Lars Leuenberger überraschend die Meisterschaft. Sein Konkurrent damals im Viertelfinal gegen die ZSC Lions war sinnigerweise Crawford, den er nun beerbt hat.

Natürlich, der Entscheid der Lions, auf einen noch relativ unerfahrenen Coach zu setzen, ist nicht frei von Risiko. Doch der Klub ist personell auf und neben dem Eis exzellent aufgestellt. Vom gefürchteten Meister-Blues ist in dieser Saison bisher nur wenig zu spüren.

Und sollte Bayer doch Probleme bekommen, seinen hoch dekorierten Spielern Beine zu machen, dann weiss er mit Sven Leuenberger einen Sportchef an seiner Seite, der aus seiner Arbeit in Bern und nun auch Zürich weiss, was es braucht, um Titel zu gewinnen.

ZSC Lions
ZSC Lions-Trainer Marco Bayer ist der Nachfolger von Marc Crawford. - keystone

Gleichzeitig hat Marc Crawford Bayer auch kein Team in der Krise hinterlassen, das mit Motivationsproblemen oder Verletzungssorgen zu kämpfen hat. Die ZSC Lions sind eine gut geölte Maschine. Breiter und ausgeglichener aufgestellt als die meisten ihrer Konkurrenten.

Und möglicherweise wird ihnen gerade das neue Gesicht an der Bande dabei helfen, ihr Potenzial in der entscheidenden Meisterschaftsphase auszuschöpfen. Es wäre nicht das erste Mal in der jüngeren Geschichte des Schweizer Eishockeys, dass ein Trainer mit ungewisser Zukunft im Klub den Titel holt.

Die wichtigste Aufgabe von Bayer wird es sein, als Dompteur an der Bande seine Löwen bei Laune zu halten. Der Hunger nach Titeln ist in Zürich nach einer Meisterschaft garantiert noch nicht gestillt. Dazu hat der Klub in den letzten Jahren zu viele Enttäuschungen verarbeiten müssen.

Nein

Von Nicola Berger, SLAPSHOT-Autor und NZZ-Redaktor

Nicht in dieser Saison, nicht in dieser Konstellation. Es war ein nachvollziehbarer Entscheid des ZSC-Managements um den Sportchef Sven Leuenberger, Marco Bayer zum Nachfolger des in der Altjahreswoche zurückgetretenen Marc Crawford zu berufen.

Die Argumente waren schlüssig: Ein neuer, externer Coach hätte angesichts des dicht gedrängten Spielplans nicht genug Zeit, seine Ideen zu implementieren. Bayer, 52, war seit 2023 Coach der GCK Lions – und wird für die Saison 2025/26 auf diesen Posten zurückkehren.

Er kennt die Organisation und die Spieler bestens, das macht ihn zu einem geeigneten Bewahrer von Crawfords Erbe. Bayer ist lange im Geschäft, an seinen Qualifikationen gibt es nichts auszusetzen. Aber der Job des ZSC-Cheftrainers setzt nun mal eine andere Kragenweite voraus als die bisherigen Posten des ehemaligen Nationalverteidigers: Sportchef bei den SCL Tigers, Coach der GCK Lions, U20-Nationaltrainer, Nachwuchs- und Assistenzcoach beim SC Bern.

bayer
Marco Bayer war auch bereits Trainer der Schweizer U20-Eishockey-Nati. - Swiss Ice Hockey

Ist es möglich, dass Bayer grundsätzlich das Zeug dazu hat, ein Top-Team zu übernehmen? Selbstverständlich. Das Rüstzeug ist vorhanden, der Rucksack voller Erfahrungen. Aber es wäre ein kleines Wunder, gelänge es ihm nach diesem fliegenden Wechsel, den ZSC zur Titelverteidigung zu führen.

Der Stilwechsel ist radikal: Hier der ehemalige Stanley Cup-Sieger Crawford mit seinem ihm eigenen, über Jahrzehnte erprobten Mix aus Strenge und Zuwendung, der bei Stars der Sphäre Malgin und Andrighetto anzukommen scheint. Und dort Bayer, der diese Aura des Gewinners noch nicht hat aufbauen können.

Quasi über Nacht einen Weg zu finden, sich von der Lichtgestalt zu emanzipieren – es ist die grösste Herausforderung in der Laufbahn Bayers. Es ist dem Zürcher hoch anzurechnen, wie er die Mannschaft durch den ersten Monat der Post-Crawford-Ära navigiert hat. Es war kein einfacher Seiltanz – zumal angesichts zahlreicher Absenzen.

Ende Januar spielte der ZSC teilweise nur mit drei Ausländern. Und holte trotzdem fleissig Punkte. Die grösste Hürde auf dem Weg zur Titelverteidigung aber ist der Umstand, dass der ZSC im Vergleich zu anderen Titelkandidaten wie Zug oder Bern durch die Champions Hockey League 15 zusätzliche Pflichtspiele absolviert hat. Das Mammutprogramm ist Gift für die nach einer langen und strapaziösen Saison 2023/24 nicht unerschöpflichen Energiereserven.

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