Ludovic Waebers WM-Traum
Nach einem abenteuerlichen Jahr in Nordamerika hat Ludovic Waeber in Kloten zu alter Stärke zurückgefunden und ist einer der Väter des Klotener Aufschwungs.

Zwei Goalies hat der Nationaltrainer Patrick Fischer für die «Swiss Hockey Games» in Fribourg nominiert: Den Überflieger Stéphane Charlin von den SCL Tigers. Und Ludovic Waeber, die Nummer 1 des EHC Kloten. Fischer sucht seit Jahren nach Torhütern, die das Format haben, die Altmeister Leonardo Genoni und Reto Berra zu beerben. Genoni ist 37, Berra wird im Januar 38.
Jetzt ist der Zeitpunkt, um sich als potenzieller Nachfolger in Stellung zu bringen. Waeber ist bereits 28, hat aber erst fünf Länderspiele bestritten. Er sagt, die WM sei für ihn ein grosses Ziel, schränkt aber ein: «Es gibt viele gute Goalies in der Schweiz. Alles, was ich tun kann, ist zu versuchen, mich mit starken Leistungen aufzudrängen.»

In Kloten ist ihm das bisher gelungen, in der ersten Saisonhälfte lag seine Fangquote bei knapp 91 Prozent; er hat signifikanten Anteil daran, dass der EHC nach einer sehr schwierigen Saison 2023/24 nun die positive Überraschung der Liga ist.
Mit seinen Darbietungen rechtfertigt er auch das Vertrauen des Klubs, der sich stark um ihn bemühte: Die Vereinsführung arbeitete im Sommer lange und intensiv daran, bei den ZSC Lions die Freigabe zu erwirken. Dort stand Waeber eigentlich noch im Wort, sah hinter Simon Hrubec aber keine Perspektive.
Weil auch ein Verbleib in Nordamerika kein Thema mehr war, hiess seine beste Option Kloten. Es spricht für die Fairness des ZSC, dass die dortige Chefetage zu diesem Wechsel Hand bot. Wobei es auch geholfen haben dürfte, dass die Zürcher 2023 260'000 Dollar Transferentschädigung von den Florida Panthers einnahmen.
Ein Abenteuer zum Vergessen in der ECHL
Florida verpflichtete Waeber zwar, fand aber bald kaum Verwendung für ihn. Im März schoben sie ihn zu den Florida Everblades in die drittklassige East Coast Hockey League (ECHL) ab.
«Ich bin kurz vor dem Anpfiff angekommen und konnte kein einziges Training absolvieren. Es war absurd», sagt Waeber. Kurz darauf wurde er in einem Tauschgeschäft an die Pittsburgh Penguins weitergereicht.
Auf drei Teams verteilt absolvierte Waeber in den beiden Organisationen nur 20 Partien. Genau gleich viel wie ein Jahr zuvor im ZSC hinter Hrubec in einer Saison, in der er erstmals das Gefühl hatte, zu stagnieren.
Er sagt: «Es war mental kein einfaches Jahr. Aber ich habe viel gelernt und bin reifer geworden.» Das gilt auch neben dem Eis: Waeber ist 2024 erstmals Vater geworden.
Ein Flair für Kloten – Gerber und Rüeger sei dank
Klotens Torhütersuche hatte sich vor Waebers «Ja» schwierig gestaltet; die inzwischen wieder in Deutschland bei Augsburg wirkende Sportchef-Fehlbesetzung Larry Mitchell hatte sich etliche Absagen eingehandelt: Gilles Senn, Luca Hollenstein, Philip Wüthrich und selbst der von Servette wie Sauerbier angebotene Gauthier Descloux wollten lieber nicht nach Kloten.
Waeber dagegen reizte die Herausforderung. Er sagt, er habe sich als Knirps schon für Kloten begeistert, weil ihm die Torhüter Ronnie Rüeger und Martin Gerber imponierten. Vor allem aber wollte er nicht noch einmal eine ganze Saison lang kaum zum Einsatz kommen – er sagt: «Ich bin schon 28. Ich brauche Spiele.»
Mehr als 35 Partien inklusive Playoffs hat er bisher nur einmal bestritten: 2020/21 in seiner ersten Saison in Zürich als er Lukas Flüeler verdrängte. Bei seinem Stammklub Gottéron waren es zuvor in drei Jahren jeweils nur eine Handvoll Einsätze gewesen – 2019/20 wurde er für den Spengler Cup sogar an Ambrì-Piotta verliehen, um etwas Spielpraxis sammeln zu können.
Gegen TPS Turku feierte er einen Shutout und wurde erstmals von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Denn unter Christian Dubé war er so selten berücksichtigt worden, dass es schwierig war, sein Leistungsvolumen seriös einzustufen. Waeber sagt: «Jeder möchte so viel spielen wie möglich. Aber für einen Goalie ist es wichtig, dass er einen gewissen Rhythmus hat.»

In Kloten muss er sich darum keine Sorgen machen, einen so gehobenen Status wie hier hatte er noch nie – auch in Zürich nicht, wo er vom Management und dem Anhang stets mit einer Prise Skepsis beäugt worden war.
In Kloten ist er unter dem Coach in der Goaliehierarchie klar die Nummer 1 vor Sandro Zurkirchen, der den Klub zum Saisonende nach vier Jahren verlassen wird; Kloten hat mit Ewan Huet (19, Sohn des Stanley-Cup-Sieger Cristobal Huet, Regina Pats/WHL) und Davide Fadani (23, Bellinzona Snakes) zwei junge Torhüter verpflichtet.
Der Sportchef Ricardo Schödler ist schlauerweise darum bemüht, einen Goalie aufzubauen. Denn in der Branche hält sich hartnäckig die Theorie, dass Waeber nicht nur im Nationalteam auf Routinier Berra folgt. Sondern 2026 auch bei Gottéron. «Nicht einmal ein Gedanke» sei das aktuell, versichert Waeber.
Und doch dürften die Gerüchte nicht verstummen. Erst recht nicht, wenn Waeber eine so vorzügliche Saison spielt, dass er zu einem WM-Goalie avanciert.
Über Ludovic Waeber
Geboren: 19. August 1996. Grösse: 185 cm. Gewicht: 80 kg.
Vertrag: bis 2025. Stationen: Bis 2020: Gottéron (Nachwuchs, NL). Red Ice (NLB). Ajoie (SL). 2020 bis 2023: ZSC Lions. 2023 bis 2024: Charlotte Checkers (AHL), Florida Everblades (ECHL). Wilkes-Barre/ Scranton Penguins (AHL).
Seit 2024: EHC Kloten. Grösste Erfolge: persönliche Auszeichnungen.