Pro & Contra: Reicht der Wechsel des Sportchefs?

Nicola Berger
Nicola Berger, Daniel Germann

In dieser Ausgabe von «Pro und Contra» gehen Nicola Berger und Daniel Germann der Frage nach, ob durch den Sportchef-Wechsel der SC Bern wieder auf Kurs kommt.

Martin Plüss
Seit einer guten Saison trägt beim SC Bern Martin Plüss als Sportdirektor die Verantwortung für die sportliche Linie des Klubs. - Keystone

Ja

Von Nicola Berger, SLAPSHOT-Autor und NZZ-Redaktor

Es ist irrelevant, ob man den Ende Mai entlassenen Patrik Bärtschi für einen genialen Manager hält oder nicht. Unter dem Sportdirektor Martin Plüss hatte er ohnehin wenig Einfluss und Raum zur Entfaltung – das wird beim bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht feststehenden Nachfolger nicht anders sein.

Es geht nicht darum, die ermüdende «Obersportchef und Untersportchef»-Diskussion neu zu entfachen. Die Arbeitsteilung ist sinnvoll und wird sportartenübergreifend so gehandhabt –nicht zuletzt beim einen Steinwurf von den SCB-Büros entfernten Erfolgsmodell YB.

SC Bern
Patrik Bärtschi muss den SC Bern Ende Mai 2025 verlassen. - scb.ch

Dass der SCB ein Jahr nach dem Abschied von Andrew Ebbett durch die Trennung von Bärtschi schon wieder einen neuen Sportchef suchen muss, ist verschmerzbar. Entscheidend ist viel mehr, dass der grosse Masterplan von Martin Plüss eher früher als später aufgeht.

Plüss hat nach dem desillusionierenden Aus im siebten Spiel gegen Fribourg-Gottéron sein Mantra bis zur Ermüdung wiederholt, dass man erst «ein Fundament errichten» müsse.

Nur: Eigentlich hat er von seinem Vorgänger Raeto Raffainer schon eines übernehmen können – ein Playoff-Team mit Spielern wie Marco Lehmann und Benjamin Baumgartner im Kader.

Viel weiter ist der SCB unter Plüss und dem Trainer Jussi Tapola noch nicht gekommen, noch immer wartet der Klub auf die erste gewonnene Playoff-Serie seit 2019.

Jussi Tapola SC Bern
Jussi Tapola ist Cheftrainer beim SC Bern. - SCB

Inzwischen scheint auch Plüss ein wenig von der Ungeduld gepackt – anders lässt es sich kaum deuten, dass der SCB mit dem 35 Jahre alten Sandro Zurkirchen einen vierten Torhüter unter Vertrag genommen hat.

Obwohl im Winter bereits der Zuzug des hoffnungsvollen Jünglings Christof von Burg, in Winterthur eine der Entdeckungen der SL-Saison, finalisiert wurde.

Das wirkt wie die Art von Aktionismus, in die man verfällt, wenn die Zeit drängt. Beim SCB ist das fraglos der Fall – auch Plüss wird wissen, dass er und sein Coach bei aller Geduld und Weitsicht rasch Resultate benötigen.

Es ist ein waghalsiger Spagat, an dem schon andere gescheitert sind: Kurzfristigen Erfolg zu suchen, währenddem man langfristig denkt.

SC Bern
Marc Lüthi, Geschäftsführer beim SC Bern. - keystone

Plüss profitiert davon, dass sein Ruf exzellent ist. Er gilt als smarter Vordenker mit kohärenten Ideen.

Es ist weiterhin gut möglich, dass seine SCB-Vision mittelfristig aufgehen wird – die Zuversicht seines Chefs Marc Lüthi scheint jedenfalls ungebrochen. Behält Lüthi Recht, ist der schnelle Abschied Bärtschis rasch vergessen.

Nein

Von Daniel Germann, NZZ-Redaktor

Sven Leuenberger war zwischen 2006 und dem Herbst 2015 General Manager beim SC Bern. Der Uzwiler legte in dieser Zeit die Basis für die Meistertitel 2010, 2013, 2016, 2017 und 2019.

Heute beweist er seine Fachkompetenz in derselben Funktion bei den ZSC Lions, mit denen er die beiden letzten Meisterschaften gewonnen hat. In Bern hingegen herrscht seit dem Abgang des cleveren Strategen die Beliebigkeit.

Sven Leuenberger ZSC Lions
Sven Leuenberger war zwischen 2006 und dem Herbst 2015 General Manager beim SC Bern. - keystone

Alex Chatelain, Florence Schelling, Andrew Ebbett und zuletzt Patrick Bärtschi versuchten den Klub zurück auf die Erfolgsspur zu führen.

Geworden ist daraus nichts. Seit der mächtige CEO Marc Lüthi im Herbst 2015 den Abgang Leuenbergers provoziert hatte, um den Weg von dessen jüngeren Bruder Lars an die Bande zu ebnen, sucht der einzige Koloss nach Stabilität.

Lüthi wollte nicht zwei Leuenberger gleichzeitig in führenden Positionen seines Klubs. Chatelain holte danach noch zwei Titel, bei denen er allerdings von der Vorarbeit Leuenbergersprofitierte.

Seither ist man in Bern nur schon zufrieden, wenn man einigermassen sicher die Playoffs erreicht.

Seit einer guten Saison trägt in Bern nun Martin Plüss als Sportdirektor die Verantwortung für die sportliche Linie des Klubs. Als eine seiner ersten Amtshandlungen setzte er seinen ehemaligen Klotener Teamkollegen Patrik Bärtschi in die Position des Sportchefs ein.

SC Bern
Kann der SC Bern wieder an seine erfolgreichen Zeiten anknüpfen? - keystone

Nach nur einer Saison hat Bärtschi diese Position bereits wieder niedergelegt. In der entsprechenden Medienmitteilung stand, die Trennung sei nach Gesprächen über die zukünftige Ausrichtung der Organisation erfolgt.

In diesen hätten sich unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der strukturellen und inhaltlichen Entwicklung des Klubs gezeigt.

Was genau darunter zu verstehen ist, führte weder Bärtschi noch Plüss danach konkret aus. Das legt die Vermutung nahe, dass sich die Führung in Bern nicht einigist, in welche Richtung der Tanker SCB gesteuert werden soll.

Bärtschi hatte mit dem Amerikaner Austin Czarnik immerhin einen Ausländer verpflichtet, der zum Volltreffer und Liga-Topskorer wurde.

Im Herbst verpasste es der Klub aber, den 32-jährigen Amerikaner rechtzeitig an sich zu binden. Nun setzt Czarnik seine Karriere in der kommenden Saison in Lausanne fort.

Austin Czarnik
Austin Czarnik wurde in der Saison 2024/25 Liga-Topskorer, spielt aber in der kommenden Saison für Lausanne. - PostFinance/KEYSTONE/Cyril Zingaro

Der SCB dümpelt derzeit in der Liga wie ein Ozean-Riese, dem der Antrieb ausgefallen ist. Scheinbar führungslos schlenkert der Klub hin und her.

Nur wenn der SCB endlich wieder eine klare Strategie entwickelt und diese auch mit aller Konsequenz umsetzt, kann er die einstige Rolle als Leader in der Liga wieder zurückgewinnen.

Momentan ist im Klub keine klare Linie zu kennen. Davon zeugen unter anderem die ständigen Wechsel in der sportlichen Führung. Ein Ende dieses Schlingerkurses ist nicht erkennbar.

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