ZSC Lions: Meister aller Klassen
Die Organisation der ZSC Lions hat eine Saison für die Ewigkeit hinter sich. Der ehemalige Sportchef Edgar Salis erklärt die Philosophie des Klubs.

Das Gespräch ist schon ein paar Minuten alt, als Edgar Salis so etwas wie die universale Idealvorstellung einer Sportlerkarriere skizziert: «Zuerst in die Hockeyschule, sich dann ausbilden lassen und irgendwann in der ersten Mannschaft den Goldhelm tragen. Wenn man diesen Anspruch nicht hat, verstehe ich die Welt nicht mehr.»
Plus-minus ist das die Geschichte von Sven Andrighetto, dem ZSC-Aushängeschild, das gerade die Saison seines Lebens gespielt hat.
Der 32-jährige Stürmer wurde erst als CHL-MVP geehrt. Und im Sommer dann vom Weltverband IIHF als «Spieler des Jahres» ausgezeichnet.

Andrighetto ist ein Produkt der ZSC-Nachwuchsabteilung, sammelte seine ersten Erfahrungen im Profihockey bei den GCK Lions und ist nach einer Weltkarriere (NHL, Russland) seit 2020 sehr oft der Träger des goldenen Topskorerhelms im ZSC-Kollektiv.
Salis, 55, ist ein Mann, der hinter den Kulissen dafür werkelt, dass diese Vision in der Organisation der ZSC Lions Wirklichkeit werden kann.
Der Engadiner hat im ZSC in 32 Dienstjahren schon etliche Rollen bekleidet: Er war Abwehrchef, Sportchef, Scout und seit 2020 ist er Ausbildungsverantwortlicher.
Sein Job hat sich gewandelt, er steht nicht mehr draussen im medialen Gegenwind, sondern operiert fernab der öffentlichen Wahrnehmung.

Der Job, sagt er, sei deswegen nicht weniger stressig geworden, sondern: «Anders. Du kümmerst dich um 900 Junioren. Und 1800 Elternteile.»
Es sind gigantische Zahlen, welche dabei helfen, die gegenwärtige Dominanz des ZSC zu verstehen: Die Meistertitel von 2024 und 2025, der Champions League-Triumph vom Frühjahr. Die Titelgewinne auf den Stufen U15, U17 und bei den Elitejunioren.
Acht Silberhelden wurden beim ZSC ausgebildet
Die Hausse ist zu einem wesentlichen Teil darin begründet, dass in der Schweiz niemand mehr Profispieler ausbildet als der ZSC. 2024/25 wurden 18 Eigengewächse in der ersten Mannschaft eingesetzt. Auch beim Farmteam GCK Lions waren es mehr als ein Dutzend.
Dazu kommen 29 Spieler, die bei anderen NL-Teams aktiv waren. 15 in der SL. Vier in der NHL und sechs im übrigen Ausland, von Schweden bis Ungarn.

Im Silber-Team des Nationalteams fanden sich mit Sven Andrighetto, Nicolas Baechler, Tim Berni, Kevin Fiala, Leonardo Genoni, Denis Malgin, Dean Kukan und Jonas Siegenthaler gleich acht im ZSC ausgebildete Spieler im Kollektiv – de facto ein Drittel der Mannschaft.
Es ist eine enorme Fülle an Qualität und Quantität. Und die grosse Stärke dieser Organisation, die von ihrem einzigartigen Aufbau profitiert; davon, dass sie sich dank der Unterstützung des Mäzens Walter Frey als Einzige ein Farmteam leisten kann.
Salis sagt: «GCK ist für uns Gold wert. Das Farmteamsystem funktioniert, in Nordamerika ist das ebenfalls zu sehen. Eigentlich wäre es ideal, wenn jeder NL-Klub ein Farmteam stellen könnte.
Mir ist klar, dass die Finanzierung ein Problem ist. Aber für einen jungen Spieler ist es die beste Ausbildung, wenn er früh gegen Männer spielen kann. Ich beobachte das immer wieder.»
Im ZSC ist zudem ein klarer roter Faden durch die ganze Organisation hindurch zu erkennen; eine Durchlässigkeit zwischen den Stufen – das Versprechen lautet: Wer Leistung bringt, wird befördert.

Das war grundsätzlich stets so, seit GCK vor 25 Jahren unter dem aktuellen Namen den Spielbetrieb aufnahm.
Aber nicht immer wurde die Maxime von den Trainern der ersten Mannschaft gleich leidenschaftlich gelebt – ein Negativbeispiel war diesbezüglich der Schwede Rikard Grönborg, der sich kaum je in der Küsnachter KEK blicken liess.
Doch spätestens seit der Rückkehr von Marc Crawford lebt der ZSC seine Philosophie wieder. Unter Marco Bayer wird sich das nicht ändern, wie auch? Der Coach ist ja selbst einer, der es in der Pyramide über das Sprungbrett GCK nach ganz oben geschafft hat.
Und der ZSC-Sportchef Sven Leuenberger sagt unmissverständlich: «Wenn wir uns zwischen zwei qualitativ gleichwertigen Jungs entscheiden müssen, wird unsere Wahl immer auf den eigenen Spieler fallen.»
Der Mut von Bob Hartley
Es ist ein Grundprinzip, dem man einfacher treu ist, wenn die Resultate stimmen. Salis beerbte im Januar 2009 Peter Iten als Sportchef und sagt im Rückblick selbst: «In den ersten ein, zwei Jahren fehlte mir der Mut, konsequent auf die eigenen Talente zu setzen.
Aber man braucht dafür auch den richtigen Trainer. 2011 kam Bob Hartley nach Zürich, und der scheute sich nicht, junge Spieler ins kalte Wasser zu werfen.»

Das prominenteste Beispiel war Luca Cunti, der unter Hartley quasi aus dem Nichts explodierte. Und der nun mit 36 nach SLAPSHOT-Informationen zu den GCK Lions zurückkehren könnte.
Der 2012 eingestellte Crawford zeigte ebenfalls keine Hemmungen, jungen Akteuren Vertrauen zu schenken. Was den angenehmen Nebeneffekt hatte, dass die Identifikation gesteigert wurde.
Es macht etwas mit einer Organisation, mit einer Fanbasis, wenn «einer von uns» auf dem Eis steht. Und vielleicht sogar noch das entscheidende Tor erzielt.
Salis formuliert zu diesem Thema diesen schönen Satz: «Perspektiven sind das Benzin der Jugend». Im ZSC sind sie nachweislich vorhanden, was sich herumspricht.

Das Pyramidensystem des ZSC ist im Nachwuchsbereich eine sehr gefragte Adresse, und das nicht nur für Talente aus der Region Zürich. Der Andrang ist so gross, dass die Organisation 2025/26 gleich drei U16-Elit-Mannschaften stellen wird.
Salis sagt: «Der Erfolg hat eine gewisse Sogwirkung. Für die Swiss Life Arena gilt das ebenfalls. Aber trotzdem ist es kein Selbstläufer, überdurchschnittliche Spieler zu produzieren.
Wie alle anderen Klubs auch erleben wir zwischen den Jahrgängen Schwankungen.»
Es ist keine exakte Wissenschaft, seriös vorauszusagen, wie sich Heranwachsende entwickeln – selbst die NHL-Organisationen mit ihren praktisch unlimitierten Ressourcen irren sich beständig.
Aber es klingt vielversprechend, wenn Manager Leuenberger sagt, dass die U18- und U16-Jahrgänge in seinen Augen «überdurchschnittlich gut» seien.

Mittelfristig kann der ZSC eine Blutauffrischung durchaus brauchen. Trotz den mal temporär, mal konstant beförderten GCK-Jünglingen stellten die Zürcher 2024/25 mit einem Durchschnittsalter von 29,13 das zweitälteste Kader der Liga – einzig Servette (29,85) übertraf den Wert.
Jünger wird vorerst aber vor allem die GCK-Equipe. Salis sagt: «Wir werden ungefähr 13 Spieler haben, die von ihrem Alter her auch bei den Junioren auflaufen könnten.»
Möglich, dass aus manchen von ihnen die Stars von morgen erwachsen. Die Duelle gegen die bärtigen, in der Swiss League engagierten Männer, werden einen ersten willkommenen Härtetest darstellen.