Rapperswils Rückkehrer
Nach einem Jahr in Kasachstan ist Pontus Aberg als Hoffnungsträger zu den Rapperswil-Jona Lakers zurückgekehrt. Der Schwede möchte sesshaft werden.
Am 1. Juli 2023 vermeldet Barys Astana den Zuzug von Pontus Aberg. Der Stürmer ist damit neben den Verteidigern Robin Press und Fredrik Claesson und dem Torhüter Johan Matsson der vierte Schwede in der KHL. Es dauert nicht lange, bis auf Abergs Instagram-Konto der ungefilterte Hass eintrifft: Beleidigungen, Morddrohungen, das ganze Programm.
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vom Februar 2022 sind die Meinungen vielerorts gemacht: Die von der russischen Bourgeoisie finanzierte KHL ist für nicht-russische Spieler tabu.
Praktisch in allen Ländern werden Spieler, die ihre Klubs nach Kriegsbeginn nicht verlassen haben, lange nicht mehr für die Nationalmannschaft aufgeboten. Wobei zahlreiche Nationen diese Regelung für die Olympia-Qualifikation im Spätsommer still und heimlich beerdigten, die Slowakei etwa.
Aberg wusste, dass er mit seinem Wechsel nach Kasachstan anecken würde. Er sagt: «Jeder darf seine Meinung haben, ich respektiere das.
Man kann es das Allerletzte finden, dass ich nach Astana gegangen bin, auch wenn ich meine Gründe dafür hatte. Die Nachrichten waren teilweise hart, aber ich habe versucht, sie zu ignorieren.»
Aberg sagt, er wäre 2023 gerne in Rapperswil geblieben, doch die Gespräche mit dem Klub seien ereignislos verlaufen und irgendwann habe er nichts mehr gehört. Zehn Tore und zwölf Assists hatte er für die Lakers in 22 Spielen erzielt, danach aber blieb er in der mit 2:4-Siegen gegen den EV Zug verlorenen Playoff-Viertelfinalserie blass; ihm gelang nur ein Assist.
Dieser zwiespältige letzte Eindruck dürfte seinen Chancen auf einen neuen Vertrag nicht zuträglich gewesen sein. Der Trainer Stefan Hedlund sagt: «Wir waren nicht sicher, wie konstant er spielen würde, seine Leistungen schwankten stark.
Sein Potenzial ist so hoch wie die Schweizer Berge, sein Talentlevel ist phänomenal. Aber wir brauchen ausländische Spieler, die in jeder Situation eine Vorbildfunktion einnehmen. Jetzt ist er reifer, seine persönliche Situation ist stabil. Ich bin mir sicher, dass wir viel Freude an ihm haben werden.»
14 Klubs in den letzten sieben Jahren
2023 aber zog der Stürmer weiter, man muss sagen: abermals. Seit 2017 hat er für 14 verschiedene Mannschaften gespielt – und selbst wenn man die drei AHL-Farmteams abzieht, weil er da ja technisch gesehen für den gleichen Arbeitgeber auflief, sind das noch immer elf Klubs in sieben Jahren.
Aberg spielte unter anderem in Tschechien, in Tscheljabinsk und in der Heimat. «Ich habe das nicht gesucht, sondern spiele einfach dort, wo man mich will. Aber es waren zu viele Wechsel, keine Frage», sagt er. Nicht unbedingt seinetwegen, sagt er, sondern auch wegen seiner inzwischen acht Jahre alten Tochter Molly.
Aberg wurde jung Vater, mit 23 schon. Er sagt, die Vaterschaft habe alles verändert, es sei die beste Entscheidung seines Lebens gewesen. Mit der Mutter Ellinore ist er schon länger nicht mehr liiert, die beiden trennten sich, als Aberg noch in Nordamerika engagiert war.
Um sich um Molly kümmern zu können, gibt Abergs Mutter Anette ihren Job als Massage-Therapeutin in Stockholm auf und zieht nach Übersee. Der dicht gedrängte Spielplan und die zahlreichen, teils sehr weiten und ausgedehnten Auswärtsreisen machen es praktisch unmöglich, als Alleinerziehender für ein Kind da zu sein.
«Es war für sie nicht einfach, dauernd umzuziehen. Es ist hart, wenn man sich ständig ein neues Umfeld aufbauen und die alten Freunde zurücklassen muss», sagt Aberg.
Hat er in den letzten Jahren mal mit dem Gedanken gespielt, zurückzutreten? Und einen stationären Job mit regulären Arbeitszeiten anzunehmen? Er lacht und sagt: «Nein, nein. Hockey ist meine Leidenschaft. Und das, was ich kann. Solange ich auf dem höchsten Niveau spielen kann, werde ich das tun.»
Die frühe Vaterschaft hat ihn schnell zum Mann werden lassen
Er hat es weit gebracht in diesem Sport, für jemanden, der sich als Dreijähriger weigerte, das Eis auch nur zu betreten. Aberg sagt: «Mein Vater hat Hockey gespielt und wollte mir den Sport näherbringen. Aber ich hatte zu grosse Angst. Ein Jahr später haben meine Eltern es dann noch einmal versucht, da hat es glücklicherweise geklappt.»
Er spielte als Bub auch Unihockey und Handball, den Sport seiner Mutter. Doch Hockey blieb die Nummer 1; für Aberg wurde es auch zu einer Art Lebensschule. Er sagt: «Ich konnte nicht verlieren und hatte immer wieder Wutausbrüche. Auch, wenn mir ein Mitspieler die Scheibe weggenommen hat.
Rückblickend ist mir das ein bisschen peinlich, es war für die anderen Jungs bestimmt anstrengend und nicht sonderlich angenehm. Ich wurde auch schrecklich wütend, wenn ich bei einem Brettspiel verloren habe.» Wie und wann hat sich das gelegt?
«Ich bin erwachsen geworden, schätze ich. Und die Geburt von Molly hat viel verändert. Als Vater hat man eine Verantwortung. Ich kann nach einer Niederlage nicht schlecht gelaunt nach Hause kommen und ihr den Tag vermiesen», sagt Aberg.
Was ihm auch hilft: Seit knapp einem Jahr arbeitet er mit einem Mentaltrainer zusammen, zum ersten Mal in seiner Karriere. «Wahrscheinlich hätte ich früher damit anfangen sollen. Es tut mir gut, mit jemandem zu reden, der sich ausserhalb der Hockey-Bubble bewegt und eine andere Perspektive auf die Dinge hat», sagt er.
Die Reife und Abgeklärtheit soll dabei helfen, dass Aberg längerfristig bei den Lakers bleibt. Mit ihren kurzen Wegen wirkt die Schweiz für Abergs Situation wie massgeschneidert. Molly besucht hier eine deutschsprachige Schule, Aberg sagt, er staune, wie viel Mundart sie schon verstehe.
Endlich zwei Jahre im gleichen Team?
Er will alles dafür tun, dass die junge Familie ihre Zelte am Obersee nicht 2025 schon wieder abbrechen muss. Die Lakers besitzen eine Option auf ein zweites Vertragsjahr, Aberg sagt, er wolle dem Management um den Sportchef Janick Steinmann den Entscheid so einfach wie möglich machen, die Klausel wahrzunehmen.
Aberg ist 2024 spät in Rapperswil gelandet, Mitte Juli. Die Lakers verpflichteten ihn in der Stunde der Not, nachdem ihr langjähriger Captain Roman Cervenka sie informierte, nach Pardubice wechseln zu wollen, wo er dem Vernehmen nach mit einem schwindelerregenden Lohn von marginal weniger als einer Million Franken pro Saison vergoldet worden ist.
Cervenka war für die Lakers mehr als nur ein Top skorer, er war ihr Aushängeschild, die raison d’être fast schon. Aber sie gaben seinem Wunsch statt; Reisende soll man nicht aufhalten.
Es war unmöglich, einen gleichwertigen Ersatz zu finden, schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt. Sogar Aberg sagt: «Man kann den besten Spieler der Liga nicht einfach so ersetzen.»
Aber er soll dabei helfen, den Verlust abzufedern. Funktionieren wird das nur im Kollektiv, aber eigentlich passt das ja ohnehin besser zu diesem Klub, zum Ethos der Ära des Trainers Hedlund jedenfalls.
Die Lakers waren immer dann am besten, wenn sie so leidenschaftlich und solidarisch spielten, dass es wirkte, als würden sie ihre Widersacher vom Eis arbeiten. Nur so gelang es dem Team zu kompensieren, was ihm an Geld und deswegen auch an Talent fehlt.
Abergs Format und Klasse sind unbestritten, sie lassen sich auch aus seiner NHL-Vergangenheit ablesen. Für Toronto, Minnesota, Anaheim und Nashville bestritt er 132 Partien; mit den Predators stand er 2017 an der Seite von Roman Josi, Kevin Fiala und Yannick Weber im Stanley Cup-Final. In einer elektrisierenden Atmosphäre trug er dazu bei, dass eine zuvor in der Country-Hochburg Nashville nie gesehene Euphorie ausbrach.
Letztlich mussten sich die Predators den Pittsburgh Penguins (und dem dort kaum berücksichtigen Mark Streit) mit 2:4-Siegen geschlagen geben. Aberg sagt: «Es ist bitter, dass es nicht ganz gereicht hat. Wir hatten Pech, Fiala brach sich beispielsweise den Oberschenkel. Aber es waren trotzdem Wochen, die ich nie vergessen werde.»
Die Hoffnung ist, dass Aberg bei den Lakers ähnliches Hochgefühl erleben kann. Das Erreichen des Playoff-Finals ist wenig realistisch, aber mit seinem Speed und Spielwitz soll er dazu beitragen, dass die Lakers nach einem sehr trüben Winter das Rendement von 2022/23 wiederfinden.
Aberg sagt, er sei zuversichtlich: «So gut wie in Rappi und letztes Jahr in Astana habe ich mich lange nicht mehr gefühlt.»
Es ist auch dieser Elan, dieser Drive, den Aberg bei den Lakers bestätigen will. Es würde helfen, die schwierigen letzten Jahre und die Anfeindungen aus der Zeit in Astana vergessen zu machen.
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Pontus Aberg
Geboren: 23. September 1993. Grösse: 182 cm. Gewicht: 89 kg. Vertrag: bis 2025.
Stationen: Bis 2012: Djurgardens IF (Nachwuchs, HockeyAllsvenskan, Elitserien). 2013/14: Färjestad BK (SHL). 2014 bis 2017: Nashville Predators (NHL), Milwaukee Admirals (AHL). 2017/18: Nashville Predators, Milwaukee Admirals, Edmonton Oilers (NHL). 2018/19: Anaheim Ducks, Minnesota Wild (beide NHL), San Diego Gulls (AHL). 2019/20: Toronto Maple Leafs (NHL), Toronto Marlies (AHL). 2020/21: Traktor Chelyabinsk (KHL). 2021/22: Belleville Senators (AHL), Timra (SHL). 2022/23: Mlada Boleslav (Czechia), Rapperswil-Jona Lakers (NL). 2023/24: Barys Astana (KHL). Seit 2024: Rapperswil-Jona Lakers.
Erfolge: Schwedischer Vizemeister 2014, diverse persönliche Auszeichnungen.