Die Bescheidenheit des Goalgetters
Stürmer Jakob Stukel war 2023/24 Topskorer der Swiss League und wirkt auch in diesem Herbst unterfordert. Wird das Talent des NHL-Drafts von 2016 verkannt?
Im Frühjahr 2024 löst Servette eine B-Lizenz für Jakob Stukel. Ein einziges Training absolviert der Kanadier in Genf, dann scheitert das Team als Meister und Champions-League-Sieger schon in den Pre-Playoffs. Es mag nicht mehr als ein Nebenschauplatz gewesen sein, aber für Stukel, 27, bedeutete das jähe Aus, dass das Warten auf eine Chance in der Beletage weitergeht. Obwohl er sich eine solche längst verdient hätte.
Stukel fand im Sommer 2022 nach Basel, weil sein Agent, der ehemalige SLAPSHOT -Chefredaktor Joël Wüthrich, dort domiziliert ist. Seither dominiert der kanadische Flügelstürmer die Swiss League; 2023/24 wurde er mit 31 Toren und 32 Assists aus 45 Partien Liga-Topskorer.
Devos/Hazen als leuchtendes Beispiel
Es ist eine der eigenartigsten Begebenheiten des Schweizer Eishockeys, wie wenig Wertschätzung man für erstklassige Darbietungen in der zweithöchsten Liga erfährt.
Ajoies legendäres Sturmduo Philip-Michaël Devos und Jonathan Hazen wurde von den Managern der National League sechs Jahre lang ignoriert. Obwohl jeder sah, dass sie zu gut für die SL waren. In Ajoie bewiesen sie ihre NL-Tauglichkeit auf Anhieb. Bei Jonathan Ang (heute Ambrì) war es in Thurgau ähnlich. Ein langjähriger Schweizer SL-Profi, der seine Karriere inzwischen beendet hat, sagt: «Es gibt null Scouting in der Swiss League». Das ist drastisch formuliert. Aber vermutlich nicht ganz falsch.
Stukel sagt, er versuche sich mit solchen Gedanken nicht zu lange aufzuhalten: «Klar hat jeder das Ziel, sich auf höchstem Niveau zu beweisen. Aber ich fühle mich in Basel sehr wohl und will alles dafür tun, dass wir endlich auch in den Playoffs Erfolg haben. Darauf liegt mein Fokus.»
In den letzten zwei Jahren scheiterte Basel nach sehr überzeugender Qualifikation jeweils im Viertelfinal, 2025 soll sich das ändern.
Stukel, das macht er klar, ist dankbar dafür, überhaupt Eishockey-Profi zu sein. Er wuchs als Sohn slowenischer Auswanderer in Surrey, British Columbia auf. Zur Rogers Arena, der Heimstätte der Vancouver Canucks, war es nicht weit; er begeisterte sich für die Sedin-Zwillinge und versuchte, den rauen Spielstil von deren Linienpartner Alexandre Burrows nachzuahmen.
Als die Canucks ihn im Auston-Matthews-Draft von 2016 in der sechsten Runde an 154. Stelle auswählten (fünf Stellen vor Brandon Hagel, der 2020/21 in Thurgau für Furore sorgte und inzwischen in Tampa fast einen Punkt pro Spiel produziert), ging für Stukel ein Traum in Erfüllung. Er sagt:
«Es ist eine grosse Sache, gedraftet zu werden. Und wenn dich dann noch jenes Team auswählt, für das du dich schon dein Leben lang begeisterst, dann ist wahnsinnig emotional. Ich werde diesen Moment nie vergessen. Es ist schade, dass ich es nicht bis ins Kader geschafft habe, aber so ist das Leben. Schon nur die Camps waren cool und lehrreich. Ich sah dort, was es braucht, um wirklich Profi zu sein.»
Statt NHL heisst Stukels Realität erst East Coast Hockey League (ECHL) und dann Alps Hockey League, die multinationale zweite Liga Österreichs: 2020 schloss er sich für einige Monate der VEU Feldkirch an, dem ehemaligen Klub von Ralph Krueger, weil der Meisterschaftsbetrieb in der AHL ruhte und die Spieler nicht bezahlt wurden. Eigentlich hätte ein Gastspiel in Jesenice Sinn ergeben, im Heimatland seiner Eltern. Zwei Jahre müsste er in Slowenien spielen, um für das Nationalteam auflaufen zu können.
Angesichts seiner Klasse ist das inzwischen unrealistisch – dafür darf er sich ernsthaft Hoffnungen darauf machen, im Dezember mit dem Team Canada den Spengler Cup zu bestreiten.
Noch ist Basel nicht reif für den Aufstieg
Es liegt an ihm, weiter Eigenwerbung zu betreiben. Bisher hat kaum ein Gegner ein Rezept gegen die Brillanz von Stukel und seinem kongenialen Linienpartner Brett Supinski gefunden – die beiden hatten riesigen Anteil daran, dass der EHC in der Saison 2023/24 mit grossem Abstand am meisten Tore der Liga erzielte. Supinski landete zeitgleich mit Stukel in Basel, dieser sagt über den amerikanischen Center: «Er hat ein so gutes Auge für das Spiel, dass er meinen Job stark vereinfacht.» Auch Supinskis Vertrag in Basel gilt bis 2025.
In einer idealen Welt würden die beiden es dem Duo Devos/Hazen gleich tun und sich mit ihrem Klub einfach selbst in die National League hieven. Doch dafür dürfte Basel noch nicht bereit sein, die Rückkehr ins Profi-Hockey ist ja erst zwei Jahre her. Stukel sagt:
«Dafür braucht es vermutlich noch ein paar Jahre. Aber Basel hätte ein Team in der höchsten Liga verdient. Es wird hier sehr gut gearbeitet, die Infrastruktur ist top und es begeistern sich immer mehr Leute für unseren Sport.»
2023/24 besuchten durchschnittlich mehr als 2300 Zuschauer die Spiele in der St. Jakobshalle, der Zuspruch steigt kontinuierlich. Stukel hat Land und Leute schätzen gelernt, er sagt, er liebe den Rhein, den Basler Sommer. Und geniesse auch die zur Tradition gewordenen Ausflüge an die Heimspiele des FC Basel und in den Europa Park.
Trotzdem dürfte 2025 die Zeit reif für das nächste Abenteuer sein. Sollten die NL-Teams ihn weiterhin übergehen, könnte die DEL eine Alternative sein. In den letzten Jahren sind dort immer mal wieder SL-Ausländer glücklich geworden: Der ehemalige Visper Felix Scheel spielt Champions League in Bremerhaven, der ehemalige Thurgauer Jaedon Descheneau mit dem Meister Eisbären Berlin ebenfalls.