Krein on Tour: Irgendwo im Nirgendwo?
In «Krein on Tour» besucht Eishockey-Journalist Michael Krein diesmal die WM-Stadt Herning.

«Wir sind im ersten Café rechts», lautete die WhatsApp Nachricht an den noch schlafenden Mitbewohner unseres Airbnb’s bei Rita und Peter Rasmussen, im verschlafenen Vorort Snejbjerg.
Zu Fuss wollten wir uns ein «Käfeli» genehmigen, denn die Busfahrt des Vorabends entpuppte sich als Himmelfahrtskommando. Ohne dänische Kronen und ohne Midttrafik-App, wurden wir kurzerhand aus dem Bus geworfen und landeten im Teamhotel der Norweger, wo wir per Taxi die Jyske-Bank-Boxen, zum zweiten Mal WM-Spielstätte, doch noch erreichen konnten.
Der Fussmarsch zum ersten Café rechts zog sich schliesslich, durch schmucke Gärten dänischer «Legohäuser», eine Industriezone und kleine Wälder, über fünf Kilometer. Irgendwann war der «Point-of-no-Return» erreicht.
Zeitweise, so dachten wir, müsste die Apokalypse längst gekommen sein, und wir würden als einzige Überlebende in die Geisterstadt Herning einmarschieren.

Nach anderthalb Stunden war die «Geisterstadt» erreicht und ein zunächst noch verschlafenes Treiben an der «Bredgade» (englisch Broad-Street) zauberte uns ein Lächeln auf die, nach Kaffee lechzenden, Lippen.
Joe & The Juice hiess der Laden, welcher sich als Dreh- und Angelpunkt des gesamten WM-Trosses rund um Herning entpuppte. «An dieser Kaffee-Theke müssen sie bestellen.» Ob Tim Berni, die SRF-Crew, der dänische Erfolgs-Coach Mikael Gath, der spätere Weltmeister USA, alle kamen hier vorbei, denn es gab schlichtweg nur dieses kleine, aber äusserst feine Café.
In der Zwischenzeit ist unser letzter Zimmergenosse längst losgelaufen, «rechts ins erste Café», selbstverständlich entsendeten wir unseren Standort an der Bredgade 16, im Herzen Hernings, fünf Kilometer östlich von Snejbjerg.
Nach Ankunft unseres «verlorenen Sohnes» verwandelte sich das verschlafene Treiben in ein buntes WM-Dorf. Aus Kaffeetassen wurden Bierbecher und aus Joghurtbecher wurde Fast-Food.
Die WM war überall, in ganz Herning? Nein! Ausgerechnet in der Jyske-Bank-Boxen blieb es geisterhaft, ein halbleeres Stadion erinnerte an die Gedanken der Apokalypse. «Der Däne schaut nur Dänemark», erklärte uns Rolf, ein ausgewanderter Schweizer.
Nur Deutschland gegen die Schweiz, schaute die DDR-Legende Stefan Steinbock aus Crimmitschau. Neben vier Weltmeisterschaften mit der DDR sorgte der ehemalige Stürmer von Dynamo Berlin (heute Eisbären) 1985 mit der Flucht in den Westen für Schlagzeilen.

Headlines produzierten an diesem herrlichen Nachmittag jedoch nur die Schweizer, fünfmal erklang die «Stubete-Gäng» mit dem Schweizer«Richi-Torsong». Selbst das Deutsche Kommentatoren-Duo Basti Schwele/Rick Goldmann setzte am Tag der Deutschen-Niederlage zum Richi-Tanz an.
Dieser Richi-Song schaffte es sogar, «irgendwo im dänischen Nirgendwo», einen ganzen Shuttlebus, hier ohne dänische Kronen und Midttrafik-App, nach dem ausverkauften Nachbars-Duell zwischen Dänemark und Norwegen, zum Kochen zu bringen. Irgendwo im Nirgendwo, wurde spätestens im Frühling 2025 Geschichte geschrieben.
Über Michael Krein
Michael Krein ist seit 22 Jahren als Eishockey-Journalist unterwegs. Seit 2017 kommentiert und berichtet er live für MySports. Zudem ist er wöchentlich beim Eishockey-Podcast FLIP PASS zu hören und schreibt auf eishockeyblog.ch über seine Eishockey-Erlebnisse.