ZSC Lions: Mikko Lehtonen – Ein Top-Transfer mit Vorlaufzeit

Nicola Berger
Nicola Berger

Der ZSC-Sportchef Sven Leuenberger arbeitete jahrelang an der Verpflichtung von Mikko Lehtonen und konnte den Versteidiger 2022 zu den Lions holen.

Mikko Lehtonen SLAPSHOT
Seit 2022 steht Mikko Lehtonen bei den ZSC Lions unter Vertrag. - IMAGO / Jari Pestelacci

In der Auflistung der am meisten beanspruchten Verteidiger der Saison 2024/25 findet sich Mikko Lehtonen auf Platz 20. 20:51 Minuten spielte er durchschnittlich pro Abend.

Niemand im Starensemble der ZSC Lions erhielt mehr Eiszeit; der Spitzenreiter Jesse Virtanen von Ambrì-Piotta jedoch erhielt dreieinhalb Minuten mehr Auslauf.

Es gab eine Zeit, da störten Lehtonen solche Fakten. Nachdem er 2022 nach Zürich wechselte, suchte er das Gespräch mit den Verantwortlichen, weil er sich aus der KHL und der finnischen Nationalmannschaft gewohnt war, 25 oder 26 Minuten auf dem Eis zu stehen.

Dem Sportchef Sven Leuenberger gelang es gewohnt souverän, dieses potenzielle Problem abzumoderieren, Leuenberger beschied seinem Schützling: «Die Saison ist ein Marathon, kein Sprint. Es ist wichtiger, dass du in den Playoffs frisch bist.»

Mikko Lehtonen SLAPSHOT
Mit den ZSC Lions konnte Mikko Lehtonen in der Saison 2024/25 die Champions Hockey League gewinnen. - IMAGO / Jonas Philippe

Lehtonen sagt heute: «Ich habe auf den Plan des Klubs gehört. Und das hat funktioniert.»

Der Finne stand schon früh weit oben auf der Wunschliste des Managers Leuenberger. Der sagt: «Ich habe seinen Agenten jedes Jahr mehrfach angerufen.

Aber erst ging er in die KHL, dann nach Nordamerika und dann wieder in die KHL. 2022 hat mich der Berater dann angerufen und gesagt, es sei jetzt endlich so weit. Da wusste ich gleich, was er meinte.»

Leuenberger, 56, dürfte sich selten so darüber gefreut haben, den Namen von Mikko Rautakallio auf seinem Display leuchten zu sehen – der Sohn des ehemaligen ZSC-Trainers Pekka Rautakallio (2001 bis 2003) betreut zahlreiche finnische Top-Spieler.

Leuenberger liess sich in seiner Hartnäckigkeit auch nicht davon beirren, dass er einst bereits als Sportchef des SC Bern einen Mikko Lehtonen verpflichtet hatte.

2013 war das, Lehtonen war ein NHL-erprobter Stürmer, der viel kostete und wenig brachte. Sein damaliger Agent Christoph Graf erklärte das anhaltende Formtief seines Schützlings mit dem unsterblichen Satz: «Er ist ein sehr guter Spieler, er kann es nur nicht so zeigen.»

ZSC Lions
Zigarre und Pokal: Das wurde für Mikko Lehtonen und Co. in letzter Zeit zur Normalität. - keystone

Leuenberger sagt heute: «Lehtonen war einer der grossen Transferflops meiner Karriere».

Der Angreifer wurde während der Saison nach Lugano transferiert, später tingelte er durch Ungarn, Frankreich und die zweiten Ligen Deutschlands und Finnlands. 2023 hat er seine Karriere in Kaufbeuren beendet.

Die NHL-Karriere währte nur 26 Spiele lang

Mit Lehtonen II hat Leuenberger deutlich bessere Erfahrungen gemacht. Er war eine der wichtigsten Stützen der Zürcher Meisterteams von 2024 und 2025.

«Er ist defensiv top und kann auch das Powerplay orchestrieren. Das ist eine rare Kombination, für uns ist er der ideale Hybridverteidiger», sagt der Manager.

Es ist die Fortune des ZSC, dass Lehtonen für die NHL (in der Saison 2020/21 bestritt er 17 Partien für Columbus und 9 für Toronto) mit 182 cm tendenziell ein paar Zentimeter zu klein ist.

Und dass seine Offensivinstinkte für die National League zwar für 30 Punkte genügen. Aber in der NHL eher nicht für eine Rolle im Powerplay ausreichen.

Mikko Lehtonen SLAPSHOT
Zweimal in Folge Schweizer Meister. Mit den ZSC Lions konnte Mikko Lehtonen 2024 und 2025 die Meisterschaft feiern. - IMAGO / Fabrice De Gasperis

Lehtonen selbst sagt zu seinem NHL-Intermezzo: «Ich war nicht gut genug, sonst wäre ich vielleicht immer noch dort.

Und ich hatte zu wenig Geduld. Columbus wollte meinen Vertrag verlängern, aber ich hatte keine Lust darauf, acht, neun, zehn Minuten pro Abend zu spielen. Ich will in meinem Team Verantwortung übernehmen.»

Den Transfer nach Zürich hatte Lehtonen nicht geplant. 2021 hatte er bei SKA St. Petersburg einen Vierjahresvertrag unterschrieben.

Doch nach dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine vom Frühjahr 2022 hielt ihn dort nichts mehr.

Eigentlich wollte Lehtonen den Klub sofort verlassen, doch SKA forderte eine absurde Entschädigungszahlung von fast zwei Millionen Franken.

Der Kompromiss: Lehtonen bestreitet die Playoffs, dafür wird der Vertrag nach der Saison aufgelöst.

Er tat das, wenn auch widerwillig: Finnland grenzt an mehr als 1300 Kilometern direkt an Russland, der Krieg ist dort näher als hier; es ist kein Zufall, dass kein einziger Finne mehr in der KHL engagiert ist. Auch Lehtonen sagt: «Ich würde nie wieder nach Russland zurückkehren.»

Mikko Lehtonen SLAPSHOT
Mikko Lehtonen (Mitte) im Einsatz für das finnische Nationalteam. - IMAGO / Pasi Suokko

Jokerit Helsinki, Lehtonens vormaliger Arbeitgeber, trat 2022 sofort aus der KHL aus – und spielt heute in der Mestis, der zweithöchsten finnischen Liga.

Waltteri Immonen, der ehemalige Assistenzcoach von Davos und Zug, wirkt heute in der gleichen Funktion beim langjährigen Krösus des finnischen Eishockeys.

Auch ein Jokerit-Comeback Lehtonens wird es heute und morgen nicht geben: Kurz vor dem Saisonstart verlängerte er seinen Vertrag beim ZSC bis 2028.

Wie kommt das? Wo sein engster Vertrauter im Team, sein Landsmann Juho Lammikko, den Klub im Sommer doch in Richtung NHL (New Jersey Devils) verlassen hat?

«Ich und meine Familie fühlen uns in Zürich sehr wohl», sagt Lehtonen. So sehr, dass er mit dem Gedanken spielt, sich eine mobile Sauna zu kaufen.

Mikko Lehtonen SLAPSHOT
Gelingt Mikko Lehtonen mit den ZSC Lions der dritte Meistertitel in Folge? - IMAGO / Stefan Emch

Er sagt: «Es gibt rund um den Zürichsee viele gute Saunen. Aber ich hätte schon gerne eine bei mir Zuhause.

Ich glaube sogar, dass ich jetzt eine Lösung gefunden habe.» Zu Lammikko ergänzt er: «Ich liebe Juho.

Aber sein Wechsel hat immerhin den Vorteil, dass ich seine miserablen Witze nicht mehr hören muss. Er erzählt die schlechtesten ‹Dad-Jokes› der Welt.»

Auch der Bruder reiht Titel an Titel – in Polen

Lehtonen sagt, der Entscheid zur Vertragsverlängerung sei ihm auch deshalb leicht gefallen, weil der ZSC jedes Jahr um den Titel spielt.

«Gewinnen macht süchtig, ich jage diesem Gefühl jedes Jahr aufs Neue hinterher», sagt er. Mit 31 hat Lehtonen bereits allerlei Meriten gehamstert.

2014 gehörte er zu jener Mannschaft, die sensationell U20-Weltmeister wurde. Mit im Kader: Der heutige NHL-Spieler Teuvo Teräväinen und NHL-Goalie Jusse Saros. Und auch Julius Honka (Rapperswil-Jona Lakers) sowie Saku Mäenalanen (SCL Tigers).

Mit Finnland wurde Lehtonen später zwei Mal Weltmeister und 2022 Olympiasieger. Inzwischen führt er das Team oft als Captain an.

Dazu kommen der schwedische Meistertitel mit HV71, der Triumph in der Champions Hockey League mit dem ZSC und die beiden NL-Titel.

Wie bewahrt man sich da den Erfolgshunger? «Das ist einfach: Indem man sich vergewissert, was für ein Privileg es ist, das Hobby zum Beruf machen zu können. Ich liebe das Eishockey.

Und daran hat sich in all den Jahren nichts geändert – eher im Gegenteil. Ich habe den Anspruch, jedes Jahr besser zu werden. Ich bin zwar 31, aber ich glaube, dass ich meinen Zenit noch nicht erreicht habe», sagt Lehtonen.

Mikko Lehtonen
Immer mit vollem Einsatz: Mikko Lehtonen (l.) gegen den Davoser Matej Stransky (r.). - POSTFINANCE/KEYSTONE/Gian Ehrenzeller

Eishockey als Amour fou: Damit steht er in der Familie nicht alleine da. Sein knapp anderthalb Jahre jüngerer Bruder Matias ist ebenfalls Hockeyprofi, er hat die letzten fünf Jahre in Frankreich und Polen verbracht.

Drei Mal war er polnischer Meister, mit dem aktuellen Champion Tychy bestreitet er unter dem ehemaligen Kloten-Coach Pekka Tirkkonen gerade die CHL.

«Natürlich verdient man in Polen viel weniger als beispielsweise in der Schweiz. Aber er kann seinen Traum verwirklichen und vom Hockey leben, es ist eine sehr schöne Geschichte», sagt Mikko Lehtonen.

Ob die beiden dereinst noch Seite an Seite auflaufen werden? «Mal schauen, wie unsere Karrieren verlaufen. Es wäre schon ein schöner Schlusspunkt», sagt Lehtonen.

ZSC Lions
Mikko Lehtonen (Mitte) trifft im Spiel gegen das Team seines Bruders. - Keystone

Zunächst aber will der Abwehrchef mit dem ZSC Geschichte schreiben – seit Kloten zwischen 1993 und 1996 vier Titel aneinanderreihte, hat kein Team die National League mehr als zwei Mal in Folge gewinnen können.

Warum gelingt es dem ZSC, drei Jahrzehnte später? «Es wird nicht einfach. Ausserhalb von Zürich will uns niemand ein drittes Mal in Folge siegen sehen. Aber genau das sollte uns motivieren.

Und natürlich haben wir eine sehr gute Mannschaft. Ich bin stolz, Teil dieser Verteidigung sein zu können. Wenn wir unsere Bestleistung abrufen, wird es schwer, uns zu schlagen.»

Über Mikko Lehtonen

Nationalität: Finnland. Geboren: 16. Januar 1994. Grösse: 183 cm. Gewicht: 88 kg. Stock: links. Bei den ZSC Lions seit: 2022. Vertrag bis: 2028.

Bisherige Klubs: SKA St. Petersburg (KHL), Columbus Blue Jackets (NHL), Toronto Maple Leafs(NHL), Jokerit Helsinki (KHL), HV71 (SHL), Tappara (Liiga), KooKoo (Liiga), TUTO Hockey (Mestis), TPS (Liiga)

Mehr zum Thema:

Weiterlesen