«Blueliner Berger»: Die ewige Faszination der Trades
In seiner Kolumne schreibt Autor Nicola Berger über Spielertrades die es erstmals vor 40 Jahren im Schweizer Eishockey gab. Nun haben sie wieder Konjunktur.

Im Sommer 1984 wechselt Lorenz «Lolo» Schmid nach Arosa. Und Reto Sturzenegger im Gegenzug zum ZSC. Es ist de facto der erste Spielertausch in der Geschichte des Schweizer Eishockeys.
Und umfasst grosse Namen: Schmid war in Zürich ein so vereinnahmender Captain, dass es vorkam, dass er vor den Spielen die Tafeln putzte und eine andere Aufstellung als der Trainer hinkritzelte. Wie Sturzenegger ist er als NLB-Stürmer Teil der Nationalmannschaft.

Sturzenegger war zwei Mal Meister mit Arosa, ihm schien die Welt offenzustehen. Doch er erkrankte 1985 an Krebs und starb 1989 im Alter von nur 30 Jahren.
Es hat in unserem Eishockey seither immer wieder Tauschgeschäfte gegeben. Mal waren sie belanglos (Adrian Brunner von Servette zum SCB für John Fritsche 2011), mal sorgten sie sogar in Nordamerika für Aufsehen, weil der Nummer-1-Draft von 1993 Gegenstand des Trades war (Alexandre Daigle für Oliver Setzinger von Davos zu den SCL Tigers 2009).
Vermutlich am stärksten im kollektiven Gedächtnis haften geblieben sind zwei Transaktionen von 2008 respektive 2014. 2008 verpflichtet der EV Zug aus Kloten den jungen Stürmer Damien Brunner und gibt dafür den überbezahlten Mitläufer Thomas Walser ab.
Der Rest ist Geschichte: Aus Brunner wird einer der besten Schweizer Stürmer seiner Generation; er wird Liga-Topskorer und schafft es bis in die NHL. Walser beendet seine Karriere zweieinhalb Jahre darauf in der NLB. 2025, 14 Jahre später, wird sich auch Brunner in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden.

Ähnlich einseitig war 2014 kurz vor Transferschluss die Übereinkunft zwischen Gottéron und Servette, die man auch mit zehn Jahren Astand nur so erklären kann, dass Hans Kossmann seinem langjährigen Chef Chris McSorley noch einen Gefallen schuldete.
Jedenfalls verabschiedete Kossmann als Trainer/Sportchef Gottérons ohne Not Romain Loeffel, den inzwischen sechsfachen WM-Verteidiger. Und erhielt dafür John Fritsche (378 NL-Spiele/76 Punkte) und den Abwehrjumbo Jérémie Kamerzin.
McSorley gibt heute im kleinen Kreis zu, dass er sich schlecht gefühlt habe, Kossmann so abgezockt zu haben. Neun Monate später war dieser seinen Job los.
Der Loeffel/Kamerzin-Trade hatte auch eine andere Konsequenz: Kamerzin war vor vollendete Tatsachen gestellt worden, setzte sich mit seinem Agenten Georges Müller juristisch zur Wehr und erhielt letztlich eine finanzielle Entschädigung.

Der Fall war ein Mahnmal dafür, wie komplex es ist, Trades innerhalb des Schweizer Arbeitsrechts zu realisieren – anders als in Nordamerika geht ohne die explizite Zustimmung der Spieler gar nichts.
Dennoch sind spektakuläre Tauschgeschäfte ein Quell unablässiger Fantasie. Bei Fans, bei Journalisten – und sogar bei Verantwortlichen. Der irrlichternde und inzwischen längst wieder nach Nordamerika abgerauschte Petr Svoboda trieb die halbe Liga fast in den Wahnsinn, indem er immer neue, wirre Deals vorschlug.
Und am nächsten Tag wieder nichts mehr davon wissen wollte. Trotzdem fällt einer der aufsehenerregendsten Trades der letzten Jahre in seinen Verantwortungsbereich: Im September 2020 schickte Lausanne Joël Vermin nach Genf. Und erhielt dafür Tim Bozon und Petr Cajka.
Letzterer, während Jahren ein Joyau der HockeyGuide-Redaktion, findet bei Mlada Boleslav übrigens aktuell endlich zur Entfaltung. Was ein interessierter Schweizer Klub den Tschechen wohl als Gegenleistung anbieten könnte? Vielleicht einen nicht mehr ganz taufrischen Lukas Lhotak?

Wir wissen es nicht, es ist ja schon schwierig genug, sich innerhalb der gleichen Liga zu einigen. Doch hin und wieder geschieht es, auch in diesem Winter: Chris DiDomenico mochte einen laufenden Vertrag mal wieder nicht erfüllen und wurde deshalb für Jakob Lilja nach Ambrì geschickt.
Und der SCB verblüffte mit dem Entscheid, Yanick Sablatnig im Tausch mit Elvis Schläpfer nach Biel zu schicken. Zugegeben: Letzterer Tausch ist ziemlich nahe an einer 10 auf der Brunner-für-Fritsche-Skala.
Aber immerhin lebt die hohe Kunst des Spielertauschs vier Jahrzehnte nach der Schweizer Premiere weiter.
Über den Autor Nicola Berger
Nicola Berger schreibt seit mehr als 15 Jahren über das Schweizer Eishockey – er tat das lange für die «Luzerner Zeitung». Und auch für Produkte, die es betrüblicherweise längst nicht mehr gibt: «The Hockeyweek», «Eishockey-Stars», «Top Hockey».
Seit 2013 ist er Reporter bei der NZZ und hat eine ausgeprägte Schwäche für Aussenseiter sowie aus der Zeit gefallene Stadien und Persönlichkeiten. Ein Königreich für ein Comeback von Claudio Neff.