Krein on Tour: Der Staub der Stahlträger

Michael Krein
Michael Krein

In «Krein on Tour» stellt Eishockey-Journalist Michael Krein heute die Patinoire vor. Die Halle der Genève-Servette HC ist das älteste Eisstadion der Schweiz.

Michael Krein
Michael Krein ist seit 23 Jahren als Eishockey-Journalist unterwegs. - Nau.ch Grafik

Genf-Servette liegt im vierten Heimspiel, im zweiten Drittel, gegen Ambrì-Piotta mit 2:4 zurück, eine Mannschaft, welche auf dem Papier den Titel holen kann, sich bisher aber mehr schlecht als recht präsentiert, denn die 0:11-Schlappe in Lausanne warf Fragen auf.

Doch genau diese zwei Gesichter machen Genf in seiner 120-jährigen Geschichte aus. «Wenn ein Ort keine Geschichte hat, interessiert er mich nicht», sagt ein kultiger Berner Mundartsänger.

Patinoire des Vernets
Kein anderes Eisstadion ist so lange mit dabei wie die Patinoire des Vernets. - zVg

Und Genf ist «die Mutter» dieser Aussage. Kein anderer Klub hat so vieles durchgemacht wie der Genève-Servette HC und kein anderes Eisstadion ist so lange mit dabei wie die Patinoire des Vernets.

Ein Ort, der interessanter nicht sein könnte. Auf dem ehemaligen Areal der schweizerischen Landesausstellung von 1896 wird die Patinoire am 28. November 1958 eröffnet.

Sie ist zu diesem Zeitpunkt, nach dem Zürcher Hallenstadion, erst die zweite Eishalle der Schweiz. Heute ist sie als älteste Halle immer noch in Betrieb und wirkt weitaus jünger, als es der Bau des Architekturtrios Albert Cingria, François Maurice und Jean Duret erahnen lässt.

Der Bereich der Presseplätze, direkt unter den massiven Stahlträgern, wurde im Lauf der Jahrzehnte verbreitert, und es scheint, als ob man hier die Geschichte förmlich riechen kann.

Patinoire des Vernets
Die Patinoire des Vernets wurde am 28. November 1958 eröffnet. - zVg

Das Gefühl auf den Presseplätzen gleicht einem alten Theaterbalkon, ein granatroter Teppich ebnet den Weg zum Kommentatoren-Platz, welcher die alten Reporterkabinen während der Aera Chris McSorley, die längste eines Genf-Trainers, ersetzt hat.

Unverändert sind die imposanten Stahlträger, an denen noch der Staub der vergangenen 67 Jahre zu haften scheint. Etwa von 1959, als hier erstmals zwei Profiteams, die Boston Bruins und die New York Rangers, aus der NHL in der Schweiz gastierten.

Oder von 1961, von den Weltmeisterschaften, als für Frankreich ein gewisser Alain Bozon, der Grossvater von Servettes Tim und Vater von Philippe, dessen Nummer 12 heute unter der Hallendecke hängt, auflief.

Genève-servette hc
Die Patinoire des Vernets ist die Heimstätte von Genève-Servette. - Keystone

Oder von 1963, als sich die beiden Klubs Urania-Sports und Servette zum Genève-Servette HC formierten und zwischen 1966 und 1971 fünf Vizemeister-Titel und zwei Cup-Siege feiern konnten.

Selbst der 27-jährige Tiefschlaf, welcher bis in die Niederungen der drittklassigen 1. Liga und fast zum finanziellen Kollaps führte, scheint an den verstaubten Stellen der Stahlträger zu hängen.

Während dieser Epoche trat das Schweizer Nationalteam im Dezember 1987 gegen den «Superblock» der damaligen Sowjetunion, welche drei Monate zuvor den hochkarätigsten Final in der Geschichte des Canada-Cup bestritten hat, an.

Sogar die Rue-Hans-Wilsdorf 4, die offizielle Adresse der Patinoire, benannt nach dem Rolex-Gründer, schreibt ihre eigene Geschichte.

In jener des sechsten Spieltages 2025 zwischen Genf-Servette und Ambrì-Piotta wird ein 2:4-Rückstand in einen 5:4-Sieg umgewandelt – und auch ein Teil davon bleibt irgendwo an den Stahlträgern hängen.

Über Michael Krein

Michael Krein ist seit 22 Jahren als Eishockey-Journalist unterwegs. Seit 2017 kommentiert und berichtet er live für MySports. Zudem ist er wöchentlich beim Eishockey-Podcast FLIP PASS zu hören und schreibt auf eishockeyblog.ch über seine Eishockey-Erlebnisse.

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