Officiating : «Wir wollen eine der weltweit führen Nation werden»
Bei der Swiss Ice Hockey Federation gibt es eine neue Führungscrew im Bereich Officiating. Im SLAPSHOT-Interview verraten sie ihre Pläne im Schiedrichterwesen.

Der Deutsche Alexander Jäger, der gebürtige Kanadier Brent Reiber und der Schwede Joel Hansson sind bei der Swiss Ice Hockey Federation die neue Führungscrew des Bereichs Officiating.
SLAPSHOT: Wie habt ihr euch eingelebt?
Joel Hansson: Wir haben den ersten Teil genossen. Es ist spannend und auch persönlich sehr interessant, die verschiedenen Fähigkeiten und Erfahrungen der Teamkollegen zu sehen.

Es sorgt für neue Inputs und frischen Wind, neue Ideen und ist hoffentlich auch für die Organisation ein echter Mehrwert.
Brent Reiber: Es ist grossartig. Das Team der Referees ist sehr eng zusammen, es macht Spass, mit dieser Gruppe zu arbeiten.
Alle sind ehrgeizig, aber zugleich haben wir eine hervorragende Atmosphäre. Zudem wurden wir mit offenen Armen empfangen, was nicht selbstverständlich ist. Diese Ausgangslage ermöglicht es uns, gute Ergebnisse zu erzielen.
Alexander Jäger: Ich habe enorme Freude, hier zu sein und bin begeistert, wie Brent und Joel arbeiten. Ich denke, hier und mit dem ganzen Team können wir etwas wirklich Grosses machen.
SLAPSHOT: Das heisst?
Jäger: In erster Linie geht es darum, eine Umgebung zu schaffen, die den Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern die beste Leistung ermöglicht.

Dafür haben wir gute Voraussetzungen, auch mit den vorhandenen Kompetenzen und dem Willen des Verbandes, sich weiterzuentwickeln und etwas zu bewegen. Dass drei neue Leute eingestellt wurden, ist definitiv ein positives Zeichen.
SLAPSHOT: Brent, Sie waren 1997 einer der ersten Profi-Schiedsrichter im Schweizer Eishockey. Wie ist die Situation heute im Vergleich zu damals?
Reiber: Wir bewegen uns auf einem ganz anderen Level, alles wurde viel professioneller. Damals war es Pionierarbeit und ich lernte in diesen Jahren, ein professioneller Referee zu sein.

Heute ist das Hockey viel schneller, die Physis der Schiedsrichter und die Kultur sind anders – und nun wollen wir ein nächstes Level erreichen.
SLAPSHOT: Joel, Sie waren in den letzten Jahren in verschiedenen Ländern und beim Weltverband IIHF tätig. Wie erleben Sie die Schweiz?
Hansson: Bei der IIHF hatte ich die Chance zu schauen, was in all den Ländern gemacht wird, von kleineren Nationen bis zu Kanada oder den USA.
Beeindruckend ist, dass man in der Schweiz eine sehr gute Top-Liga hat, aber auch das Niveau in der Sky Swiss League oder der PostFinance Women’s League hoch ist.
Und man hat geringe Distanzen, sei das betreffend Kilometer, organisatorischer Wege oder Entscheidungsfindung.
Ich finde es faszinierend, wie ein Verband in so vielen Bereichen den Lead übernehmen kann. Mit dieser Ausgangslage kann man sehr gute Möglichkeiten schaffen, die super Perspektiven ermöglichen.
SLAPSHOT: Die Schweizer Nati gehört zu den besten der Welt, die National League ist abgesehen von der NHL vielleicht die beste der Welt. Wie steht es um die Schiedsrichter?
Reiber: Das Ziel ist, dass wir im Schiedsrichterwesen eine der weltweit führenden Nationen werden. Dabei geht es nicht um die Top-Liga, sondern um das ganze Bild.

Die Schiedsrichter sind stolz, hier arbeiten zu können und Teil des Erfolgs des Schweizer Eishockeys zu sein. Unsere Aufgabe ist es, top zu sein, und es gibt immer Möglichkeiten, um sich zu verbessern.
SLAPSHOT: Zum Beispiel?
Reiber: Wir wollen unsere Referees in der Athletik fördern, denn sie sind Athleten wie die Spieler auch. Wir wollen in der Spielvorbereitung, der Performance und auch der Erholung die nächste Stufe erreichen, da braucht es Feintuning.
Wir wollen führende Leistungen und versuchen unsere Crews von den Profis über die Vertragsschiedsrichter bis zu den Leistungssport-Referees zu unterstützen und dann auch im ganzen Land Fortschritte zu machen.
Hansson: Bei den Spielern kann man ein Nationalteam aufstellen und um eine Goldmedaille kämpfen. Wir haben nicht dieselbe Chance, um das Ergebnis zu messen. Natürlich wäre es schön, in einem WM-Final vertreten zu sein.
Aber wenn wir von Oktober bis zum Final in allen Ligen in jedem Spiel einen guten Job machen, haben wir Erfolg. Es geht darum, unseren Job konsequent und kontinuierlich gut zu machen.
Die Anerkennung in Form einer WM- oder Finalnominierung kommt dann als Konsequenz, ist aber ausserhalb unserer Kontrolle. Denn wenn die Nati in einem WM-Final steht, werden wir in diesem Spiel keinen unserer Schiedsrichter haben.
Jäger: Entscheidend ist, dass wir ein höheres Ziel verfolgen, dass wir Schiedsrichter uns als Teil des Spiels verstehen.
Wir sind wie die Spieler, Trainer, Funktionäre und auch Journalisten dafür verantwortlich, das Spiel besser zu machen und faire und sichere Spiele zu leiten.
Viele Dinge können wir nicht direkt beeinflussen, aber wir können stolz darauf sein, dass die Schweiz über so gute Ligen verfügt. Von unseren Referees bekommen wir immer wieder gespiegelt, dass die National League die beste Liga ausserhalb der NHL und in Europa ist.
SLAPSHOT: Ist die Schweiz bei Schiedsrichtern als Arbeitsort begehrt?
Jäger: Insgesamt kann man das so sagen. Die Schweiz hat Vorteile für jeden Arbeitnehmer, wir sind da auch klassische Beispiele. Ich bin Deutscher, Joel ist Schwede, Brent hat kanadische Wurzeln – es macht wahnsinnig Freude, in diesem Land zu arbeiten.
Aber es geht auch um die DNA und darum, die Swissness zu verstehen. Auf die Swissness kann das Land wirklich stolz sein. Auf die Kompromissfähigkeit, den Stolz auf das, was man erreicht, den hohen Anspruch, das Hockey, das man liebt, die Traditionen, die man pflegt.
SLAPSHOT: Im Bereich Officiating war es in den letzten Jahren unruhig. Was muss anders werden?
Reiber: Für uns zentral und oberste Priorität ist die Kommunikation. Dass alle wissen, wo wir sind, was wir machen können und was nicht. Dass die Schiedsrichter wissen, was läuft. Es ist bemerkenswert, was unsere Vorgänger geleistet haben.
Aber in Kombination mit einem gewissen Anspruch ist es sehr schwierig, diesen Job allein zu machen. Der Verband hat das erkannt und nun diese Aufgabe auf drei Personen verteilt. Ich denke, Unruhen gab es auch, weil man alleine nicht allen gerecht werden konnte.
Das ist auch jetzt nicht möglich, aber wir können als Trio mehr Bedürfnisse erfüllen. Entscheidend war auch, so viele Fragen wie möglich zu beantworten und den Feedback-Loop weiter zu intensivieren. Spezifische Feedbacks zu Spielen und Events zu geben, ist enorm wichtig.
Hansson: Man muss immer daran denken, dass wir nicht nur mit Schiedsrichtern und Linespersonen arbeiten, sondern mit Menschen, die Ziele und Visionen haben, denen es mal besser und mal schlechter geht.

Wir haben uns in einem ersten Schritt auf den obersten Bereich konzentriert, wollen aber diese Kultur auf allen Ebenen einführen. Wenn man mit 15 oder 16 in Langnau oder Bern beginnt, soll man sich als Mensch und in seiner Aufgabe als Referee wohl fühlen.
Es braucht dieses gute Gefühl, um das Schiri-Trikot anzuziehen und aufs Eis zu gehen.
Jäger: Kommunikation heisst, dass alle wissen müssen, was wir erwarten. Gleichzeitig müssen wir einen klaren Karriereweg aufzeigen können.
Wenn ein junger Mensch als Schiedsrichter das Eis betritt, muss klar sein, wo die Chancen liegen und wie der Weg verlaufen könnte. Bei Spielern ist das klar vorgegeben, für Schiedsrichter muss das nun auch klarer werden.
SLAPSHOT: Wie können denn Talente gefördert werden?
Hansson: Es gibt zwei Dinge, die wir bedenken müssen. Für Spieler gibt es in der National League 14 Klubs und entsprechend auch viele Plätze, also ein relativ grosses Potenzial für junge Spieler, um es an die Spitze zu schaffen.
Bei den Schiedsrichtern haben wir viel weniger Plätze. Ein Produkt, bei dem nur die National League das Ziel ist, ist entsprechend nicht sehr attraktiv, denn die Mehrheit wird es nicht schaffen.
Es ist nun wichtig, einen Weg mit attraktiven Zwischenstationen zu finden oder verglichen mit einer Wanderung: Es muss nicht zwingend der Gipfel sein, man kann die Aussicht auch auf 2000 Metern statt auf 3000 Metern geniessen und das Gefühl haben, dass man etwas erreicht hat. Es geht um dieses Gefühl, auch ohne Profivertrag.
Reiber: Wir müssen jungen und unerfahrenen Schiedsrichtern Möglichkeiten bieten, sich zu entwickeln. Es reicht nicht zu warten, bis die Talente kommen, sondern wir müssen sie selber kreieren und weiterbringen.
Das kostet Zeit, Energie, Coaching. Für uns ist ganz klar, eine unserer wichtigsten Aufgaben ist nun die Talentförderung und -entwicklung, egal ob männlich oder weiblich.
SLAPSHOT: Gibt es nicht auch Berührungsängste, um Schiedsrichter zu werden? Für irgendjemanden ist man immer der Buhmann…
Reiber: Der grösste Vorteil eines Schiedsrichters ist, dass er so nah am Spiel ist wie sonst niemand. Und man hat viele soziale Erlebnisse, schliesst spezielle Freundschaften. Es ist eine sehr enge Gruppe.
Wenn man Referee wird, wird man Teil einer einzigartigen Familie. Die negativen Aspekte muss man als Lebensschule anschauen. Denn es geht da nicht um den Menschen, sondern um seine Rolle.

Sobald das Schiedsrichtertrikot ausgezogen und in der Waschmaschine ist, sind auch diese negativen Dinge weg. Unsere Aufgabe ist es, diesen Job attraktiv zu machen.
Allerdings sind wir auf diesem Weg noch im Base-Camp und nicht auf dem Mount Everest. Wir müssen unser Team und unsere Strategie aufbauen.
Hansson: Ich denke, wir müssen auch näher zu den Klubs kommen. Es ist nicht gut, wenn man bei einem Klub den Referee als Feind anschaut.
Wir können den Klubs als Verband offerieren, sie dabei zu unterstützen, Spielern, Funktionären oder auch Eltern die Spielregeln näherzubringen, ihnen zu zeigen, wie man ein Spiel leitet – und vielleicht gibt das ja Optionen für eine zweite oder dritte Karriere, wenn jemand etwas Neues sucht.
Es bietet zudem die Chance, Spieler nach ihrer Karriere beim Sport zu halten und sich so als Klub breiter abzustützen. Und in der Schweiz haben wir den grossen Vorteil, dass wir diese Personen auf ihrem ganzen Weg begleiten können.
Reiber: Die Rekrutierung ist eine Sache, eine andere Schwierigkeit ist es dann, sie langfristig dabei zu halten. Es ist wirklich eine «tricky» Angelegenheit.
SLAPSHOT: Ist die Heim-WM 2026 auch für das Schiedsrichterwesen ein Leuchtturm?
Hansson: Jeder grosse Event und jeden grosse Präsenz in der Öffentlichkeit ist eine Chance, die man nützen kann.
Das Eishockey ist dann ein Gesprächsthema, doch wie stark das uns hilft, weiss ich nicht, zudem hoffe ich, dass der Fokus dann nicht auf den Schiedsrichtern liegt, das wäre schlecht. (lacht)
Im Normalfall sorgen solche Events für einen grösseren Zulauf bei den Klubs und irgendwann können wir vielleicht auch davon profitieren.
Jäger: Positiv ist, dass an der WM die besten Schiedsrichter in die Schweiz kommen und wir sehen, wie sie arbeiten und funktionieren, wie die IIHF mit ihnen umgeht.
Das hat sicher einen Effekt auf unser Officiating-Team. Aber es ist auch klar, dass jemand, der den Mount Everest bezwingt, nicht viel gemein hat mit jemandem, der am Wochenende auf den Uetliberg spaziert.
SLAPSHOT: Sie haben vorher von Feedbackkultur gesprochen. Gehen Sie also regelmässig in die Stadien, um die Leistungen der Referees zu beurteilen?
Reiber: Das ist wichtig, denn eine Beobachtung im Stadion führt zu einem kompletteren Bild, zudem passieren entscheidende Dinge oftmals weg von der Kamera.
Unsere Feedback-Kultur geht mehr hin zu einem internen Feedback. Wir sind eher Moderatoren als Gutachter und helfen den Referees, selber die Spiele auf einem hohen Niveau zu analysieren.
Hansson: Die Schiedsrichter wissen selber sofort, wenn sie einen Fehler begangen haben. Unser Ziel ist es nun, sie zu den besten Coaches von sich selber zu machen, damit sie einander helfen können.
Es geht darum, konstruktiv zu sein und so besser zu werden. Aber miteinander zu arbeiten und sich vorwärtszubringen, ist grundsätzlich schwieriger, als jemanden zu kritisieren.
Jäger: In der grossen Mehrheit der Spiele können wir nicht vor Ort sein, wir sind ja nur zu dritt.

Unser Ziel ist es, eine Kultur zu schaffen, in der man sich mit der eigenen Leistung auseinandersetzt und offen ist, auch gegenüber dem Management, und Fehler kommuniziert, um im Endeffekt besser zu werden. Das bedingt enorm viel Vertrauen, ist aber entscheidend.
Reiber: Diese Kultur ist zu einem gewissen Mass bereits vorhanden, wir müssen sie jetzt einfach noch stärken.
Hansson: Wir haben die ersten Schritte und Analysen gemacht, nun geht es darum, Dringlichkeiten festzulegen, eine Timeline zu erstellen und intern die Synergien zu nützen.
Reiber: Ich denke, es geht nun darum, unsere ersten Massnahmen zu konsolidieren und in einen Rhythmus zu kommen.
Unser Plan ist bis ins nächste Jahr erstellt und wir müssen im richtigen Tempo weitergehen und kommunizieren. Aktuell sehe ich keine grossen Probleme oder Hürden.
Jäger: Wir wollen ja auch nicht alle Mauern abreissen und die Stadt neu bauen. Wir haben eine Struktur und müssen alle auf die Reise mitnehmen und auf die Kleinigkeiten achten.
Auch da ist wieder die Kommunikation entscheidend. Und meiner Meinung nach hatten wir einen sehr guten Saisonstart.














