SCL Tigers: Luca Boltshauser – «Keine Liebe auf den ersten Blick»

Philipp Rindlisbacher
Philipp Rindlisbacher

Der 32-jährige Zürcher Luca Boltshauser spricht über schwierige Zeiten, das Erwachsenwerden in Schweden und über sein Talent als Skifahrer.

Luca Boltshauser
Der 32-jährige Zürcher Luca Boltshauser spricht über schwierige Zeiten, das Erwachsenwerden in Schweden und über sein Talent als Skifahrer. - IMAGO / justpictures.ch

SLAPSHOT: Stimmt es, dass Sie beinahe eine Karriere als Skifahrer angestrebt hätten?

Luca Boltshauser: Als Bub hatte ich diesen Traum. Ich wuchs im Bündnerland auf und war bis 12 im Skiclub Parpan – und gewann auch zwei, drei Rennen.

Dann zogen wir in die Region Zürich, die Berge waren weiter weg und aus Zeitgründen musste ich mich für eine Sportart entscheiden.

SLAPSHOT: Weshalb wurden Sie Goalie?

Boltshauser: Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Bei den U9-Junioren verlangte der Trainer, dass jeder einmal ins Tor steht.

Luca Boltshauser SLAPSHOT
Es sei keine Liebe auf den ersten Blick gewesen, sagt Luca Boltshauser im SLAPSHOT-Interview. - IMAGO /Jari Pestelacci / justpictures.ch

Ich weigerte mich, vor einem Turnier kam der Trainer zu mir und zwang mich, weil die anderen alle schon dran waren. Kurioserweise gefiel es mir so gut, dass ich fixer Goalie werden wollte.

SLAPSHOT: Mit 18 entschlossen Sie sich zu einem ungewöhnlichen Schritt und wechselten in die Nachwuchsabteilung von Färjestad nach Schweden – weshalb?

Boltshauser: Bei den ZSC Lions hatte ich zwei Goalies vor mir, die Plätze im Farmteam bei den GCK Lions in der NLB und bei den Elite-Junioren waren vergeben.

Mein Agent brachte die Option Schweden ins Spiel, mich reizte das Abenteuer. Ich wollte im Eishockey weiterkommen – aber auch als Mensch.

SLAPSHOT: Inwiefern?

Boltshauser: Ich wohnte alleine und nicht bei einer Gastfamilie. Der Beginn war schwierig, ich verliess die Komfortzone.

Ich musste die Sprache lernen, den Haushalt führen und kochen. Ich lernte, diszipliniert zu sein.

SLAPSHOT: Wie fanden Sie Anschluss?

Boltshauser: Weil ich kein Aussenseiter sein wollte, lernte ich täglich schwedisch. Nach sechs Monaten verstand ich viel, nach einem Jahr kam der Captain der Profimannschaft zu mir und sagte: «Ich rede nur noch mit dir, wenn du auf schwedisch antwortest.»

Heute rede ich es fliessend. Und auch Kochen kann ich recht gut – in den drei Jahren im Ausland rief ich ab und zu meine Grossmutter an und fragte nach Tipps (lacht).

SLAPSHOT: Später wechselten Sie zu Kloten, wo Sie in Ihrer ersten Saison als Stammgoalie in der National League abstiegen. Trotz soliden Leistungen galten auch Sie als Sündenbock.

Boltshauser: Es war eine extrem harte Zeit. Für Kloten war es der erste Abstieg nach 56 Jahren, wir hatten versagt – das traf mich mit voller Wucht.

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Luca Boltshauser fühlt sich mittlerweile wohl bei den SCL Tigers. - SCL Tigers

Im Nachhinein war diese schlimme Saison enorm lehrreich. Ich erfuhr, was es bedeutet, mit Druck umzugehen und permanenten Stress auszuhalten.

SLAPSHOT: Als Sie 2022 von Lausanne nach Langnau stiessen, hiess es, die Tigers seien Ihre letzte Chance in der National League…

Boltshauser: … ich habe mir nicht viel dabei gedacht. Ich glaube an das, was ich kann. Und ich weiss, dass nicht alles wahr ist, was gesagt und geschrieben wird. Vor allem beweise ich den sogenannten Experten gerne das Gegenteil.

SLAPSHOT: Sie bewahrten die Tigers in Ihrem ersten Jahr vor dem Abstieg, letzte Saison aber wurden Sie von Stéphane Charlin verdrängt. Wie schwierig war diese Zeit?

Boltshauser: Ich habe sehr stark gelitten, in mentaler Hinsicht war es sehr kompliziert. Nicht wegen «Stéph», der unfassbar gut spielte. Sondern wegen mir: Ich wollte es so gut machen wie er, aber das gelang nicht.

SLAPSHOT: Bis zu Charlins Verletzung Anfang Februar standen Sie nur bei zwei der 20 Langnauer Siege im Tor. Wie ist es Ihnen gelungen, positiv zu bleiben?

Boltshauser: Ganz ehrlich: Immer funktionierte das nicht. Aber meine Familie, Freunde und der Klub unterstützten mich. Zudem half die Arbeit mit einem Sportpsychologen, die ich intensivierte.

SLAPSHOT: Danach drehten Sie auf, führten das Team ins Playoff. Spürten Sie Genugtuung?

Boltshauser: Es hat gut getan. Stéphs Verletzung war der Wendepunkt: Vor jenem Spiel in Lugano war ich eine Woche krank und trainierte total etwa 30 Minuten.

Dann wurde ich im ersten Drittel eingewechselt – wegen der schlechten Vorbereitung spürte ich keinen Druck mehr, hatte einfach Spass. Von da an funktionierte es.

SLAPSHOT: Langnau verzichtete nach Charlins Ausfall wie auch später nach seinem Transfer zu Servette aufs Engagement eines ausländischen Goalies. War das der Vertrauensbeweis, den Sie brauchten?

Boltshauser: Ich schätzte es extrem. Zu diesem Zeitpunkt rechtfertigten meine Leistungen und Statistiken diesen Entscheid eigentlich nicht.

Luca Boltshauser
Mit dem EHC Kloten stieg Luca Boltshauser als Stammgoalie aus der National League ab. - PPR/Cyril Zingaro

Ich bin froh, konnte ich etwas zurückgeben und dass auch der Start in die neue Saison geglückt ist.

SLAPSHOT: Nun sind Sie die klare Nummer 1, der zweite Goalie Robin Meyer hat kaum Erfahrung auf höchster Stufe. Behagt Ihnen diese Konstellation besser?

Boltshauser: Wichtig ist nur, dass ich mich mit dem anderen Goalie verstehe, dass es kein

Gegeneinander ist. Robin ist ein angenehmer und ruhiger Typ, er hat grosses Potenzial. Wir kannten uns vor seinem Wechsel nach Langnau kaum, haben uns aber schnell aneinander gewöhnt.

SLAPSHOT: Ihr Vertrag läuft Ende Saison aus. Bis wann wollen Sie Klarheit?

Boltshauser: In der Nationalmannschaftspause im November möchte ich alles geregelt haben. Mit dem Klub führe ich Gespräche.

SLAPSHOT: Ihre Kinder wohnen bei Ihrer Ex-Frau in Burgdorf. Ist es für Sie überhaupt denkbar, das Emmental zu verlassen?

Boltshauser: Langnau hat Priorität. Ich bin nun die vierte Saison hier und fühle mich wohl. Aber ich bin keiner, der voreilig irgendwelche Türen zuschlägt.

SLAPSHOT: Sie sind 32 – machen Sie sich Gedanken über die Zeit nach der Karriere?

Boltshauser: Sehr intensiv sogar. Im Sommer habe ich an der Feusi den Abschluss meiner KV-Ausbildung nachgeholt, in der Firma des Vaters meiner Freundin arbeite ich pro Woche einige Stunden im Büro. Dieser Ausgleich tut mir gut.

Luca Boltshauser
Luca Boltshauser spielt bereits seine vierte Saison bei den SCL Tigers. - PostFinance/KEYSTONE/Christian Merz

SLAPSHOT: Nach der Karriere hätten Sie dann auch wieder mehr Zeit, um Ski zu fahren.

Boltshauser: Meine Freundin fährt sehr gerne, ich gehe jeweils mit ihr auf den Berg, bleibe aber oben im Restaurant.

Die Verletzungsgefahr ist zu gross, gerade für einen wie mich, der schnell fahren würde (lacht). Aber ich werde noch genug Zeit haben, Verpasstes nachzuholen.

Über Luca Boltshauser

Geboren: 17. Juli 1993. Grösse: 182 cm. Gewicht: 89 kg. Bei den SCL Tigers seit: 2022. Vertrag bis: 2026. Bisherige Klubs: Lausanne HC, EHC Kloten, EHC Winterthur, Kloten Flyers, GCK Lions, ZSC Lions, VIK Västeras HK, Färjestad BK

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