ZSC Lions: Der ZSC auf dem Weg zur Unsterblichkeit
Weitgehend ungefährdet sicherten sich die ZSC Lions den elften Titel ihrer Klubgeschichte. Können sie sich als Dynastie unsterblich machen?

Ein paar Tage nachdem die letzte Meisterzigarre verglimmt war, liess Sven Leuenberger Ende April im Gespräch mit SLAPSHOT seinen neuesten Streich Revue passieren.
Leuenberger, 55, ist der erfolgreichste General Manager in der Geschichte des Schweizer Eishockeys. Der jüngste Meistertitel der ZSC Lions war sein siebenter Titel als Sportchef. Vier weitere gewann er als Spieler in Bern.

Der Versuch, im Zwiegespräch mit Leuenberger die erfolgreiche und diskussionslose Titelverteidigung des ZSC zu ergründen, führt zu dieser Feststellung: Dass diese Mannschaft mit der Präsenz auffallend vieler aussergewöhnlich ehrgeizigen Führungsspielern gesegnet ist.
Leuenbergers Replik darauf lautet: «Ja, aber das Team ist auch aussergewöhnlich schwierig zu führen.»
Es ist keine Kritik des Managers an seiner Belegschaft, Gott bewahre, sondern ein Fakt. Es gibt im ZSC-Kollektiv viele verschiedene, starke Charaktere. Der tschechische Goalie Simon Hrubec, der schon mal die Garderobentüre knallen lässt, wenn ihm das Konzentrationslevel seiner Vorderleute missfällt.
Sven Andrighetto, der fast unmenschliche Ansprüche an sich selbst stellt und dessen Stimmung kippen kann, wenn es nicht läuft – sein Drive hat etwas Ansteckendes. Yannick Weber und Christian Marti, die auf dem Eis keinen Nonsens dulden.

Der Abwehrchef Dean Kukan, der so viel Leichtigkeit ausstrahlt aber stets in der Lage scheint, ein Brikett nachzulegen, wenn er provoziert oder gefordert wird.
Es ist ein faszinierender Mix an Hochkarätern, den die Zürcher da beschäftigen. Sie sind auch deswegen neuerlich der logische, verdiente Meister, der in keiner Playoff-Serie ernsthaft ins Wanken geriet.
Der ZSC als Meister aller Klassen
Der Rest des ZSC-Mosaiks setzt sich aus diesen Puzzleteilen zusammen: Üppige finanzielle Mittel, eine klare Vision quer durch die Organisation hindurch, das Privileg, über die GCK Lions zu verfügen – das einzige verbliebene Farmteam im Schweizer Eishockey.
Die ZSCNachwuchspyramide ist einzigartig. Bei niemandem sonst spielen so viele Junioren – der Umstand, dass auch die U15-Elit, U17-Elit, U20-Elit und U20-Top den Meistertitel gewannen, demonstriert die Kraft dieses Konstrukts eindrücklich.

Was den Triumph der ersten Mannschaft betrifft, ist selbstverständlich auch dem Umstand geschuldet, dass Leuenberger ein Team ohne Schwächen zusammengestellt hat.
Servette wurde 2023 Meister, weil es über die besten Ausländer verfügte. Der ZSC dagegen weiss die mit Abstand besten Schweizer in seinen Reihen – ein Quintett der Stärkeklasse Andrighetto, Kukan, Malgin, Marti und Weber sucht man anderswo vergeblich.
Andrighetto spielte die wahrscheinlich beste Saison seiner Karriere, er wurde mit 22 Punkten aus 16 Partien Playoff-Topskorer. Und agierte so dominant, dass die Darbietungen von Jesper Frödén in der allgemeinen Wahrnehmung fast ein bisschen untergingen.
Der Schwede Frödén, 30, war in der Qualifikation der beste ZSC-Skorer. Und überzeugte auch im Playoff. Leuenberger sagt: «Für mich ist er der beste Zwei-Weg-Stürmer der Liga. Das ist für einen Flügel ungewöhnlich. Und dass er mehr als 15 Tore erzielt und über 40 Punkte produziert, obwohl er defensiv so verantwortungsvoll spielt, ist schlicht Weltklasse.»

Der ZSC verfügte offensiv über so viel Potenz, dass die Absenz von Denis Hollenstein nicht einmal ins Gewicht fiel. Hollenstein, während Jahren einer der wichtigsten und verlässlichsten ZSC-Skorer, konnte verletzungsbedingt keine einzige Partie bestreiten.
Bei Hollenstein, 35, sieht der Plan so aus: Er wird im August ins Eistraining beim ZSC einsteigen. Und falls sein Knie hält, wird er einen Einjahresvertrag unterschreiben.
Auch den potenziell disruptiven Schock des überraschenden Rücktritts des Trainers Marc Crawford an Weihnachten navigierten die Zürcher souverän.
Leuenberger hatte den Mut, den auf diesem Level als Cheftrainer unerfahrenen GCK-Coach Marco Bayer zu befördern. Und dieser dankte es ihm mit dem Double-Gewinn von Meisterschaft und Champions Hockey League.

In der Qualifikation fiel der Punkteschnitt des ZSC unter Bayer signifikant, im Januar und Februar agierte die Equipe selten überzeugend. Aber in den entscheidenden Momenten war das Team bereit.
Gold wert war, die den Pre-Playoffs geschuldete lange Pause von mehr als zehn Tagen vor dem Playoff-Auftakt. «Das hat uns gut getan, nach dem extrem gedrängten Spielplan in den Monaten zuvor waren unsere Tanks fast leer», sagt der Captain Patrick Geering.
Die Sterne standen günstig für den ZSC
Was ebenfalls half – das darf auch erwähnt werden – war, dass die Sterne günstig standen. Kloten ist ein dankbarer Viertelfinalgegner, der punkto Qualität nicht annähernd mit diesem Team mithalten konnte.
Dem Halbfinalwidersacher Davos fehlten mehrere wichtige Akteure, darunter mit Enzo Corvi der wichtigste Schweizer Spieler. Und Lausanne hatte bereits 14 Spiele in den Beinen, ehe der Final begann.

Das schmälert den Zürcher Triumph nicht, es hilft nur dabei, seine Diskussionslosigkeit zu erklären. Die Frage ist jetzt, ob der ZSC das erste Team seit Kloten vor 30 Jahren sein kann, welches drei Titel in Folge gewinnt.
Die Chancen sind intakt: Alle Schlüsselspieler bleiben an Bord. Denis Malgin könnte theoretisch wieder zurück in die NHL wechseln, aber seine Sehnsucht scheint gestillt: Er ist inzwischen Familienvater geworden und beim ZSC fehlt es ihm an nichts.
Ein Meistertitel in der Schweiz ist nicht sonderlich lukrativ. Gewiss generiert man Zuschauereinnahmen und manche Sponsoren überweisen eine Erfolgsprämie.
Aber es gibt keinen Geldsegen von der Liga, anders als im Fussball kann man nicht plötzlich irrwitzige Summen aus Spielerverkäufen oder den Geldtöpfen von Kontinentalwettbewerben einstreichen.

Finanziell ist ein Titel mehr oder weniger ein Nullsummenspiel – der ZSC zahlt seinen Spielern entsprechend beispielsweise keine Meister- sondern nur eine Finalprämie.
Vielleicht hilft das dabei nicht abzuheben und hungrig zu bleiben. So oder so hat der ZSC im nächsten Winter die Chance, sich als erste Dynastie des 21. Jahrhunderts unsterblich zu machen.