«Blueliner Berger»: In der Schweiz endet eine Ära

Nicola Berger
Nicola Berger

Eingebürgerte Spieler, die vom Sonderstatus «Lizenzschweizer» profitierten, prägten das Eishockey. Nach Ablauf dieser Saison wird das Reglement verschärft.

Doug Honegger SLAPSHOT
Doug Honegger, Kanadier mit Schweizer Abstammung, wechselte 1985 nach zum HC Ambrì-Piotta. - KEYSTONE / Melanie Duchene

In den frühen 1980er Jahren hat der Spieleragent Danny McCann einen Geistesblitz: Er sucht via Zeitungsinseraten in Nordamerika nach Eishockeyspielern mit Schweizer Vorfahren.

Daneben hält er in den dicken Telefonbüchern Ausschau nach Nachnamen, die sich mit der Schweiz in Verbindung bringen lassen. In Montreal organisiert er Sichtungstrainings, und bald finden sich die ersten Kandidaten für einen Wechsel in die Schweiz.

Der Verteidiger Doug Honegger etwa landet 1985 in Ambrì. Und vertritt die Schweiz danach mehrfach an Weltmeisterschaften – später wird er zu einem der ersten Spielerberater in unserem Hockey.

Misko Antisin hat in der Schweiz eine eindrückliche Spielerkarriere hingelegt
Misko Antisin hat in der Schweiz eine eindrückliche Spielerkarriere hingelegt - sda - KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA VALLE

Als Honegger den Transfer des Stürmers Misko Antisin von Zug nach Lugano orchestriert, verärgert das den EVZ-Präsidenten Fredy Egli so sehr, dass er eine ausserplanmässige Liga-Sitzung einberuft und den Antrag stellt, Honegger von allen Geschäften in der Nationalliga auszuschliessen.

Die Motion scheitert – und Honegger baut sich einen umfassenden Kundenstamm auf, von Oleg Petrov bis Mathias Seger.

Neben Honegger vermittelt McCann Dutzende andere Spieler in die Schweiz. Oft finden sie den Weg nach Ambrì – weil der legendäre Tifoso Edy Inderbitzin in seinem Amt als Gemeindeschreiber von Altdorf die Mühlen der Justiz geschickt beschleunigt, wenn es um die Beschaffung der roten Pässe für mögliche Ambrì-Verstärkungsspieler geht.

Es beginnt ein schwungvoller Handel mit Spielern mit Schweizer Vorfahren: Misko Antisin, Mark Astley, Colin Muller, John Fritsche, Rick Tschumi, Bruno Rogger, Keith Fair, Pat Schafhauser, Mike Kaszycki. Und so weiter.

Chris McSorley hält die Tradition bei Servette bis weit ins neue Millennium aufrecht, auch wenn die Transfers zunehmend obskur wurden.

Fabio Hofer
Fabio Hofer wechselte früh in die Schweizer Liga. - PostFinance/KEYSTONE/Peter Klaunzer

Von Wes Snell über Mike Knoepfli, Daniel Vukovic und Eric Walsky bis zu Will Petschenig, der schlechter skaten konnte als mancher Anfänger im offenen Eislauf.

McSorley sagte einmal: «Ein Schweizer Pass, eine Schweizer Lizenz ist für einen Kanadier wie eine goldene Gans. Ohne müsste er arbeiten gehen – mit kann er in einem schönen Land Eishockey spielen und braucht nie mehr einen Job.»

Doch im Internet-Zeitalter wurde es zunehmend schwierig, auf verschlungenen Pfaden zum Aktionspreis Diamanten zu verpflichten, von denen die Konkurrenz nichts wusste.

Und in der Liga verschob sich der Trend immer mehr zu den «Lizenzschweizern», die entweder ihre erste Lizenz hierzulande lösten (als Sohn eines einst hier beschäftigten Spielers, beispielsweise, so wie Christian Dubé und Ryan Gardner) oder als Teenager in die Schweiz übersiedelten, um sich hier ausbilden zu lassen.

So wie aktuell Toms Andersons, Benjamin Baumgartner, Fabio Hofer, Manix Landry, Vinzenz Rohrer oder Dominic Zwerger.

Ab der Saison 2026/27 jedoch werden hierzulande ausgebildete ausländische Spieler den Status von «Lizenzschweizern» in der National League nur noch bis zum Erreichen des 23. Altersjahres behalten.

Benjamin Baumgartner
Auch Benjamin Baumgartner hat in der Schweiz den Status «Lizenzschweizern». - PostFinance/KEYSTONE/Ti-Press/Pablo Gianinazzi

Danach belasten sie das Ausländerkontingent, sofern sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht den Schweizer Pass erworben haben. Bei Nachwuchsspielern zählt die Anzahl Jahre doppelt.

Nach fünf Jahren kann ein Junior einen Schweizer Pass beantragen. Für aktuelle Spieler ändert sich nichts, für sie gilt eine Ausnahmeregelung.

Mit der neuen Regelung endet eine Ära. Es ist der Versuch, die Schweizer Spieler etwas besser zu schützen, auch im Sinne der Nationalmannschaft.

Wobei man davon ausgehen darf, dass findige Macher wie McSorley sich bald etwas Neues ausdenken, wie sie die Regelung umgehen können.

Über den Autor Nicola Berger

Nicola Berger schreibt seit mehr als 15 Jahren über das Schweizer Eishockey – er tat das lange für die «Luzerner Zeitung». Und auch für Produkte, die es betrüblicherweise längst nicht mehr gibt: «The Hockeyweek», «Eishockey-Stars», «Top Hockey».

Seit 2013 ist er Reporter bei der NZZ und hat eine ausgeprägte Schwäche für Aussenseiter sowie aus der Zeit gefallene Stadien und Persönlichkeiten. Ein Königreich für ein Comeback von Claudio Neff.

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