Können sich die langfristigen Mega-Verträge für die Klubs lohnen?
In dieser Ausgabe von «Pro und Contra» gehen Nicola Berger und Daniel Germann der Frage nach,

Ja
Von Nicola Berger, SLAPSHOT-Autor und NZZ-Redaktor
Michael Fora ist ein Musterprofi, ein Asket, der auf sich und seinen Körper achtet. Trotzdem fällt es schwer, sich eine Welt vorzustellen, in welcher der Tessiner in der Saison 2030/31 in Lausanne sein Salär von mehr als 600'000 Franken wert sein kann.
Er wird 35 Jahre alt sein, in einer Liga, die jedes Jahr schneller wird. Fora ist ein kräftiger Defensivverteidiger, der in seinem Leben nie ein Laufduell gegen Marco Lehmann oder Denis Malgin gewinnen wird. Er wiegt 97 Kilo, er verkörpert einen Spielertypus, der nicht immer gleich gut altert.

Heute aber ist Fora einer der besten Verteidiger der Liga, ein Abwehrturm wie aus dem Bilderbuch – und besser als sein Ruf. Er vertrat die Schweiz schon sechs Mal an einer WM und ist dreifacher Silbermedaillengewinner.
Es ist begreiflich, dass Lausanne-Sportchef John Fust das Muskelpaket mit diesem Mega-Vertrag vergoldet hat.
Es ist das aus der NHL altbekannte Wechselspiel zwischen «Desperation», Verzweiflung, und «Kick the can down the Road», einer Praktik, die man am besten erklären kann, in dem man das berühmte Konrad-Adenauer-Zitat zweckentfremdet: Was kümmern mich heute meine Probleme von morgen? Das Management braucht heute Erfolge, um den eigenen Job zu rechtfertigen, zu retten.
Lausannes Abwehr ist durch die Abgänge von Lukas Frick (Davos) und Andrea Glauser (Gottéron) arg geschwächt worden.
Ein Fünfjahresvertrag von Fora mit einem Gesamtvolumen von mehr als drei Millionen Franken war der Preis, um die Substanz-Erosion aufzuhalten (Desperation). Schliesslich soll nach zwei verlorenen Playoff-Finalserien endlich der Titel her.
Es gibt im Schweizer Markt zu wenig Top-Spieler und zu viele Interessenten. Dieses Problem dürfte sich in den kommenden Jahren noch akzentuieren.
Etliche der wichtigsten Teamstützen der Nationalmannschaft und der Meisterkandidaten befinden sich auf der falschen Seite der 30. Potenzielle Nachfolger gibt es kaum – in mehreren Jahrgängen ist wenig Star-Potenzial auszumachen.

Was die besten Kräfte weiter verteuern wird. Es ist nicht auszuschliessen, dass in den nächsten fünf Jahren die Schallgrenze eines Millionensalärs durchbrochen wird.
Denn es gibt in der NL genügend Klubs, die durch ihre schwerreichen Besitzer oder/und Mäzenatentum über unlimitierte finanzielle Möglichkeiten verfügen, darunter: Lausanne, Servette, Zug und Zürich.
Wenn Lausanne in den Jahren von Foras Zenit endlich Meister wird, hat sich die Investition gelohnt. Die ein bis zwei potenziell unschönen Jahre sind dann zu verschmerzen – «Kick the can down the Road».
Nein
Von Daniel Germann, NZZ-Redaktor
Als Tristan Scherwey seinen Vertrag beim SC Bern im Februar 2019 vorzeitig verlängerte, sorgte vor allem die Dauer des Kontrakts für Aufsehen.
Der damals 28-jährige Stürmer war im besten Eishockey-Alter und unterschrieb gleich für sieben weitere Jahre. Scherwey selbst sprach von einem «Rentenvertrag». Der Klub fühlte sich auf der sicheren Seite.

Mit seinem finnischen Trainer Kari Jalonen steuerte er geradewegs auf den dritten Titel in den letzten vier Jahren zu. Was also sollte falsch daran sein, einem der wichtigsten und populärsten Schweizer Spieler einen Vertrag auf Dauer zu geben?
Der SCB hat den damaligen Entscheid mittlerweile wohl mehrmals bereut. Der Klub hat seit jenem Frühjahr 2019 keinen Titel mehr gewonnen, Tristan Scherwey ist nur noch ein Schatten jenes Spielers, der damals den Erfolg mehr oder weniger garantierte.
Heute ist er 34 Jahre alt. Bei der Unterschrift vor sechs Jahren hatte der gebürtige Freiburger gesagt, er habe während seiner ganzen Zeit als Spieler in Bern nie nur im Traum daran gedacht, zu einem anderen Klub zu wechseln.
Warum sollte er auch? Mehr als in Bern würde er ohnehin nirgendwo mehr verdienen.
Heute allerdings ist der Powerflügel nicht mehr ein Erfolgsgarant, sondern ein Relikt aus einer vergangenen Zeit und ein Beispiel dafür, wohin der Weg führt, wenn man sich vom Erfolg blenden lässt.
Scherweys Unterschrift hatte den Klub damals geschätzt gegen fünf Millionen Franken gekostet und ihm die Hände für andere Verhandlungen gebunden. Scherwey war nicht der einzige Spieler, welcher sich langzeitig binden liess.
Simon Moser und Ramon Untersander sind ebenfalls seit neun und mehr Jahren in Bern unter Vertrag. Auch sie haben sich die Klubtreue wie Scherwey fürstlich entlöhnen lassen.

Langjährige Verträge sind heute im Trend. Der HC Davos lockte Ken Jäger noch vor dem Saisonstart mit einem Siebenjahresvertrag aus Lausanne ins Bündnerland. Gültig ab der kommenden Saison. Sicher ist sicher.
Doch Sicherheit bieten solche Verträge vor allem den Spielern und ihren Agenten, die kräftig mitkassieren. Solche Verträge setzen das Leistungsprimat mehr oder weniger ausser Kraft.
Die Zeit, zu der sogenannte Punkteprämien alle Verträge leistungsabhängig machten, ist längst vorüber. Die Spieler bekommen, was auf dem Papier steht. Unabhängig davon, was sie auf dem Eis zeigen.
Den Klubs aber schränken solche langjährigen Verträge die Handlungsfreiheit erheblich ein. Es ist heute eher die Ausnahme, dass ein Spieler wie die Davoser Legende Andres Ambühl die Karriere dort beendet, wo er sie einst begonnen hat und bis zum letzten Bully überzeugt.

Druck ist ein Primat des Leistungssports. Deshalb ist es unsinnig, Spieler aufgrund vergangener Leistungen zu entlöhnen. Stärker als in allen anderen Lebensbereichen zählt im Sport der Moment.
Was gestern war, ist morgen schon unerheblich. Der SCB erlebt das mit Tristan Scherwey von Spiel zu Spiel. Der Flügel kämpft heute noch im vierten Block und dort, wo sich eigentlich der Nachwuchs für Eiszeit empfehlen sollte, um seinen Platz.














