«Auch die Dinge machen, die weh tun, nicht nur die schönen»
Am 4. Oktober eröffneten Nico Hischier und die New Jersey Devils gegen die Buffalo Sabres die NHL-Saison. Der Walliser als ihr Captain verfolgt grosse Ziele.
Irgendwie war es schon speziell, dass der Start in Prag erfolgte. Am selben Ort, wo die Schweizer Nati 131 Tage zuvor knapp an der Goldmedaille vorbeigeschrammt war. Damals, nach der Finalniederlage gegen Gastgeber Tschechien, flossen viele Tränen, sass der Frust tief. Doch mittlerweile überwiegt die Freude, wie Nico Hischier sagt:
«Ich konnte das relativ schnell verarbeiten. Nach der Saison wollte ich eigentlich in der Schweiz bleiben, dann war schlechtes Wetter, sodass ich spontan nach Mallorca reiste. Dort konnte ich mich gut ablenken, alles verarbeiten. Ich sagte schon da zu mir: Ich will Prag in guter Erinnerung behalten und nicht wegen dieser Finalniederlage immer ein schlechtes Gefühl haben, wenn ich auf diese WM angesprochen werde.
Wir hatten eine coole Gruppe, haben coole Erinnerungen – und müssen dankbar sein, dass wir dabei sein durften. Es sind Erinnerungen, die mir immer bleiben werden.»
Erfolgreicher NHL-Start
Und nun also wieder Prag, nachdem Hischier schon ein paar Wochen zuvor für den traditionellen Media-Tag der NHL für europäische Spieler in die tschechische Hauptstadt gereist war. «Mit einem guten Gefühl», wie er betont. «Denn die WM ist wie erwähnt verarbeitet.»
Anfang Oktober konnte Nico Hischier Prag erhobenen Hauptes, zufrieden und ohne Tränen verlassen. Der Start in die NHL-Saison glückte, in beiden Spielen gegen Buffalo blieben die Devils siegreich.
Das erste Spiel entschied New Jersey mit 4:1 für sich, wobei die Schweizer grossen Anteil am Sieg hatten: Verteidiger Jonas Siegenthaler bereitete das 2:0 von Jonathan Kovacevic vor, Captain Nico Hischier erzielte das dritte Tor für die Devils. Und am Tag darauf doppelten Hischier und seine Kollegen nach, gewannen 3:1 – und Timo Meier erzielte mit dem Treffer zum Endtstand sein erstes Saisontor.
«Wir setzen unsere Ziele nun hoch an»
Die Spiele gegen Buffalo waren die ersten Schritte in einer Saison, die unter dem Motto der Wiedergutmachung steht. Schon in der letzten Spielzeit wurden die Devils hoch eingeschätzt, verpassten am Ende aber gar die Playoffs.
«Es ist ein Fakt, dass wir uns letzte Saison mehr erhofft hatten. Erwartungen sind immer da, aber man muss diese als Team definieren. Wir hatten viele Verletzte und auch neue Spieler. Wir waren alle nicht zufrieden und setzen unsere Ziele nun hoch an. Aber auf Erwartungen von aussen sollte man nicht schauen», erklärt Hischier nun.
«Wir wollen sicher in die Playoffs, dafür werden wir alles tun. Ich sage nicht: Es ist ein Muss, denn am Ende ist es Sport und es geht nicht um Leben und Tod. Und wenn man in den Playoffs ist, ist alles möglich.»
Die Basis für eine erfolgreiche Saison hat Hischier in der Schweiz gelegt, wo er gemeinsam mit JJ Moser, Yannick Rathgeb, Michael Loosli und seinem Bruder Luca Hischier das Sommertraining absolvierte. Wobei da auch ein einwöchiger Abstecher nach Teneriffa auf dem Programm stand.
«Wir hatten dies seit längerer Zeit im Sinn, in diesem Jahr haben wir es nun gemacht. Unser Kondi-Trainer hat alles organisiert, dass wir beispielsweise auch ein passendes Gym zur Verfügung hatten. Am Morgen haben wir jeweils trainiert, am Nachmittag standen verschiedene Aktivitäten auf dem Programm, so war es eine Trainings- und Adventure-Woche», so Hischier.
«Wir konnten im Gym an den Punkten arbeiten, die auch daheim auf dem Programm gestanden wären. Doch dass wir viel an der frischen Luft machen konnten, führte zu einem anderen Setup, zu einer anderen Stimmung.» Das gemeinsame Training sorgt dafür, dass sich die Spieler gegenseitig pushen, einander mitziehen. Denn das Sommertraining ist bei den Eishockey-Cracks in den seltensten Fällen beliebt, was auch bei Hischier nicht anders ist.
Er sagt: «Es ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung, auch ich stehe lieber auf dem Eis, aber ich weiss, wie wichtig diese Arbeit für eine lange Saison ist. Ich brauche auch ab und zu Abstand vom Eis, gleichzeitig ist es keine Option, nichts zu machen. Mit der Gruppe macht es mehr Spass und sorgt für eine grössere Motivation, zumal der Sommer jeweils schnell vorbeigeht und wir dann fast nur noch auf dem Eis sind.» Im Idealfall wird diese Arbeit ja auch belohnt, beispielsweise wie in diesem Frühling mit der WM-Silbermedaille.
«Eine solche WM ist energieaufwendig, gerade nach einer langen Saison. Aber genau dafür trainieren wir – dass wir möglichst lange Eishockey spielen können, fit und gesund bleiben», so Hischier.
Gesteigertes Körperbewusstsein
Es ist eine Tradition, dass Hischier den Sommer in der Schweiz verbringt. Die Sommerferien, in denen auch die Vorbereitung auf eine neue, lange Saison ansteht, sind in seiner Agenda ein Fixpunkt, «um zurück in die Schweiz zu kommen, die Familie und die Freunde zu geniessen, Energie zu tanken, etwas mehr Freiheiten zu haben und einfach mein Leben zu leben». Wobei auch hier das Körperbewusstsein zentral ist – und im Verlaufe der Karriere immer wichtiger wird.
Als Sportler achte man je länger, desto mehr auf seinen Körper, sagt der 25-Jährige, der sich nach der WM gemeinsam mit seinem Bruder Luca im Motion Lab in Lausanne einem gründlichen sportwissenschaftlichen Check unterzogen hat. Bei diesem Gesundheitscheck werde geschaut, ob noch irgendwelche Blessuren von der letzten Saison oder aus der Vergangenheit mitgetragen wurden und eine noch längere Pause nötig sei, «doch ich bin zwäg». Mit der Zeit merke man auch, was einem guttue, dann mache man das häufiger.
«Man lernt viel, auch im off-ice-Bereich und im Leben generell, versteht Zusammenhänge, über die man früher gar nicht nachgedacht hat. Mit zunehmendem Alter trainiert man anders, hat andere Ansichten.»
Ein wichtiger Faktor in der Karriere und im Leben des Wallisers generell ist die Atmung. «Sie ist wichtig, im Leben und im Sport, ohne Atmung und Sauerstoff geht es nicht. Mit der Atmung kann man im Sport sehr viel steuern, den Körper beruhigen, sich fokussieren. Auch der Energiefluss im Körper hängt mit der Atmung zusammen und beeinflusst die Gesundheit. Bewusstes Atmen ist wichtig, dabei können auch Atemtechniken helfen», erklärt Hischier.
Höhenluft und der Versuch als Hornusser
Zeit zum Durchschnaufen hatte er in der Sommerpause zwar schon, aber das Programm neben dem Eis war dennoch dicht gedrängt. Anfang Oktober nahm er wie erwähnt in Prag am Media-Tag der NHL für europäische Spieler teil. Er spielte mit NHL-Kollegen auf dem Jungfraujoch den Showmatch gegen eine SCB-Auswahl und sagt rückblickend lachend:
«Es war eine sehr coole Erfahrung, das erlebt man nicht jeden Tag. Und es war eine der besseren Aussichten, die ich während eines Spiel hatte.» Dazu kamen auch Aufnahmen für den Streamingdienst Sky Switzerland, für den er seit Jahren als Markenbotschafter tätig ist.
Speziell war sicher der Abstecher zum Hornussen, über den er sagt: «Ich habe das noch nie gemacht, bin aber eine sehr neugierige Person, probiere gerne neue Dinge. Es ist nicht einfach, ich habe schon ein paar Mal danebengeschlagen. Es ist eine coole Sache, doch ich bleibe definitiv beim Eishockey.»
Nico Hischier hat einst bereits mit 16 Jahren die Schweiz in Richtung Übersee verlassen und mittlerweile ist das Leben im Ausland für ihn zur Normalität geworden. Doch seine Wurzeln liegen in der Schweiz und im Wallis, das ist seine Heimat. Er sagt:
«Schweizer oder Walliser Traditionen wie das Hornussen oder Ringkuhkämpfe bedeuten mir schon etwas, schliesslich bin ich in der Schweiz aufgewachsen. Es ist ein Privileg, in einem solchen Land seine Kindheit zu verbringen. Es ist ein Klischee, aber: Je mehr man reist und andere Dinge sieht, umso mehr schätzt man das auch. Probleme, die man hier in der Schweiz hat oder anspricht, sind in anderen Ländern keine Probleme.»
Nun steht aber wieder das Eishockey im Mittelpunkt. Die New Jersey Devils, die er bereits in der fünften Saison als Captain anführt. «Krass, das geht schnell», sagt Hischier, nachdem er nachgerechnet hat, ob er wirklich schon so lange das «C» auf dem Trikot trägt.
«Sobald man in die NHL kommt, hört man von den älteren Spielern, man solle diese Zeit geniessen, weil alles schnell vergehe. Und das ist definitiv so!», erklärt der Stürmer.
«Aktuell schaue ich nicht viel zurück, deshalb ist es auch schwierig zu sagen, wie ich mich fühle. Ich will in die Zukunft schauen und da als Captain mein Bestmögliches geben. Ich will als Leader vorausgehen, nach dem Motto «Playing the game the right way» versuchen, das Team mitzureissen und auch im Spiel die Dinge zu machen, die weh tun und nicht nur die schönen.»
Und er will Erfolge feiern, selbstverständlich am liebsten den Stanley Cup in die Höhe stemmen. «Die Trophäe wäre der grosse Preis, für diesen spielen wir. Aber es ist sehr schwierig, ich bin noch nie weiter gekommen als in die zweite Playoff-Runde», erklärt Nico Hischier.
«Man kämpft 82 Spiele, erwischt dann einen super Gegner in der ersten Runde, bekommt es danach gleich nochmals mit einem starken Team zu tun und so weiter. Der Weg ist lang, aber das macht es auch interessant.»
Ob er auf diesem Weg irgendwann das angestrebte Ziel erreichen wird und sich wie David Aebischer, Martin Gerber und Mark Streit Stanley Cup-Sieger nennen kann, werden die nächsten Jahre zeigen. Zeit dafür hat der 25-Jährige ja genügend.